Politik

Serkan Beyde (2.v.r.) aus der Türkei und weitere Zuwanderer im Integrationskurs. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

05.06.2019

Der Kampf mit der Grammatik

Mehr als 200 000 Menschen haben sich im vergangenen Jahr in einem Integrationskurs mit der deutschen Sprache anfreunden müssen. Wie das aussieht, zeigt der Besuch eines solchen Kurses. Mit einer Sache stehen die Teilnehmer dort fast alle auf Kriegsfuß

Angela Nwaubani kann es kaum fassen. Die 38-Jährige reißt die Arme in die Luft, jubelt, lacht erleichtert, freut sich wie ein kleines Kind. Sie hält das Zertifikat für ihren Integrationskurs in der Hand. Bestanden. "Alles gut." Vor acht Monaten ist die Nigerianerin nach Deutschland gekommen, wo sie nun mit ihrem Mann und ihren Kindern lebt. "Es war schwer", sagt sie. "Viele Hausaufgaben." Der Lohn: ein Abschluss mit dem Sprachniveau B1, das für viele Berufe und Ausbildungen als Zugangsvoraussetzung gilt.

Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) haben im vergangenen Jahr deutschlandweit mehr als 200 000 Menschen einen der knapp 15 000 Integrationskurse im Land besucht. Nwaubani, die Frau mit den schwarzen Locken, ist eine von rund einem Dutzend Teilnehmern, die an diesem Dienstag in München die Früchte für ihre Mühen ernten. "Deutsch sprechen ist sehr schwer", sagt die 32 Jahre alte Bulgarin Silvia Azanasova, die neben Nwaubani sitzt und sich mit ihr zusammen freut. "Aber die Leute sind super."

Es habe sich inzwischen etwas getan in den Integrationskursen im Land, sagt Svetlana Rottner, die den Münchner Kurs leitet. Im Jahr 2019 seien nicht mehr hauptsächlich Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak in den Klassen, sondern vor allem Zuwanderer aus Osteuropa. 2018 machten die Syrer nach Bamf-Angaben mit 19,1 Prozent bundesweit noch den größten Anteil der Kursteilnehmer aus - gefolgt von Teilnehmern aus Afghanistan, Irak, Rumänien und der Türkei.

Nach knapp einem Jahr klappt die Verständigung weitgehend unfallfrei

Der Münchner Kurs hat im Januar mit Teilnehmern aus 15 Ländern begonnen, knapp ein halbes Jahr später ist es nun geschafft. In ihrer letzten Kursstunde sprechen die Schüler aus Rumänien, Mazedonien, Indien oder der Türkei noch einmal über das Thema Krankenhaus, beschreiben unter Anleitung ihrer Lehrerin Rottner, was auf Bildern aus einer Klinik zu sehen ist, basteln eine Bildergeschichte zusammen und stellen einen Notruf nach. "Ich brauche eine Hilfe. Ich bin runtergefallen. Ich habe gestürzt." Ein bisschen hapert es noch, aber die grundsätzliche Verständigung klappt inzwischen weitgehend unfallfrei.

"Die Grammatik ist das Schwerste", sagt der 40 Jahre alte Rumäne Claudiu Strain und spricht damit den meisten Teilnehmern aus der Seele. 2012 kam er mit seiner Partnerin Renate Cretu nach Deutschland. Sie arbeiten für eine Reinigungsfirma am Münchner Flughafen - und drücken nebeneinander die Schulbank. "Die Verben sind schwer und die Position im Satz", sagt Strain. Aber seine Freundin und er hätten den großen Vorteil gehabt, zu Hause gemeinsam üben zu können. "Das hat geholfen."

36,5 Prozent der Teilnehmer in ganz Deutschland kamen laut Bamf 2018 freiwillig in einen Kurs, 63,5 Prozent wurden von Ausländerbehörden, dem Jobcenter oder Trägern von Asylbewerber-Leistungen zur Teilnahme verpflichtet. Von der Verpflichtung bis zum Start des Kurses vergingen im vergangenen Jahr im Schnitt 8,1 Monate. 2016 lag diese Zeitspanne im Durchschnitt noch bei 4,3 Monaten. Innerhalb dieser Zeit melden sich die Teilnehmer zum Kurs an. Doch viele Menschen ließen sich mit der Anmeldung Zeit, so das Bamf.

Zeit gelassen hat der 31 Jahre alte Serkan Beyde aus der Türkei sich nicht. Weil seine Frau an der Technischen Universität München studiert, kam auch er vor einem Jahr nach Deutschland, hat erst das A2-Niveau bestanden, dann B1. "Das war nicht mehr schwierig", sagt der Video- und Grafikdesigner, der auf seinem eigenen Youtube-Kanal in Muttersprache vom Leben in Deutschland erzählt. Für ihn ist der Kurs ein Startschuss: "Ich werde jetzt einen Job suchen."
(dpa)

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