Kultur

In "Cuchibiri" will Jaime Segura Montero zeigen, was Charisma und Individualität ausmacht, den Charme, der einen Verlieben lässt. (Foto: Bettina Stöß)

28.06.2024

Tänzerischer Luxus

Das Beste aus Nürnbergs Nachwuchschoreografie

Der Choreografienachwuchs aus dem eigenen Haus zeigt wieder sein Bestes: Zum sechsten Mal lädt das Staatstheater Nürnberg zu Exquisite Corpse ein, wie die Reihe überschrieben ist. Spannend war schon immer, was man da beobachtete – diesmal ist es noch eine Spur interessanter, weil der in Nürnberg geradezu vergötterte Ballettchef Goyo Montero nächstes Jahr nach Hannover wechselt und man auf die Nominierung der Nachfolge wartet.

Montero freut sich in seinem Beitrag fürs Programmheft über das Potenzial, das sich in seiner Nürnberger Truppe entwickelt hat: über das glänzende körperliche wie gestalterische Niveau, auf das er sie gebracht hat – nimmt er gar jemanden aus Nürnberg mit zu seiner neuen Wirkungsstätte?

Ohne großen Kulissenaufwand, ohne Orchester müssen die 13 Nachwuchschoreograf*innen auskommen – sie können es aber auch, denn es ergeben sich viele neue Eindrücke zwischen Balletthimmel und -erde. Mit Himmelskörpern (Cuerpo celeste) fängt der Abend an: einem „Ballett“ ohne Tanz, aber mit kreisender Maschinerie – quasi ein Amuse-Gueule in Form einer meditativen Installation von Kade Cummings aus wummernden Lautsprechern mit viel Bühnennebel.

Niedliche Dämonen

Es folgt Polan von Serena Landriel. Wenn ein Tanzstück Lust auf mehr macht, dann dieses Kasperltheater mit herumgeschleuderten Körpern, verwegenen Kostümen und grässlich schrillem Lachen. Die Tänzerinnen und Tänzer werfen sich über den Boden, wie im Delirium robbt alles über die Bühne – ein verwegenes Durcheinander von „niedlichen Dämonen“, wie die Choreografin in einem Videoclip sagt. Man merkt, dass sie schon Erfahrung im Choreografieren hat. Die Soundcollage und die raffinierten Kostüme sind auch von ihr: ein toller Beginn für diese sechste Leistungsschau.

Die Dramaturgie des Abends hat an dessen Ende noch so einen Knüller gesetzt: Swarm intelligence von Mikhael Kinley-Safronoff zeigt Szenen wie aus dem Urwald mit menschlichen wie animalischen Gruppen. Sechs Männer wollen Sex und kriegen nicht genug davon, eine Frau prescht in die Stampede der wilden Horde hinein. Der Großteil der Compagnie macht in dieser Choreografie mit, in der es um die Polarität zwischen der Macht der Gruppe und dem Anspruch des Individuums geht. Kinley-Safronoff will keine philosophisch-trockene Abhandlung zeigen, sondern ein neues „Sacre du printemps“. Das Publikum reagiert mit frenetischem Applaus darauf.

Am Ende Jubel für alle aus dem Choreografienachwuchs und ihre Tänzer*innen. Alle haben sich mit vielfältiger Darstellungskraft ihren unterschiedlichen Aufgaben und Rollen gestellt. Und das auch mit Breakdance, mit Love-Parade und dem Thema Sexualität: Man sah raffiniert ausgeleuchtete Wollust, einen Hauch südrussischer Steppe oder eine Art Moulin Rouge (Cuchibiri von Jaime Segura Montero) als knalligen Pausenrausschmeißer. Ein anrührendes homosexuelles Paar (Before they claim my love von Luca Branca) findet unter dem Pullover zueinander, „feminine Urkraft“ schickt Alisa Uzunova in Sat nam mit glänzenden Gesichtern in eine Art Mutterritus.

Das alles strahlt einen Hauch von tänzerischem Luxus aus und emanzipiert sich dabei manchmal auch vom Vorbild Monteros. Die vielen choreografischen Handschriften tun der Compagnie und dem Publikum gut. (Uwe Mitsching)

 

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