Politik

Teströhrchen, um den Promillegehalt zu prüfen. Geht es nach der EU, könnte man das künftig bereits im Auto feststellen. (Foto: dpa/Frank May)

28.06.2024

Bitte pusten!

Neue EU-Verordnung: Sind Alkoholwegfahrsperren bald Pflicht?

Ab 7. Juli 2024 dürfen EU-weit keine Neuwagen mehr ohne bestimmte Fahrsicherheitsassistenzsysteme zugelassen werden. Verpflichtende Spur-, Geschwindigkeits-, Rückfahr- und Notbremsassistenten sowie eine Müdigkeitserkennung und ein Fahrdatenspeicher sollen die Zahl der Toten zu reduzieren. Das ist auch nötig: Allein auf Bayerns Straßen kamen im vergangenen Jahr 499 Menschen ums Leben, 50 davon waren Fußgänger*innen. Bei einem System, dem sogenannten Alkolock, wird interessanterweise nur die Schnittstelle Pflicht.

Wäre das Gerät selbst installiert, müsste man vor dem Start in eine Art Röhrchen pusten – wie bei einer Polizeikontrolle. Würde der Assistent dann eine zu hohe Alkoholkonzentration im Atem messen, ließe sich das Fahrzeug nicht starten. Juristisch und politisch wäre die Einführung dieser Wegfahrsperre kompliziert, auch wenn sich damit möglicherweise die Zahl der Alkoholfahrten mit Todesfolge drastisch reduzieren ließe. Auch da lohnt ein Blick in die bayerische Verkehrsunfallstatistik: Für 2023 stehen dort 37 getötete Personen bei Unfällen unter Alkoholeinfluss.

Diskutiert wird über die Einführung von Alkolocks in Deutschland schon länger. 2015 stellte der damalige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) einen Modellversuch in Aussicht. Menschen, die ihren Führerschein durch Alkoholmissbrauch verloren haben und eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) erfolgreich absolviert haben, sollten ihre Fahrerlaubnis zurückerhalten – wenn sie dem Einbau einer Alkohol-Wegfahrsperre zustimmen. Doch es passierte nichts. 2018 hatte sich die Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Einsatz von Systemen wie Alkolocks zu ermöglichen. Doch das blieb genauso ohne Konsequenzen wie der Vorstoß des Bundestagsabgeordneten Christian Jung (FDP). Dieser hatte 2019 gefordert, Alkolocks für auffällig gewordene Lkw-Fahrer zur Pflicht zu machen.

Aufgeschlossen für Modellversuch

Ein Arbeitskreis des Deutschen Verkehrsgerichtstags plädierte ebenfalls 2019 für einen Modellversuch bei erstmaligen Promillesünder*innen. Der Alkolock sollte dabei – in Verbindung mit psychologischer Betreuung – das Fahrverbot ersetzen. Die Fachleute forderten außerdem eine europaweite Pflicht der Wegfahrsperre im gewerblichen Personen- und Güterverkehr. Dafür sprach sich auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat aus. Zahlreiche weitere Verbände stünden zumindest einem Modellversuch sehr aufgeschlossen gegenüber. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung steht zu dem Thema allerdings gar nichts.

Im jetzt FDP-geführten Bundesverkehrsministerium verweist man auf den Vorschlag der EU-Kommission für eine neue Führerscheinrichtlinie. Eine Regelung darin schreibt bei Bewerber*innen mit Alkoholproblemen vor, dass diese keinen Führerschein erhalten dürfen – es sei denn, sie würden verpflichtend eine Alkohol-Wegfahrsperre einsetzen. „Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen und bleibt abzuwarten“, erklärt eine Sprecherin.

Es wäre ein Eingriff in die Grundrechte

Was eine mögliche Pflicht so schwierig macht: Eine Einführung für alle wäre unverhältnismäßig. Sie wäre ein Eingriff in Grundrechte. Man denke auch an einen Fall, bei dem das Leben eines Menschen davon abhängt, dass er von jemandem ins Krankenhaus gefahren wird, der zuvor zwei Flaschen Bier getrunken hat. Die Alkolockfunktion würde das nicht gestatten – obwohl Gerichte die Alkoholfahrt in solch einem Notfall nicht bestrafen würden.

Dazu kommt der Preis: Mit über Tausend Euro müsste man beim Einbau schon rechnen. Wollte man Alkoholsünder*innen die Möglichkeit geben, zwischen Fahrverbot und einem Führerscheinentzug oder dem Einbau eines solchen Geräts zu wählen, müsste auch das Strafrecht geändert werden. Dazu könnte die Abschreckung vor der Bestrafung von Alkoholfahrten verloren gehen. Und Manipulationen sind auch nicht ausgeschlossen.

In Dänemark und Frankreich in Schulbussen im Einsatz

Im Ausland sind Alkolocks allerdings schon in mehreren Ländern im Einsatz, nicht nur bei Alkoholauffälligen. In Schweden ist sie etwa Pflicht in Bussen, Lastwagen und Taxen. In Frankreich und in Dänemark in Schulbussen. In etlichen Bundesstaaten der USA werden die Sperren schon seit Jahrzehnten nach Trunkenheitsfahrten eingesetzt. Es gibt Studien zum Langzeitnutzen bei Menschen mit Alkoholproblemen – sie kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Jens E. Hilgerloh, Vorstandschef des Autovermieters Starcar und Präsident des Bundesverbands der Autovermieter Deutschlands, bezweifelt, dass Alkolocks in absehbarer Zeit in allen Fahrzeugen in Deutschland eingeführt werden. Er würde es aber begrüßen. Hilgerloh verweist auf Tausende alkoholbedingte Unfälle im Jahr, einige davon auch in Leihfahrzeugen. Rund zehn Prozent der verliehenen Wagen weisen nach der Nutzung schwere Schäden auf, die Hauptkosten tragen die Autovermieter. Eine Pflicht, glaubt Hilgerloh, könnte auch dazu beitragen, die Einbaukosten zu senken. „Letztlich könnten Alkolocks so selbstverständlich werden wie Airbags, Sicherheitsgurte und Spurhalte- oder Bremsassistenten.“
(Thorsten Stark)

Kommentare (2)

  1. Rudi Seibt vor 5 Tagen
    Ach ja, was ich vergaß: Diese Regelung wird als EU-Regelung diskutiert und ist KEINE Erfindung der bei dier BSZ sehr unbeliebten Bundesregierung. Erinnert sei auch an jenen CSU-Granden, der vor Jahren mit 2,5 Promille auf der Autobahn heimraste, einen polnischen Kleinwagen rammte und damit 2 Menschen tötete.
  2. Rudi Seibt vor 5 Tagen
    Alle Fachleute empfehlen diese Lösung, um Trunkenheitsfahrten zu unterbinden. Warum? Weil die Wirte dies nicht selbst unterbinden. Leben sie doch davon, dass die Fahrenden sich bei Ihnen vorher genüsslich einen kleinen oder großen Rausch ansaufen. Und ob die Alkoholisierten dann andere Menschen gefährden ist ihnen piepwurschtegal. Es gilt ihnen ja schließlich die Eigenverantwortung als das höhere Gut.
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