Leben in Bayern

Ein Imkeranzug und eine Bienenbehausung wie diese werden auch beim Ausbildungsprojekt der Würzburger Augustiner im Kongo verwendet. Eine Ausstellung zeigt die Arbeit. (Foto: Christ)

18.10.2024

Vom Kindersoldaten zum Imker

Die Würzburger Ordensgemeinschaft der Augustiner bildet Menschen im Kongo aus – und bekämpft damit auch eine Fluchtursache

Ob arm, ob reich, ob Mann, ob Frau – Imkern ist etwas für alle. „Selbst das Alter spielt keine Rolle“, betont Peter Reinl. Der Würzburger Augustinerbruder engagiert sich in einem ganz besonderen Imkerprojekt. Das ist im Kongo angesiedelt. Vor allem arme Menschen und sozial Benachteiligte wie Kindersoldaten werden hier zu Imkern ausgebildet. 2020 wurde das Projekt aufgebaut. Über 100 Imker*innen sind inzwischen aktiv. Rund 1500 sollen es werden.
Wer Honig ernten will, kann mitunter zu ziemlich rabiaten Mitteln greifen. „In Afrika zum Beispiel ist es üblich, Honig zu gewinnen, indem man die Bienenvölker verbrennt“, berichtet Bruder Peter Reinl. Das soll durch das vom Augustinus Missionswerk Würzburg getragene Projekt verhindert werden.

Allerdings geht es nicht nur darum, christlich ausgedrückt, in Afrika „Schöpfung zu bewahren“, so der Augustiner: „Ziel ist es vor allem, die Landflucht in diesem unglaublich armen Gebiet zu stoppen.“ Viele junge Menschen fliehen aus den ländlichen Regionen des Kongo in die Ballungsgebiete, weil sie für sich keine wirtschaftliche Perspektive sehen. Seit 2021 werden Männer und Frauen an den beiden kongolesischen Standorten Amadi und Dungu zu Imkern ausgebildet. Für 2026 ist der Projektstart in Poko geplant.

An jedem Standort können 30 Interessierte den Kurs durchlaufen. Somit erlernen ab 2026 jährlich 90 Kongoles*innen das „Handwerk“ der Imkerei. Geplant ist, verstärkt Kindersoldaten einzubinden.

Hilfsprojekte seit mehr als 50 Jahren

Um die kümmert sich Bruder Peter Reinl bereits seit vielen Jahren. Nicht zuletzt ihretwegen fliegt er regelmäßig in den Kongo. Dort sind die Augustiner bereits seit über 50 Jahren tätig. Über das in Würzburg angesiedelte Augustinus Missionswerk fließen jährlich mehrere Hunderttausend Euro zu den Brüdern im Kongo und von dort in Hilfsprojekte. Die Augustiner unterstützen zum Beispiel Schulen. 2010 riefen sie eine Aids-Initiative ins Leben. 2017 entstand die Idee, ein Bienenzucht-Projekt zu starten, um armen Familien neue Verdienstmöglichkeiten zu eröffnen, um die Landflucht zu stoppen – und nicht zuletzt, um ehemaligen Kindersoldaten zu helfen.

Auf deren Schicksal machte Bruder Peter Reinl in den vergangenen Jahren immer wieder aufmerksam. Da ist zum Beispiel Emmanuel. Der heute 26-Jährige arbeitete vor elf Jahren mit seiner Großmutter und zwei Freunden auf dem Feld, als plötzlich Soldaten ankamen. Sie schickten die Großmutter weg, die drei Jugendlichen nahmen sie mit. Am Abend jammerte einer der drei. Er war erschöpft. Wagte leisen Protest. „Da haben sie ihn einfach erschossen“, erfuhr Bruder Peter von Emmanuel. Das Kind musste drei Jahre bei den Soldaten bleiben.

Das Bienenprojekt soll künftig zu zwei Dritteln Frauen und zu einem Drittel Männern zugutekommen. In der aktuellen Projektphase ist dies allerdings noch nicht möglich. Das liegt, wie Bruder Peter Reinl erklärt, an den „Honigjägern“: „Die müssen wir zunächst ins Boot holen, da sie wegen ihres hochwertigen Honigs hohes Ansehen genießen.“ Durch die Honigjäger versucht das Projektteam gleichzeitig, an Wildbienenvölker heranzukommen.

Der berufliche Hintergrund der Teilnehmenden ist völlig unterschiedlich, berichtet Pater Séraphin aus der im Nordosten des Kongo gelegenen Stadt Dungu: „Wir haben bereits Krankenschwestern, Umweltbeauftragte und Bauern ausgebildet.“ Jeder Beruf könne weiterhin ausgeübt werden. Die Bienenzucht sei das zweite Standbein.

Auch in der knapp 300 Kilometer entfernt gelegenen Stadt Amadi wurde ein bunter Personenkreis geschult, erklärt der dortige Projektleiter Jules Kpidibe: „Wir bildeten bisher Lehrer, Bauern, Angestellte und Arbeitslose aus.“ Geschult werden müssen natürlich auch die Kursleiter*innen.

Dies geschieht in der Nähe von Kinshasa und dauert rund vier Monate. Über sechs Ausbilder*innen verfügt das Projekt derzeit. Vor allem deren Schulung ist laut Bruder Peter Reinl teuer. 4500 US-Dollar kostet dies pro Person. Dies liege vor allem an der weiten Reise zum Ausbildungsstandort: „Hinzu kommt die Vollverpflegung für vier Monate.“

Anfangs gab es so manche Enttäuschung

Menschen das Imkern beizubringen, klingt zunächst gar nicht mal allzu kompliziert, stellte sich in der Umsetzung jedoch als eine größere Sache heraus. Anfangs musste manche Enttäuschung verarbeitet, mancher Rückschlag verkraftet werden, berichtet Bruder Peter Reinl: „Bienenvölker desertierten zum Beispiel.“ Ein lokaler Chef ließ einmal Bienenvölker vergiften und Bienenbeuten, die Behausungen der Insekten, umstoßen. Er hatte sich Geld erhofft – und weil es nicht floss, rächte er sich mit der Attacke.

Es braucht aber auch ziemlich viel Wissen, um Honig zu gewinnen. Vor allem aber braucht es ein Bewusstsein dafür, warum es nicht gut ist, Bienenvölker zu verbrennen. „Die Männer und Frauen, die die Imkerausbildung bei uns absolvieren, lernen unter anderem, wie sie als Honigjäger*innen aufhören und Imker*innen werden können“, sagt Pater Séraphin, der für das Bienenprojekt in Dungu verantwortlich ist. Die Ausbildung dauert einen Monat. In dieser Zeit gibt es eine Woche theoretischen und drei Wochen praktischen Unterricht.

So ist das auch am Standort Amadi, an dem das Projekt von Jules Kpidibe geleitet wird. Beim Thema Honig gerät der Agronom ins Schwärmen. Honig kann nach seiner Überzeugung helfen, Stress abzubauen, er revitalisiere und stärke das Immunsystem. Gut findet Kpidibe auch, dass selbst Menschen mit geringen Mitteln eine Imkerei beginnen können: Anders als Vieh, müssten die Bienen nicht gefüttert werden. Und die Bienenzucht schaffe Einkommen, ohne die Umwelt zu schädigen. „Der Ertrag einer Bienenbeute, die zweimal im Jahr geerntet werden kann, ermöglicht es einer Familie im ländlichen Bereich von Amadi, sich einen Monat zu ernähren“, ergänzt Bruder Peter Reinl.

Wobei der Nutzen weit darüber hinausgeht, erläutert Pater Ernest Sugule, Präfekt des Instituts Bakatutu, einer Sekundarschule in Poko in der Diözese Doruma-Dungu. Dank der Bestäubung durch die Bienen fallen nach seinen Worten nun die Ernten besser aus. Letztlich fällt das Bienenprojekt unter die Rubrik „Hilfe zur Selbsthilfe“. Und diese Selbsthilfe ist äußerst wichtig, erläutert der 46-Jährige, der selbst seit 15 Jahren imkert. Die Demokratische Republik Kongo setzt nach seinen Worten wirtschaftlich sehr stark auf den Abbau von Mineralien: „Vor allem Coltan, Lithium, Kobalt und Gallium.“ Davon profitierten Bergbauunternehmen. Und Regierungsbeamte. „Die arme Bevölkerung hingegen lebt in einer schrecklichen wirtschaftlichen Situation“, sagt er. Landwirte dürften von der kongolesischen Regierung keine Unterstützung erhoffen. Es gelinge denn auch kaum, durch Landwirtschaft die täglichen Bedürfnisse der Familie zu stillen. Deshalb gingen so viele junge Leute fort. Dies könne auch durch das Projekt nicht völlig verhindert werden: „Doch ich kann sagen, dass das Projekt die Landflucht verringert hat.“

In das Bienenprojekt sind auch die Klosterschreinereien in Dungu und Amadi integriert. Hier wird nicht nur für den Schreiner*innenberuf ausgebildet: Auch der Bau der Bienenbeuten geschieht hier. Über 600 wurden zwischenzeitlich fabriziert. Wer die Schulung durchlaufen hat, soll sich um mindestens zwei Bienenbeuten kümmern.

Keine Unterstützung von der lokalen Regierung

Die Beuten zu bauen, stellt laut Bruder Peter Reinl aufgrund der „nicht vorhandenen Infrastruktur“ eine Herausforderung dar. „Wir benötigen zum Beispiel Wellblech, um die Bienen vor den häufigen, starken Regenfällen zu schützen“, erklärt er. Das müsse 200 Kilometer entfernt in der Stadt Isiro eingekauft werden. Die Strecke zurückzulegen dauert laut Bruder Peter Reinl 15 Stunden.

Unter dem Motto „Hoffnung für die Menschen – Schutz für die Natur“ organisierten die Würzburger Augustiner in ihrer Kirche in Würzburgs Innenstadt eine Ausstellung über das Bienenprojekt. Die ist noch bis zum 10. November zu sehen. Bestückt ist sie mit Fotos von Augustinerpater Carsten Meister. (Pat Christ)
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll sich Bayern für die Olympischen Spiele 2040 bewerben?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.