Erst sah in der Bayerwald-Gemeinde Mauth-Finsterau (Landkreis Freyung-Grafenau) am Fuße des Lusen alles nach Routine aus: Der Erste Bürgermeister Ernst Kandlbinder kündigte im März an, sein Amt aus Gesundheitsgründen aufzugeben. Malermeister Heiner Kilger übernahm als Stellvertreter das Amt und wurde von zwei Ortsverbänden der CSU zum Nachfolgekandidaten aufgestellt. Bei der Wahl am 17. November tritt kein Gegenkandidat an, somit schien alles klar und ein Wahlkampf überflüssig. Doch dann geschah Ungewöhnliches.
Überraschend kam aus Brüssel eine Einladung vom Vorsitzenden der EVP-Fraktion und CSU-Vize Manfred Weber: Er werde am Sonntag, 20. Oktober, bei einem Frühschoppen um 10 Uhr vormittags im Gasthaus Fuchs in Mauth sprechen – zusammen mit CSU-Bürgermeisterkandidat Heiner Kilger. Dann verkündete als nächstes ein Flyer: An zwei Sonntagen danach werden der Landrat von Freyung-Grafenau, Sebastian Gruber, und Niederbayerns Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich (CSU) auch noch „im Dialog mit Heiner Kilger“ in den Gemeindeteilen Finsterau und Annathal auftreten. Was sollen drei Sensen für „oa gmahte Wiesn“? Noch dazu „da hint an der böhmischen Grenz“, wo sich eher ein Elch sehen lässt als ein CSU-Minister!
AfD-Erfolge haben die CSU in Niederbayern aufgeweckt
Es drängte sich der Verdacht auf, dass die Wahlergebnisse von zuletzt 20 bis 23 Prozent für die AfD in vielen Grenzgemeinden zu Tschechien die CSU in Niederbayern aufgeweckt hat. Danach gefragt sagt Kilger: „Das sind alles keine Nazis, das sind nur Wähler, die unzufrieden sind mit der Regierung – egal ob München, Berlin oder Brüssel.“ Im Gemeinderat sitzen hier zehn Räte der CSU, vier von der SPD und einer von den Freien Wählern. Früher war die gesamte Grenzregion bis in die 1980er-Jahre eine Hochburg der SPD: „Mit de Sozi hamm de Abghängten im Wiod die CSU-Regierungen am meisten ärgern könna“, sagt ein anderer Mauthler, „heit geht’s besser mit der AfD!“ So sieht es auch Weber: „Die Leute da sind nicht rechtsextrem. Mit denen muss man reden! Fragen, was die Probleme sind und sagen, wie man die lösen kann. Das will die AfD nicht und kann sie auch nicht, weil sie ohne Mehrheit nichts erreicht!“ Um Probleme in der Landwirtschaft, im Klimaschutz oder bei der Migration zu lösen, „muss die CSU in der EVP auch punktuell mit konservativen Parteien im Europaparlament zusammenarbeiten, deren autoritäre Regierung nicht unseren Ansprüchen entspricht, wie bei Ministerpräsidentin Meloni.“ Pragmatische Politik sei aber mit ideologischen Grünen nicht zu machen, „darum haben die Wähler sie im EU-Parlament halbiert!“
Unter den rund 2500 Einwohnenden der elf abgelegenen Dörfer um Mauth-Finsterau sind die Probleme anscheinend nicht allzu groß, denn nur gut 30 von ihnen waren in der Gaststube neben dem Kachelofen versammelt, als Weber eintraf. Den Begrüßungsbeifall hat er sich redlich verdient, denn für diesen „Dialog“ hatte er eine feine warme Mahlzeit mit einem Ministerpräsidenten der EU in Brüssel abgesagt. Es war jedoch für den Europapolitiker lehrreich, erst dem Kandidaten Kilger eine Stunde zuzuhören, was nach der erfolgreichen Entwicklung der Gemeinde für aktuelle Probleme anliegen und wie er sie anzugehen gedenkt.
Es handelt sich in Varianten um dieselben Themen wie in vielen Gemeinden: stärkere Sparzwänge wegen prekärer Finanzlage, mehr Hochwasserschutz für die Kläranlagen, Zukunftspläne für drei von der Gemeinde aufgekaufte Häuser, in denen Flüchtlinge wohnen. Die Gemeinde müsse auch noch über ein größeres leer stehendes Gebäude entscheiden, berichtet Kilger, da ruft ein Zuhörer vor: „Obreißn und Grundstück verkaffa!“ Dem zustimmenden Gelächter hält Kilger entgegen: „Fürs Abreißen gibt es aber keinen Zuschuss! Andere Nutzungen bringen dagegen Fördermittel um 90 Prozent!“
Wer sich mit Zuschüssen auskennt, hat’s drauf
Die Nationalpark-Gemeinde Mauth-Finsterau mit einem gastlichen Freilichtmuseum pflegt auch gutnachbarliche Beziehungen zur tschechischen Partnergemeinde Kvilda (Außergefild), mit der sie immer direkt an der Grenze gemeinsam Silvester feiern. Ein beiderseitiges Dokumentationszentrum für historische Handelswege von der Donau nach Tschechien, den „Goldenen Steig“, in Prachatitz braucht eine Außenstelle in Bayern, erklärt Kilger: „Dafür könnte man das alte Gebäude in Mauth nutzen – wenn Städtebauförderung und Euregio ausreichend fördern!“ Wer sich mit „Zuschuss“ auskennt, hat im Bayerischen Wald die Eignungsprüfung als Bürgermeister schon bestanden.
Zudem hat Kilger ein gutes Stichwort für Weber gegeben: „Niederbayern und der Bayerische Wald sind bei der Regionalförderung der EU sehr gut gefahren! EU-Förderungen für Tourismus, Landwirtschaft und Berufsausbildung von Schulabgängern hat einen wirtschaftlichen Schub ausgelöst. Deutschland zahlt in der EU drauf, aber Niederbayern profitiert!“ Er gibt dann einen Überblick über seine Sicht der Welt von den Folgen der US-Wahl für die Verteidigungslast der Europäer, die notwendigen Handelsabkommen der EU mit Südamerika, Asien und Afrika: „Dass eine nationale Wirtschaft sich gegen Großmächte wie China, USA und Russland durchsetzen kann, glaubt auch nur die AfD!“
Dann fragen die Zuhörenden von Migration übers Bürgergeld bis zur Nachhaltigkeit der Holznutzung – alles mit Ärger über Grüne. Weber will die aber nicht ausschließen, „weil sonst die alternativlose SPD zu stark wird“.
(Hannes Burger)
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