Leben in Bayern

Schön bunt, doch nicht immer wirkungsvoll: nachgemachte Medikamente. Foto: dapd

15.10.2010

Gefährliche Pillen

Immer häufiger tauchen auch auf dem deutschen Markt gefälschte Medikamente auf

Berichte über gefälschte Arzneimittel häufen sich – auch hierzulande. Doch welchen Gesundheitsrisiken sind die Menschen dabei ausgesetzt? Wo liegen die tatsächlichen Probleme und wie kann man gefälschte Medikamente erkennen? Die Staatszeitung gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen. Seit Jahren flimmern schreckliche Bilder über deutsche Fernsehbildschirme: Afrikanische Kinder sterben an falschen Medikamenten, die ihnen skrupellose Pharmafirmen und Kriminelle verkaufen. Doch Behörden in den betroffenen Entwicklungsländern fehlen die entsprechenden Mittel, um den Handel mit dem Teufelszeug wirksam zu unterbinden.
Auch wenn gesicherte Zahlen fehlen, gehen viele Experten davon aus, dass Arzneimittelfälschungen häufiger in Entwicklungsländern als in Industrienationen auftauchen. Doch auch Deutschland hat zunehmend ein Problem: Im vergangenen Jahr wurden an den europäischen Grenzen rund 800 000 gefälschte Arzneimittel beschlagnahmt. Und nach Meinung der Pharmaexperten der Universität Bonn sind auch hierzulande größere Mengen gefälschter Medikamente im Umlauf.


Vor allem Handel im Internet betroffen

Demnach soll sogar jedes zehnte Arzneimittel nicht echt sein. Heinz-Günter Wolf, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), erläutert: „Immer mehr Arzneimittelfälschungen werden vom Zoll in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern entdeckt. Sorgen macht mir deshalb die enorme Dunkelziffer.“
Lediglich bei den apothekenpflichtigen Medikamenten treten die Fälschungen in den Industrieländern offenbar sehr selten auf. So gibt das Bundeskriminalamt an, dass zwischen 1996 und Februar 2004 ganze 28 Verdachtsfälle, überwiegend Packungsfälschungen, bekannt wurden. Anders sieht es beim Internet-Handel aus: Dort sind schon häufiger Fälschungen nachgewiesen worden, vor allem von teuren verschreibungspflichtigen Lifestyle-Präparaten.
Eine weitere schwierige Grauzone stellen die so genannten Beinahe-Arzneimittel dar. Also Nahrungsergänzungsmittel und andere „Wundermittel“, denen heilende Wirkungen zugeschrieben werden. Hier fallen vor allem angeblich rein pflanzliche Produkte auf, denen heimlich rezeptpflichtige Arzneimittel beigemischt wurden.
Sehr beliebt ist auch der Handel von illegalen Präparaten, vor allem Anabolika für Bodybuilder. Klar, dass, bei fehlender Kontrolle des Gesetzgebers, Fälscher leichtes Spiel haben.
Versprechungen wie „Arzneimittel im Sonderangebot“ verleiten manche Patienten, Medikamente per Mausklick zu bestellen. Doch neben seriösen Apotheken bieten auch skrupellose Geschäftemacher ihre Ware online an.
Hinsichtlich des angeblich günstigeren Internet-Preises werden Besteller ebenfalls oftmals enttäuscht. Manchmal sind die Medikamente sogar teurer als in der Apotheke. Großer Beliebtheit erfreuen sich bei den Fälschern auch teure Markenarzneimittel, die eine besonders hohe Gewinnspanne versprechen: zum Beispiel Markenarzneimittel, die 50 Euro und mehr kosten können, wobei der Aufwand beim Fälschen vergleichsweise minimal ist. Aber auch die so genannten Generika bleiben von Fälschungen nicht verschont, sofern sie ebenso häufig von Patienten nachgefragt werden.
Die Palette der Arzneimittelfälschungen ist sehr groß: „Gefälscht wird prinzipiell alles“, weiß Harald Schweim von der Universität Bonn. Nicht nur Verpackungen sondern auch die Beipackzettel würden gefälscht. „Zudem befinden sich die Wirkstoffe häufig in zu geringen Dosen oder gar nicht im Produkt. Auch die Verfallsdaten werden verlängert. Dokumente, die angebliche Qualitätskontrollen bescheinigen, werden ebenfalls gefälscht.“ Sogar der Fachmann kann bisweilen ohne technische Analysemethoden nur sehr schwer erkennen, ob es sich um eine Fälschung handelt. Die Folgen der Einnahme gefälschter Medikamente sind ebenso vielfältig wie unberechenbar. Deren Spektrum reicht von völliger Wirkungslosigkeit bis zur Gefährdung der Gesundheit des Patienten.
Selbst geringe Verunreinigungen, die bei der Herstellung entstanden sind, können erhebliche gesundheitliche Schäden anrichten. Das heißt: Wer unkontrollierte Internetpräparate bestellt, riskiert aufgrund der zweifelhaften Qualität seine Gesundheit und kann dabei obendrein viel Geld verlieren. Für den Patienten zählt letztlich, ob das Arzneimittel tatsächlich den Wirkstoff enthält, der auf der Packung steht – und, dass dieser nicht verdorben ist.
Generell gilt: Im Internet dürfen keine rezeptpflichtigen Arzneimittel verkauft werden – auch nicht von eingetragenen Apotheken! Nur Vorbestellungen per E-Mail sind erlaubt. Der Kauf darf dann nur gegen Vorlage des Originalrezepts in der Apotheke erfolgen.
Beim Kauf von apothekenpflichtigen Medikamenten oder sonstigen Präparaten über das Internet empfiehlt es sich, im Impressum der Website genau zu prüfen, ob ein verantwortlicher Apotheker als Ansprechpartner mit Telefonnummer, Adresse und zuständiger Apothekerkammer sowie eine Aufsichtsbehörde genannt werden.Von unseriösen Web-Angeboten mit Ferndiagnosen und Rezeptausstellungen sollte ohnehin auf jeden Fall Abstand genommen werden. > otto geißler

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