Wird die jetzt vom Bundestag beschlossene Krankenhausreform die Gesundheitsversorgung wirklich verbessern? Man darf zumindest seine Zweifel haben. Eines ist klar: Erst mal muss viel Geld ins System gepumpt werden. Bis zu 50 Milliarden Euro soll die Reform insgesamt kosten – als Anschub in den Jahren 2026 bis 2035. Wer das zahlt? Die Bundesregierung hat da eine Idee – die aber höchst umstritten ist. Am Ende könnte die Finanzierungsstrategie ein Fall fürs Bundesverfassungsgericht werden.
Bis zu 50 Milliarden Euro soll die Reform insgesamt kosten – quasi als Anschub in den Jahren 2026 bis 2035. Krankenhäuser sollen in Leistungsgruppen eingeteilt werden, nicht jedes kleine Krankenhaus soll mehr eine Komplettversorgung anbieten, einigen droht sicher die Schließung. Es soll auch weniger darum gehen, möglichst viele Patient*innen zu behandeln, sondern mehr um das Vorhalten bestimmter Leistungen, was entsprechend honoriert wird. Die Kliniken sollen auch mehr Behandlungen ambulant anbieten. Es ist ein Umbau, der Jahre dauern wird und einiger Investitionen bedarf.
Zahlen die privaten Krankenkassen mit?
Vorgesehen ist, dass die Länder, die ja eigentlich für die Investitionskosten der Krankenhausversorgung zuständig sind, die Hälfte der bis zu 50 Milliarden Euro bereitstellen. Die andere Hälfte soll aus der sogenannten Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds kommen. Der Fonds war 2009 als Sondervermögen zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung eingerichtet worden. Jedes Jahr zahlt der Bund 14,5 Milliarden Euro für versicherungsfremde Leistungen wie die beitragsfreie Versicherung während des Erziehungsurlaubs ein. Den größten Teil des Fonds, 95 Prozent, machen aber die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung aus, die in den Fonds fließen, aus dem dann wiederum die gesetzlichen Krankenkassen Geld erhalten.
Auch die privaten Krankenkassen sollen sich an den Kosten der Krankenhausreform beteiligen, betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach der Verabschiedung des Gesetzes. Nur gibt es dafür bisher keine gesetzliche Grundlage.
Eine Strukturreform, die statt aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu einem großen Teil aus Krankenversicherungsbeiträgen finanziert wird? Und das vor dem Hintergrund ohnehin klammer Krankenkassen und schon jetzt bevorstehender Beitragserhöhungen? Private Krankenkassen, die sich nur vielleicht daran beteiligen? Das alles klingt nach einer bedenklichen Finanzierungsstrategie. Es gibt mehrere Verfassungsrechtler*innen, die das nicht nur bedenklich finden, sondern sogar verfassungswidrig.
Zum Beispiel Dagmar Felix, Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Sozialrecht an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg. Sie hat für die gesetzlichen Krankenkassen die geplante Finanzierung der Reform untersucht – und kommt zu einem eindeutigen Befund: „Der Zugriff auf Sozialversicherungsbeiträge zur Umsetzung der Reform ist nicht zulässig“, stellt sie in ihrem Gutachten fest. Es handle sich dabei um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die entsprechend auch aus allgemeinen Staatshaushaltsmitteln zu finanzieren sei. Eine leistungsfähige Krankenhauslandschaft als Ziel der Reform komme schließlich allen Menschen zugute, „unabhängig davon, ob und wie sie versichert sind“.
Und so wäre aus Sicht der Gutachterin eine Beteiligung der privaten Krankenkassen zwar „zwingend“, sollten die gesetzlichen Krankenkassen zahlen müssen – aber eben genauso wenig gesetzeskonform. In der Sache hält Felix die Reform allerdings für sinnvoll.
"Das ist ein Schnellschuss"
Das sieht auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) grundsätzlich so. Doch die vorgesehene Finanzierung stößt auf scharfen Widerspruch: „Das ist ein Schnellschuss“, sagt Meta Günther, die Vorsitzende des bayerischen SoVD-Landesverbands. „Die gesetzlichen Krankenkassen werden das nicht tragen können.“ So würde die Reform zulasten der Arbeitnehmer*innen und Rentner*innen gehen, die ohnehin durch immer höhere Beiträge und Abgaben zur Kasse gebeten werden. Zudem schrumpfe die Zahl der Beitragszahlenden immer weiter.
Die Kosten müssen aus Günthers Sicht aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Und wenn der Bund trotzdem an der geplanten Finanzierung festhalte, müssten zwingend die privaten Krankenkassen beteiligt werden. „Die nutzen die Krankenhäuser ja auch.“
Noch ist absolut unklar, welche Folgen die Reform tatsächlich für die Kliniken haben wird. Werden, wie etwa vom Freistaat befürchtet, viele kleinere Krankenhäuser schließen müssen und ländliche Gebiete so unterversorgt sein? Und wer zahlt dann für die Sozialpläne der entlassenen Beschäftigten? Die Krankenkassen, die Länder?
Aus Sicht von Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) sind diese und viele weitere Fragen noch ungeklärt, zum Beispiel, wer für die stark gestiegenen Betriebskosten der Krankenhäuser aufkommt, bis die Reform 2026 startet. Gerlach kündigte an, sich im Bundesrat für die Anrufung des Vermittlungsausschusses einzusetzen, um noch Änderungen am Gesetzentwurf herbeizuführen. „Umstrukturierungen sind notwendig“, betonte Gerlach auch in ihrer Regierungserklärung. „Aber man kann nicht von Berlin aus mit dem Schema F das Ganze über Deutschland legen und hoffen, dass das schon passen wird.“
Die Staatsregierung lehnt auch die Finanzierung der Reform über Krankenversicherungsbeiträge ab – mit Verweis auf das Gutachten von Dagmar Felix. Aus Sicht eines von der Staatsregierung beauftragten Experten ist das Gesetz auch aus einem anderen Grund nicht rechtmäßig: Verfassungsrechtler Ferdinand Wollenschläger von der Universität Augsburg kommt zu dem Schluss, dass das Gesetz verfassungswidrig in die Krankenhausplanungskompetenzen der Länder eingreift. „Über eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts, die nur als Ultima Ratio in Betracht kommt, wird nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens entschieden“, teilt Gerlachs Gesundheitsministerium auf Anfrage mit.
Es ist also nicht auszuschließen, dass am Ende noch Klage eingereicht wird. Sei es, weil die Reform doch stark in die Kompetenzen der Länder eingreift. Sei es, weil Sozialversicherungsbeiträge zur Finanzierung eingesetzt werden sollen – oder weil sich jemand finanziell benachteiligt fühlt: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat jetzt nämlich bei der Europäischen Union Beschwerde eingereicht. Die KBV sieht in der Milliardeninvestition in die Krankenhausstrukturen eine Ungleichbehandlung. Haus- und Fachärzt*innen erhalten diese Förderung schließlich nicht.
Lauterbach: Alle profitieren von dem Gesetz
Beim Bundesgesundheitsministerium gibt man sich entspannt. Ein Sprecher verweist auf dauerhafte Qualitätsverbesserungen in den Krankenhäusern und Einsparungen in der stationären Versorgung, die die Reform nach sich ziehen werde. Davon profitierten Patient*innen sowie Beitragszahlende. Insofern liege die Reform „ganz wesentlich im Interesse der Versichertengemeinschaft“ – und deswegen könne man auch Geld aus dem Gesundheitsfonds verwenden.
Die privaten Krankenkassen sind laut dem Sprecher als Beitragende auch fest eingeplant. Sollte das nicht auf freiwilliger Basis funktionieren, „sind weitere gesetzgeberische Schritte geplant“. Nur, wie diese Schritte aussähen, das steht – wie so vieles bei dieser Reform – noch nicht fest. (Thorsten Stark)
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