Der Main wird gemeinhin nicht zu den großen europäischen Strömen gezählt, ist aber immerhin der einzige unter den großen Flüssen in Mitteleuropa, der von Ost nach West fließt. Diesem Alleinstellungsmerkmal verdankt der „Fluss Frankens“ von altersher seine Bedeutung für Verkehr und Handel, ist er doch der wichtigste Brückenpfeiler der Verbindung zwischen Rhein und Donau und damit auch zwischen Mittelmeer und Atlantik auf dem Wasserwege. Die „Fossa Carolina“, der „Karlsgraben“, den Karl der Große 739 in Angriff nahm, gilt als der historische Vorläufer dieses Brückenschlags, der erst 1846 mit dem Ludwig-Donau-Main-Kanal, dem heutigen Rhein-Main-Donau-Kanal (1992), gelang.
Nur vor diesem Hintergrund erhellt sich der Titel der Bayerischen Landesausstellung, die das Haus der Bayerischen Geschichte“ in diesem Jahr in Schweinfurt ausrichtet: „Main und Meer“ zielt auf die kulturhistorische Bedeutung des Mains, nach der Donau immerhin der zweitgrößte Fluss Bayerns, der von seinen insgesamt 472 Kilometern über 400 Kilometern auf bayerischem Boden zurücklegt.
In der Kunsthalle Schweinfurt, als ehemalige städtische Hallenbadeanstalt für dieses Thema bestens geeignet, durchschifft die Ausstellung auf 1700 Quadratmetern und in 14 Räumen sowie elf Etappen den durch Franken mäandernden Main und seine Ufer, an deren Hängen seit Jahrhunderten der berühmte Frankenwein gedeiht.
Dem Wein und dem Main ist denn auch eines der ersten Kabinette gewidmet, das auf den seit dem 16. Jahrhundert bezeugten Weinanbau und dessen wechselvolle Geschichte eingeht, einschließlich der verheerenden Reblaus, die den Weinanbau einst fast zum Erliegen gebracht hätte.
Die Fischer sind längst verschwunden
Aber die heutige, viel befahrene und bis Bamberg schiffbare Bundeswasserstraße des Mains förderte von jeher auch Handwerk und Handel, wovon längst ausgestorbene (oder heute kaum noch anzutreffende) Berufe künden. Die Flößer und Fischer, die Schiffmüller und Sandschöpfer, die Kranenknechte und Kettenschiffer, die Flusswäscher, Gerber und Wasserbauern lebten vom und am Fluss, der sogar eigene Bootstypen hervorbrachte: Einbäume und Schelche führen in prachtvollen historischen Modellen vor Augen, wie sich die Flusshandwerker auf dem Main bewegten oder gar in ihm untergingen, wenn Hochwasser und Eisbrüche Brücken, Dämme und Deiche zum Einsturz brachten.
Wie die Lebensader Main freilich immer wieder auch ins Stocken gerät, führen Bilder und Animationen drastisch vor Augen, die den Main als Lebensraum für mancherlei Getier, aber auch als Abfallgrube und Industrie-Kloake zeigen, in der beispielsweise die Perl-Muschel längst ausgestorben ist. So wie auch viele Fischarten, die einst den Main bevölkerten, nicht mehr vorkommen. Weswegen auch der Main-Fischer der Vergangenheit angehört.
Zum Ende hin verliert sich die Ausstellung in allerlei skurril anmutenden Themen, die das doppeldeutige Motto „Main und Meer“ in „Main und Mehr“ umdeuten: ein Wasserwunder und eine Flaschenpost, bayerische Amerika-Auswanderer und Südsee-Missionare können ebenso wenig die an den Haaren herbeigezogene „maritime Rolle“ des Mains glaubhaft machen wie zwei Erfnder aus Bayern, von denen der eine das erste, von Menschenkraft pedalgetriebene Unterseeboot aus der Taufe hob beziehungsweise im Wasser versenkte, während der andere ein Ein-Mann-U-Boot für den Hausgebrauch auf Grund setzte.
Den Geist Mainfrankens, seine religiöse, katholisch geprägte Spiritualität, seine Romantik, kann die Ausstellung kaum einfangen. Sie schlägt bestenfalls mit wenigen Landschaftsmalereien den Ton an, der doch in den am Main gelegenen Städten – etwa den Bistumsstädten Bamberg und Würzburg – ebenso wunderbar zum Tragen kommt wie er in der grandiosen Architektur an den Ufern des Mains anklingt: etwa in dem hoch über dem Main gelegenen Kloster Banz oder der gegenüber, auf der anderen Mainseite gelegenen Basilika Vierzehnheiligen.
Da geht dann der Ausstellung, der man zuweilen eine etwas profundere geschichtliche und kulturhistorische Vertiefung gewünscht hätte, trotz aller pompös und multimedial inszenierten Objekte, die Luft aus. Die Luft, die der Dichter Victor von Scheffel 1859 in seinem zur Franken-Hymne gewordenen Lied so glorios besang: „Wohlauf, die Luft geht frisch und rein / wer lange sitzt, muss rosten …. / Und seh die Lande um den Main / zu meinen Füßen liegen. / Von Bamberg bis zum Grabfeldgau / umrahmen Berg und Hügel / die breite stromdurchglänzte Au. / Ich wollt, mir wüchsen Flügel…“ Aber dieses Loblied auf den Main kommt in der Ausstellung „Main und Meer“ gar nicht vor... (Friedrich J. Bröder)
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