Kommunales

Ein Motiv der Werbekampagne zeigt den Ersten Bürgermeister von Hohenkammer Mario Berti (links) und den Zweiten Bürgermeister Michael Loy. (Foto: gemeinde Hohenkammer)

09.08.2024

Geglücktes Anlocken

Dank einer außergewöhnlichen Kampagne gelingt es Hohenkammer anders als vielen anderen Landgemeinden, eine Hausarztpraxis anzusiedeln

Viele Landgemeinden haben keine Arztpraxis mehr – das oberbayerische Hohenkammer hat nun mit einer außergewöhnlichen Kampagne erfolgreich eine Ärztin in den 2750 Einwohner zählenden Ort geholt.

Mario Berti ist die Freude anzumerken. „Ich habe am Ende fast nicht mehr daran geglaubt“, sagt der Bürgermeister von Hohenkammer der BSZ. Endlich soll die 2750 Einwohnende zählende Gemeinde im oberbayerischen Landkreis Freising ab 2025 wieder dauerhaft eine Allgemeinarztpraxis haben. Die Allgemeinmedizinerin Sonja Hömig hat nach Gemeindeangaben unterzeichnet und wird die Praxisräume im Ortszentrum übernehmen, um sich dort langfristig niederzulassen. „Voraussichtlich geht es im April 2025 los“, sagt Hömig der Staatszeitung.

Die zweifache Mutter erzählt: „Für mich war immer klar, dass ich Landärztin werden will und eine eigene Praxis ist ein Traum.“ Zwar hat die 42-Jährige in München studiert. Doch anschließend arbeitete die Allgemeinmedizinerin zunächst in einer Kreisklinik, dann als angestellte Ärztin in mehreren Praxen im Münchner Umland. Nun wagt sie den Schritt zur eigenen Praxis. „Das ist eine tolle Chance“, sagt sie über ihre künftige Tätigkeit in Hohenkammer.

Mehr als 15 Jahre habe es im Ort keine verlässliche hausärztliche Versorgung gegeben, berichtet der Geschäftsleiter der Gemeinde, Marco Unruh. Nachdem ein Hausarzt aufgehört hatte, kaufte 2014 Praxisverbund consensus med die Räume der örtlichen Arztpraxis auf. Doch der Praxisverbund, der mit angestellten Ärzten auf dem Land die Patient*innen versorgen wollte, gab bereits rund zwei Jahre später wieder auf. Zwei Versuche in der Folge, dauerhaft wieder einen Allgemeinmediziner in die wegen des malerischen Schlosses Hohenkammer und einem Tagungshotel außerhalb Oberbayerns bekannte Ortschaft zu bekommen, scheiterten. Seit über einem halben Jahrzehnt ist Hohenkammer nun wie so viele bayerische Landgemeinden ganz ohne medizinische Versorgung vor Ort.

Hohenkammer trotzt dem Trend der wegbrechenden dörflichen Infrastruktur

Viele Dörfer klagen über wegbrechende Infrastruktur – Hohenkammer dagegen trotzt dem Trend: Der Ort hat bis heute neben einem Friseur einen Zahnarzt, eine Bäckerei sowie eine Metzgerei und einen Krämerladen. Vor einigen Jahren gelang es dem Vorgänger des seit 2020 im Rathaussessel sitzenden Berti dann sogar, einen großen Supermarkt in der Gemeinde anzusiedeln. Noch wichtiger für das Wohl und Wehe eines Ortes ist allerdings die ärztliche Versorgung: Doch bei der Mission, einen Allgemeinmediziner in die Ortschaft zu locken, scheiterte die Gemeinde ein ums andere Mal.

Doch CSU-Mann Berti wollte nichts unversucht lassen. Schließlich schaltete die Landgemeinde eine PR-Agentur bei der Suche ein. Und die ließ sich eine ausgefeilte Imagekampagne einfallen, die im vergangenen Jahr bundesweit Schlagzeilen machte. Die Agentur entwickelte eine eigene Marke samt Webauftritt. Im Mittelpunkt steht ein weiser Mediziner namens Caius von Camer, der einer – fiktiven – Überlieferung zufolge schon vor vielen hundert Jahren dort die Menschen heilte und für sein empathisches Wesen bekannt war.

Die Gemeinde ließ sich die Werbung einiges kosten, schaltete etwa Plakate, die Berti und seinen Stellvertreter vor einem Sonnenblumenfeld zeigen. Auf der Webseite von „Doktor Caius“ zeigt sich die Gemeinde im besten Licht. Die Vorsitzende des örtlichen Sportvereins schwärmt dort vom „tollen Sport- und Blasmusikverein und dem Vereinsheim“. Zudem gebe es in Hohenkammer das „beste Schnitzel – fast sogar weltweit, zumindest landkreisweit“. Auch habe man Kindergärten und eine Grundschule, die sogar fußläufig erreichbar seien.

Gemeinde renoviert für die neue Ärztin die Praxis

Die Gemeinde renoviert für die neue Ärztin die Praxis im alten Schulhaus komplett auf eigene Kosten. „Frau Hömig kann die Praxis mit uns gemeinsam nach ihrem Willen gestalten“, sagt Berti. Und Medizinerin Hömig erwarten einige Extras: kostenlose Mitgliedschaften im Sportverein und viel Blasmusik gehören ebenso zum Willkommenspaket wie ein Besuch im Biergarten des örtlichen Schlosses. Gefühlt umgarnte beinahe die ganze Gemeinde potenzielle Kandidaten für die vakante Stelle.

Und die Gemeinde lässt sich die Kampagne und den Aufbau der Praxis nach eigener Aussage „einiges kosten“. Kein Wunder. Der Ärztemangel auf dem Land ist bereits heute gravierend und wird weiter zunehmen – auch im Freistaat. Einer Studie der Robert Bosch Stiftung von 2021 zufolge werden 2035 in Deutschland rund 11.000 Hausarztstellen unbesetzt sein. Fast 40 Prozent der Landkreise werden der Prognose zufolge dann unterversorgt oder von Unterversorgung bedroht sein, heißt es in der Studie.

Doktor Caius, der im Mittelpunkt der Kampagne steht, ist ein historischer Heiler aus dem Geschlecht der Adelsfamilie, die das Schloss Hohenkammer einst erbaute. Der ausgedachten Überlieferung zufolge heilte der Mediziner schon vor vielen hundert Jahren die Menschen in dem Ort – und war für sein empathisches Wesen bekannt. Einen ähnlich engagierten Nachfolger glaubt die Gemeinde nun gefunden zu haben. „Mit ihrem fachlichen und menschlichen Verständnis für die Bedürfnisse ländlicher Gemeinden ist sie bereit, eine vertrauensvolle Anlaufstelle für Gesundheitsversorgung und Beratung zu schaffen“, schwärmt die Gemeinde auf ihrer Webseite.

Allgemeinmedizinerin Hömig wurde nach eigener Aussage zunächst bei Facebook auf die vakante Stelle aufmerksam. „Irgendwann sah ich auch die Plakate und die Webseite. Eine absolut geniale Kampagne.“ Sie sei gerührt von der Art und Weise, wie die Gemeinde und die dortigen Menschen um einen Arzt geworben habe. „Man hat gemerkt: Hier in der Gemeinde bist du willkommen.“
Ursprünglich sollte es im Frühjahr losgehen. Aber mittlerweile wird April 2025 für die Eröffnung angepeilt. Schließlich werden die Wände teils komplett rausgerissen. Immerhin: „So haben wir noch mehr Zeit für die Suche nach ausreichend Personal“, sagt Hömig.
(Tobias Lill)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Braucht es eine Extremismusklausel im Bayerischen Landtag?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.