Politik

09.01.2020

Brauchen wir ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen?

Wieder tobt der Streit über ein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Damit könnte nicht nur die Unfallzahl reduziert, sondern auch die Umwelt geschützt werden, sagt Florian von Brunn (SPD). Alexander König (CSU) sieht hingegen keinen Zusammenhang zwischen einem generellen Tempolimit und der Sicherheit auf Autobahnen. Gleiches gelte für den Umweltschutz

JA

Von Florian von Brunn, umweltschutzpolitischer Sprecher der Landtags-SPD

Wer schon mit dem Auto im Urlaub war, weiß, wie entspannt es auf den Autobahnen in unseren Nachbarländern zugeht. Kaum zurück in Deutschland, fängt es wieder an: Rasen, Drängeln, Stress und Kampf. Ein Tempolimit schützt Menschenleben und Umwelt. Gegner behaupten gerne, Deutschlands Straßen seien ohnehin schon ziemlich sicher. Aber die Autobahnen könnten noch viel sicherer sein mit einem Tempolimit. Beispiele aus der Praxis zeigen ganz klar: Ein Tempolimit senkt die Unfallzahlen!

Hintergrund sind zwei Untersuchungen, über die Spiegel Online vor einem Jahr berichtete: In Brandenburg wurde im Jahr 2002 auf einem Abschnitt der A24 ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern eingeführt. Die Anzahl an Unfällen halbierte sich. Und die Zahl der Verletzten sank sogar noch stärker.

Aktuellere Zahlen gibt es aus Nordrhein-Westfalen. Dort wurde 2017 auf einem Abschnitt der A4 nach mehreren schweren Unfällen mit Verletzten und Toten ebenfalls ein Tempolimit eingeführt. Bis zum Erscheinen des Berichts gab es dort keinen tödlichen Unfall mehr.

Angepasstes Fahren senkt den Ausstoß an CO2. Das Umweltbundesamt hat schon vor Jahren ein Einsparpotenzial von neun Prozent für Pkw bei Tempo 120 festgestellt. Das sind immerhin rund drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Rasen und klimaschädliches Verhalten sind kein Wert an sich. Der Spruch „Freie Fahrt für freie Bürger“ ist sehr simpel und sehr ignorant. Er würdigt den Begriff der Freiheit ganz erbärmlich herab: nämlich auf das bloße Durchdrücken des Gaspedals.

Auch den meisten Fans schnellen Fahrens sind Verkehrstote nicht egal. Sie reden gerne von den sicheren Autobahnen in Deutschland und behaupten, ein Tempolimit sei nicht notwendig. Aber wie viele Tote und Verletzte ist Rasen ohne Limit wert? Ich denke: Keinen einzigen!

Deswegen ist es endlich Zeit für ein Tempolimit: Den Menschen und dem Klima zuliebe!

NEIN

Von Alexander König, Vizevorsitzender der CSU-Fraktion im Landtag

Wir lehnen die Einführung eines generellen Tempolimits ab. Entgegen anderslautender Behauptungen ist im internationalen Vergleich kein Zusammenhang zwischen einem generellen Tempolimit und der Sicherheit auf Autobahnen feststellbar. Insbesondere mit Blick auf unsere europäischen Nachbarn, bei denen ein Tempolimit besteht, kann sich Deutschland sehen lassen. So ist die Zahl der Unfalltoten auf Autobahnen in Österreich – bei bestehendem Tempolimit – etwa 1,5 Mal höher. Zudem sind Autobahnen ohnehin die sichersten Straßen in Deutschland. Dort wird ein Drittel aller Kilometer pro Jahr gefahren, der Anteil der Verkehrstoten bleibt mit rund 13 Prozent aber unterdurchschnittlich.

Auch für den Umweltschutz ergeben sich keine signifikanten Verbesserungen durch ein Tempolimit. Der Pkw-Verkehr macht etwa zwölf Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland aus. Dabei werden bereits heute rund 80 Prozent aller Fahrten mit einer geringeren Geschwindigkeit als 130 Stundenkilometern gemacht, sodass durch ein generelles Tempolimit lediglich ein CO2-Einsparpotenzial von weniger als einem halben Prozent möglich wäre.

Die bundesrechtlich durch die Straßenverkehrsordnung vorgegebenen Möglichkeiten für die bayerischen Straßenverkehrsbehörden, Geschwindigkeitsbeschränkungen nur streckenbezogen und aufgrund einer besonderen örtlichen Gefahrenlage anzuordnen, haben sich bewährt. Bereits heute sind knapp 40 Prozent des deutschen Autobahnnetzes dauerhaft oder zeitweise geschwindigkeitsbeschränkt. In Bayern sind es rund 30 Prozent. Verkehrsregelnde Maßnahmen erfolgen dort nicht nur mit statischen Verkehrszeichen, sondern an ausgewählten Streckenabschnitten auch mit modernen, flexibel schaltbaren Anlagen, die das Tempo abhängig von Verkehrsaufkommen und Witterung regeln. Damit ermöglichen wir unseren Bürgern eine sichere Fahrt mit optimalem Verkehrsfluss auf unseren Autobahnen. Für uns ist es wichtig, dass die Menschen in Bayern mobil bleiben.

Kommentare (6)

  1. Robert am 03.02.2020
    die vielen schon genannten Gründe für ein Tempolimit sollen hier nicht wiederholt werden.
    Aber ein nicht zu unterschätzendes Argument für ein Tempolimit ist noch nicht genannt worden: wenn man nicht mehr schneller als 130 fahren darf, macht es keinen Sinn mehr, Autos zu bauen mit 200 PS oder noch mehr, wie heute viel zu viele auf unseren Straßen unterwegs sind. Diese Autos sind bauartbedingt deutlich schwerer als sie ohne diese unsinnig hohe Motorisierung wären, verbrauchen daher natürlich mehr Treibstoff und erzeugen entsprechend höhere Schadstoffmengen.
    Genau aus diesem Grund wehrt sich die Automobilindustrie gegen ein Tempolimit. Der Markt mit den hochmotorisierten, schweren und hochpreisigen Wagen würde mit Sicherheit leiden.
    Ich selbst fahre eine 120 PS Diesel (Euro6) und habe einen Durchschnittsverbrauch von unter 5l/100km, weil ich so gut wie nie über 120 und bewusst spritsparend fahre. Und dabei fühle ich mich in meiner persönlichen Freiheit keineswegs in irgendeiner Weise eingeschränkt. Im Gegenteil: ein gutes Gewissen und weniger Kosten erhöhen die Freude am Fahren.
    Man rechne mal hoch, wieviel CO2 deutschlandweit eingespart würde, würden alle PKWs nicht mehr als 5l/100km verbrauchen!! Wir kämen unseren Klimaschutzzielen ein Riesenstück näher!
    Also her mit dem Tempolimit, lieber heute als morgen.
  2. Doris am 02.02.2020
    Wir brauchen kein generelles Tempolimit. Auf gefährlichen Autobahnabschnitten gibt es heute schon Einschränkungen bzw. elektronisch gesteuerte Anzeigen. Das kann ja wohl auch intelligenter lösen. Es ist eine Entmündigung und Bevormundung von uns Autofahrern (bin 69 Jahre alt und fahre seit 50 Jahren unfallfrei), die in den allermeisten Fällen sicher und souverän unterwegs sind. Die Bedingungen und Zustände der Autobahnen sind doch sehr unterschiedlich. Warum muss ich am Sonntag Vormittag auf einer freien Autobahn 130 fahren? Mit welcher Begründung will man mir das vorschreiben? Das ist in meinen Augen einfach nur ein unverschämter Eingriff in meine persönliche Freiheit. Am meisten bringt mich zur Weißglut, dass man mir als reifer Bürger ständig nur Misstrauen entgegenbringt, dass ich nicht in der Lage sein soll, für mich selbst zu entscheiden.
    Sowohl auf Landstraßen und innerorts gibt es Fälle von idiotischem Verhalten. Die meisten Unfälle passieren durch das Benutzen der Handys während der Fahrt. Aber das deutlich zu sagen, wird - von wem auch immer - vermieden und unter den Tisch gekehrt. Heute werden überwiegend von Großstadt- Politikern und Journalisten mit Freude und Genugtuung Bestimmungen gegen Autofahrer und ländliche Bevölkerung mit ihren z.T. anders gelagerten Bedürfnissen Bestimmungen und Gesetze erlassen bzw. unterstützt - leider -
  3. JP am 28.01.2020
    Hallo,

    es wäre wünschenswert wenn man als Bürger noch irgendwas selber entscheiden kann. Wer langsamer fahren will kann doch auf der rechten Seite bleiben. Weniger Unfälle wird es trotz Geschwindigkeitsbegrenzung auch nicht geben da viele während der Fahrt was anderes machen. Handy etc... Man ist ja nicht mehr gefordert...
  4. Frank am 16.01.2020
    Die gemessene Durchschnittsgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften liegt zwischen 23 und 25 Km/h. Die gemessene Durchschnittsgeschwindigkeit auf Autobahnen liegt zwischen 85 und 120 Km/h, je nach Strecke (abhängig von Verkehrsdichte, Baustellen). Die gemessene Durchschnittsgeschwindigkeit bei Bundesstraße liegt zwischen 70 und 85 Km/h - je nach Strecke. Der Spritverbrauch bei Fahrzeugen z. B. bei Tempo 130 ist geringer als bei höheren Tempo - unabhängig der Motorisierung. Die Folge niedrigerer Treibstoffverbrauch und niedrigere CO²-Werte. Bei niedrigen Geschwindigkeiten gibt es weniger Unfalltote - nachweislich. Alle EU-Länder haben Geschwindigkeitsbegrenzungen für Autobahnen, diese liegen zwischen 110 und 130 Km/h. Außerdem haben wir bereits Geschwindigkeitbegrenzungen in geschlossenen Ortschaft (50 Km/h) und Bundesstraßen (100 Km/h), die soweit man diese kontrolliert gut funktionieren. Eigentlich müßte man wenn man diesen Sachverhalt objektiv, reliabel und valide betrachtet zu einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen zwangsläufig kommen. Die Lobbyisten der Automobilindustrie sehen das mit Sicherheit anders, aber es zählt der Volkswille in einer Demokratie, sollte die Wirtschaft sich bei politischen Entscheidungen stets durchsetzen haben wir keine Demokratie sondern eine "Wirtschaftsautokratie" und diese ist mit dem GG nicht vereinbar.
  5. Deohh am 15.01.2020
    Ich (weiblich) fahre seit über 45 Jahren Auto und ich gebe zu, schon immer sehr gerne. Ich hatte das Glück dass ich mit 18 den Führerschein machen konnte. Es scheint mir, dass die Fahrschulen damals um Welten besser ausgebildet haben. Ich kann sagen, dass ich als Frau grundsätzlich nicht drängle, aber bemerke, dass Autofahrer über km hinweg nicht in den Rückspiegel schauen. Wenn ich lese, dass man von einem Raser von hinten überrascht wird, bin ich total erstaunt. Erste Pflicht des Autofahrers ist den Verkehr um sich und natürlich auch den hinter sich voll im Blick zu haben. Es kann so zu keinen überraschenden Momenten kommen. Außerdem ist in Deutschland das Rechtsfahrgebot Pflicht, man fährt also als langsameres Fahrzeug nach rechts, wenn sich ein Schnelleres von hinten nähert. Kann man nicht sogleich nach rechts fahren, dann signalisiert man mit dem Blinker, dass man den Autofahrer hinter sich bemerkt hat und bei nächster Gelegenheit lässt man das schnellere Auto überholen und fährt selber auf der rechten Seite gemütlich weiter. Mehr wird von einem nicht verlangt. Also, Blick in den Rückspiegel, dafür ist er da. Was mir leider viel zu oft auffällt ist, dass bei Tempo 120,130 sogar 140 mit dem Smartphone hantiert wird und das auf der linken Seite der Autobahn. Über km hinweg wird dreimal nach vorne geschaut und lustig weiter getippt.Kein Wunder, wenn die Leute erschrecken, wenn plötzlich ein Auto hinter einem ist. Die schauen manchmal so erschreckt, als wenn ein Ufo aufgetaucht wäre. Wahrscheinlich aber eher aus Angst, ob nicht die Polizei hinter ihnen fährt. Seit 40 Jahren ist das Tempolimit ein Thema. Gefühlt würde ich sagen, dass ca. 80 Prozent der Autobahnen in Bayern schon ein Tempolimit haben. Bundesweit ist es noch schlimmer reglementiert. Oft ist man schon froh, wenn man überhaupt 80 km/h fahren kann. Generell ist zu sagen, dass ein Großteil der jüngeren Autofahrer unsicherer fährt als vor 20 Jahren. Eine verbesserte Fahrausbildung, vielleicht mehr Autobahnstunden und die konsequente Umsetzung des Verbotes von Smartphone wäre die bessere Lösung. Es geht nicht um Geschwindigkeit oder Tempolimit, sondern um Umsichtigkeit aller Autofahrer und das lässt zunehmend sehr zu wünschen übrig.
    Also mein Appell an alle Fahrer, die gerne ein generelles Tempolimit hätten. Rechtsfahrgebot auf der Autobahn beachten, nicht schneller als die eigene Wohlfühlgeschwindigkeit (max. 130 km/h) fahren, überholen auf der linken Spur nur solange der Überholvorgang dauert und man ist auf der sicheren Seite.
  6. Swen am 10.01.2020
    Tempolimit auf Autobahnen ist nur bei relativ wenig Verkehr relevant, denn bei mir auf der A8 ist meistens so viel los, dass ich froh bin, wenn ich über 100km/h fahren kann.
    Wenn die Fahrbahn aber einigermaßen frei ist, fühle ich mich durch so manchen Raser doch massiv bedroht, wenn diese von hinten unvermittelt auffahren. In Österreich und Italien kommen die Überholer viel langsamer, so dass ich mich dort viel sicherer fühle. Bei uns fühle ich mich beim Überholen selbst bei 140km/h häufig von hinten bedroht.
    Mein Appell daher max 120!
    NB: in den Städten fahren viele Roller max 45km/h, wieso dann nicht gleich innerorts Höchstgeschwindigkeit 45?
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