Wenn die Eltern von Bertolt Brecht vor die Tür traten, mussten sie erst einmal eine kleine Brücke überqueren. Denn einer der vielen Kanäle Augsburgs fließt direkt am Geburtshaus des weltberühmten Dichters entlang. Der kleine Bert zog zwar schon im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie wieder aus, doch das Brechthaus im Augsburger Lechviertel, heute ein Museum, ist ein Musterbeispiel für die enge Beziehung von Augsburg zu seinem Wasser.
Künftig soll die historische Wasserwirtschaft von Bayerns drittgrößter Stadt auf der Liste des Weltkulturerbes der Unesco stehen. Die Bewerbung befindet sich auf der Zielgeraden, in weniger als zwei Jahren möchte auch Augsburg Welterbe sein.
Der offizielle Titel der Bewerbung bei der Weltorganisation lautet: "Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg". Die Stadt dokumentiert darin eine rund 2000-jährige Nutzung des Wassers. Denn bereits die Römer hatten eine kilometerlange Wasserleitung nach "Augusta Vindelicum" gebaut. Später war der Wasserreichtum ein wichtiger Baustein für den Aufstieg Augsburgs zu einer der führenden frühen Industriestädte in Europa.
Einfallsreichtum der Augsburger Ingenieure
Bis heute gibt es neben den mehr als 30 Kanälen und den Prachtbrunnen noch mehrere Baudenkmäler, die die Wassernutzung dokumentieren. So lenkt der Hochablass, ein Stauwehr im Südosten der Stadt, Wasser des Lechs ins Augsburger Zentrum, wie das dort die Vorgängerbauten bereits seit mindestens 1346 taten. In der Nähe wurde im 19. Jahrhundert ein Wasserwerk errichtet, das ohne die bis dahin üblichen Wassertürme die Menschen mit Trinkwasser versorgte - damals eine international beachtete technische Innovation.
Ein früheres Wasserwerk dokumentierte da schon den Einfallsreichtum der Augsburger Ingenieure mit einem ungewöhnlichen Brückenbauwerk. An einer Kanalkreuzung sorgt die Brücke bis heute dafür, dass das Wasser ungestört voneinander in unterschiedliche Richtungen fließen kann.
Der nun auch von Augsburg angepeilte Titel "Welterbe" verspricht den Städten internationales Renommee, das sich auch touristisch mit steigenden Gästezahlen auszahlen kann. Seit den 1970er Jahren sammelt die Unesco weltweit die Orte, die als das Kultur- und Naturerbe der Menschheit gelten. Die Liste umfasst aktuell 1073 Stätten in 167 Ländern, Deutschland ist bisher mit 42 Stätten vertreten.
Unesco-Bewerbung: Bei weitem kein Selbstläufer
Heuer wurden aus der Bundesrepublik die Höhlen und die Eiszeitkunst im Schwäbischen Jura in Baden-Württemberg auf die exklusive Liste genommen. 2018 stehen dann zwei norddeutsche Anwärter zur Entscheidung an. Im Sommer soll die Unesco befinden, ob der Jüdische Friedhof in Hamburg-Altona einerseits und andererseits die einstige Wikingerstadt Haithabu bei Schleswig mit dem nahen Befestigungswall Danewerk zum Welterbe werden.
Dabei sind die Bewerbungen inzwischen längst kein Selbstläufer mehr. Die Wikingerorte sind dafür das beste Beispiel. Sie waren bereits einmal gemeinsam mit ähnlichen Orten in Dänemark, Island, Lettland und Norwegen nominiert, wurden 2015 aber zunächst abgelehnt. Nun versucht es Deutschland im Alleingang noch einmal.
Die Stadt Augsburg will auf jeden Fall zum 1. Februar 2018 über das Auswärtige Amt seine Bewerbung bei der Unesco einreichen, damit dann voraussichtlich Mitte 2019 über die Aufnahme ins Welterbe entschieden werden kann. Die Bewerbung werde üblicherweise etwa 18 Monate lang geprüft, erklärt Katja Römer, Sprecherin der Deutschen Unesco-Kommission. Am Ende stehe dann das Votum des Welterbekomitees. "Bis dahin ist die Entscheidung offen."
Derzeit liegt der Entwurf der Antragsschrift bereits bei der Weltorganisation in Paris. "Die Bewerbung wird dort auf Vollständigkeit geprüft", erklärt die Augsburger Denkmalpflegerin Antonia Hager. Damit soll sichergestellt werden, dass keine Formfehler vorliegen. Die inhaltliche Prüfung werde erst nach der offiziellen Einreichung stattfinden.
Laut Hager wird die endgültige Bewerbung mit allen Bildern dann ein stattliches Buch von 500 bis 600 Seiten werden. In Augsburg herrscht wegen des besonderen Themas der Bewerbung großer Optimismus. "Das ist etwas, das gibt es in der Welterbeliste noch nicht", sagt die Denkmalexpertin. "Das ist sehr vielfältig", schwärmt Hager über das Thema. (
Ulf Vogler, dpa)
INFO: Das bayerische Welterbe
Seit 1981 ist Bayern auf der Landkarte des Welterbes vertreten. Damals kam als erstes Denkmal aus dem Freistaat die Würzburger Residenz auf die Liste, zwei Jahre später folgte die oberbayerische Wallfahrtskirche "Wies" in Steingaden.
Weitere erfolgreiche Bewerbungen aus Bayern waren die Altstädte von Bamberg (1993) und Regensburg (2006) und das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth (2012). Auch bei den grenzüberschreitenden Welterbe-Denkmälern des römischen Limes (2005) und der prähistorischen Pfahlbauten im Alpenraum (2011) liegen einige der Orte in Bayern. 2019 soll nun die Unesco entscheiden, ob das 2000 Jahre alte Augsburger Wassersystem ebenfalls zum Welterbe wird.
Auf der sogenannten Tentativliste, auf der die kommenden Anträge der Bundesrepublik gelistet sind, befinden sich noch weitere Vorschläge aus Bayern. Die Märchenschlösser des "Kinis" sollen zu einem späteren Zeitpunkt unter dem Titel "Gebaute Träume - Die Schlösser Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee des Bayerischen Königs Ludwig II." offiziell nominiert werden. Die alpinen und voralpinen Wiesen- und Moorlandschaften in Oberbayern sollen als Naturerbe vorgeschlagen werden und das unterfränkische Bad Kissingen ist Teil einer kommenden Bewerbung von Kurorten des 19. Jahrhunderts aus mehreren Ländern.
Deutschland zählt zu den Staaten, die auf der Liste der Kultur- und Naturdenkmäler weltweit mit die meisten Orte zu verzeichnen hat. Die Welterbeliste umfasst aktuell 1073 Stätten in 167 Ländern, Deutschland ist mit 42 Stätten vertreten. (dpa)
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