Kultur

Angelin Preljocajs Männerduett "Un trait d’union" erhebt einen regelrecht athletischen Anspruch. (Foto: Wilfried Hösl)

26.07.2024

Virtuoser Liebeskampf

Mitglieder des Staatsballetts zeigen im Münchner Cuvilliéstheater ihre Choreografien

Inmitten der sommerlichen Münchner Opernfestspiele wurde das Sphären überschriebene Ballettformat im Cuvilliéstheater fortgesetzt. Nach Marco Goecke im Vorjahr war nun Angelin Preljocaj als Kurator tätig und steuerte mit seinem 1989 uraufgeführten Männerduett Un trait d’union („Ein Bindestrich“) ein Frühwerk zum zeitgenössischen Tanzabend bei. Konzept und Intention der Sphären-Reihe: Die jeweils von Meistern ihres Faches eingeladenen jüngeren Choreograf*innen weisen mit erzählerischen, abstrakten, klassischen oder der Performance Art entlehnten Elementen in die Richtung, in die sich das Ballett entwickeln könnte.

Qualität bleibt zeitlos

Hinweise auf bislang so noch nicht Gesehenes, auf innovative Körpersprache(n) blieb der pausenlos präsentierte 90-Minuten-Abend zwar schuldig, verwöhnte jedoch mit der eindrucksvollen tänzerischen Qualität und Hingabe der 14 Mitglieder des Corps de Ballet. Einmal mehr wurde deutlich, dass sich choreografische Qualität als zeitlos gültig behauptet. Preljocajs Stück überzeugt und fasziniert auch 35 Jahre nach seinem Entstehen.

In München fanden sich mit Severin Brunhuber und Konstantin Ivkin zwei grandiose Solisten, die dem hohen athletischen Anspruch ebenso gerecht werden wie der nötigen darstellerischen Intensität und die damit Un trait d’union zum bewegenden Coup machen. Deutlich vernehmbar hielt das Publikum die Luft an, als Brunhuber, in einer im Accelerando-Modus vollführten Sequenz bäuchlings auf dem Boden liegend, dem hinter ihm stehenden Ivkin in die abgewinkelten Arme sprang und die Schwerkraft geradezu aushebelte – großes Tanz-Kino!

Das Stück lebt auch von seiner nahezu lakonischen Machart und stellt raffiniert die Frage, ob Menschen nur in Beziehung zu einem Gegenüber erst wirklich existieren. Wie eng lassen wir uns aneinanderketten, wie sehr geraten wir aus der Balance, stehen Kopf? Was passiert, wenn wir in jedem Moment die (Re-)Aktion der Partnerin, des Partners antizipieren, wenn wir deren oder dessen Gewohnheiten annehmen, sie spiegeln? Wann scheint eine Lösung, eine Trennung nicht mehr möglich und wie schwer wiegt die Abhängigkeit in einer engen Verbindung?

All das wird in den kühn konzipierten 25 Minuten in schnörkelloser Manier, in teils atemberaubender Artistik körpersprachlich kommuniziert.

Eine entscheidende, stumme Rolle in Preljocajs virtuosem Liebeskampfduell spielt auch der Ledersessel, der zu Beginn auf die Bühne geschoben wird und der am Ende als Monument des ewigen „Weiterso“ den Raum beherrscht.

Mit einer feinen Dosis Augenzwinkern stellte am Sphären-Abend die unter anderem am Pariser Konservatorium ausgebildete Tänzerin und Choreografin Émilie Lalande mit Le Spectre de la Rose ein sich immer wieder wandelndes Liebesquartett in nostalgischem Zirkusflair auf die Bühne. Mit Carl Maria von Webers dezent verfremdet erklingender Musik fordert sie Matteo Dilaghi, Zhanna Gubanova, Soren Sakadales und Phoebe Schembri zum eleganten Tanz auf, der einmal mehr den mysteriösen Geist der verführerisch duftenden Rose heraufbeschwört und als Überschreibung des Klassikers der nahtlos gelingenden Fusion von zeitgenössischer und klassischer Attitüde frönt. Poetisch, melancholisch, mit Esprit verschmilzt hier das Beste von beidem, werden Emotion und technische Finesse, Passion und Verlust versinnbildlicht – bis am Ende eine Tür knallt, Spuk und Spaß abrupt enden.

Befreien vom Handicap

Acht Tänzerinnen hielt Edouard Hue im finalen, abstrakt und dynamisch artikulierten Skinny Hearts in einem winterschlafähnlichen Zustand, in dem die Körper versehrt sind, ein Vorankommen mühsam ist und die Befreiung aus diesem Handicap das Ziel scheint. Zum perkussiven Backgroundsound von Jonathan Soucasse staksen, durchpflügen die Tänzerinnen den Raum, erkunden gemeinsam und mit zuckenden, geknickten Armen ihren Zustand, suchen nach einer Erlösung aus der Erstarrung, aus den Fesseln. Hue startete seine Tänzerkarriere beim Ballet Junior de Genève, um später die Beaver Dam Company zu gründen und seine eigene Tanzsprache zu formen, die sich an diesem Abend am ehesten als temporeich und mit „Luft nach oben“ präsentierte. Beim Premierenpublikum kam das bestens an. (Renate Baumiller-Guggenberger)

 

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