Politik

SPD-Fahnen vor dunklen Wolken – Fraktion und Partei wollen neu durchstarten. (Foto: dpa/Hannibal Hanschke)

19.07.2024

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Seit Langem geht es mit der bayerischen SPD bergab – warum nur, und: Kann der neue Fraktionschef das Ruder herumreißen?

Bayerns SPD legt einen Neustart hin. Wieder einmal. Denn nachdem Renate Schmidt bei der Landtagswahl 1998 als Spitzenkandidatin immerhin noch 30 Prozent geholt hatte, hat man irgendwann mit dem Zählen aufgehört in Partei und Fraktion. Dieses Mal ist es aber ein Neustart mit Ausrufezeichen. Einstimmig hat die SPD-Fraktion im Landtag den Parlamentsneuling Holger Grießhammer nach dem erzwungenen Abgang von Vorgänger Florian von Brunn zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Ein, wie der Neue treffend feststellt, für die SPD „eher unübliches Ergebnis“. Zweistellig will der Oberfranke die Partei bei der nächsten Landtagswahl wieder machen nach den mehr als dürftigen 8,4 Prozent zuletzt. Und irgendwann eine Zwei vorne wäre schon „erstrebenswert“. Man wird ja noch Ziele haben dürfen.

Grießhammer, 42 und landespolitisch noch unverbraucht, ist also die neue Hoffnung für einen SPD-Landesverband, der vor genau 70 Jahren mit Wilhelm Hoegner mal einen Ministerpräsidenten stellte und bis in die 1990er-Jahre bei Landtagswahlen 30 Prozent und mehr erreichte. Lange her. Der große Einbruch kam 2003, als CSU-Regierungschef Edmund Stoiber auf dem Höhepunkt seiner Macht eine Zwei-Drittel-Mehrheit holte und die SPD unter die 20-Prozent-Marke abrutschte. Damals dachte man, das sei ein Stoiber-Sondereffekt, der sich wieder legen würde. Im Prinzip war es das auch. Denn die CSU stürzte 2008 tatsächlich brutal ab. Nur dass die SPD davon null profitierte und sogar noch weiter verlor.

Immer weiter nach links

Inhaltlich und personell rückte die SPD seither immer weiter nach links. In einem strukturkonservativen Land wie Bayern eine gewagte Strategie. Zumal es im ländlich geprägten Freistaat – von lokalen Ausnahmen im Fränkischen abgesehen – keine klassischen Industriearbeitermilieus gab und gibt, wie Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing, feststellt. Sie sieht das als Hauptursache dafür, dass die SPD bis heute einen schweren Stand in Bayern hat. Zudem sei da schon immer eine CSU gewesen, die geschickt den vorpolitischen Raum besetzt habe und sozialpolitisch sehr aktiv gewesen sei. Der Platz für die SPD war daher von Hause aus eng. Und dann kamen noch die Grünen dazu.

In den vergangenen rund 20 Jahren hat sich zudem erschwerend ausgewirkt, dass die Parteilinke stets eine knappe Mehrheit hatte und pragmatische Kräfte überstimmte. Wer Vorschläge einbrachte, die auch nur in Nuancen vom Parteiprogramm abwichen und sich an der Lebensrealität einer Mehrheit der Menschen im Land orientierten, hatte auf Parteitagen keine Chance. Genau das ist auch der Grund dafür, dass sich erfolgreiche Kommunalpolitiker wie der frühere Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly mit Händen und Füßen gegen die Übernahme von Parteiämtern wehrten.

Mühselige Gremienwahlen

Was mit einem pragmatischen Kurs möglich wäre, zeigte bei der Landtagswahl 2013 damals schon der Münchner Ex-OB Christian Ude als Spitzenkandidat. Er schaffte 20 Prozent – und wurde dafür in den eigenen Reihen verlacht. Ude sagte damals prophetisch, man werde ja noch sehen, welch Erfolg dieser Wert gewesen sei.

Seither ist der Riss innerhalb der Bayern-SPD offensichtlich. Er drückt sich bei innerparteilichen Wahlen aus. Mit 53,8 Prozent setzte sich 2017 Natascha Kohnen in einer Mitgliederbefragung als neue Landeschefin durch – ein kurzes Aufbäumen der Pragmatiker. 2021 und eine weitere verlorene Landtagswahl später ist es noch knapper: Mit 50,7 Prozent der Delegiertenstimmen siegt das links gestrickte Duo Florian von Brunn und Ronja Endres beim Parteitag über den mittig orientierten Bundestagsabgeordneten Uli Grötsch. Von Brunn kennt solche Momente. Als er 2018 für den SPD-Fraktionsvorsitz kandidiert, gibt es stundenlang ein Patt mit seinem Konkurrenten Horst Arnold, bis er letztlich unterliegt. 2021 bekommt von Brunn den Job dann doch, ebenfalls denkbar knapp. Kein Wunder, dass nun das Erstaunen über Grießhammers Ergebnis groß ist.

Politologin Münch erklärt den Aufstieg Grießhammers so: Der Neue sei kommunalpolitisch stark verankert, komme vom Land und durchbreche als Handwerksmeister durchaus positiv das SPD-Personalmuster der Juristen, Lehrer und Politologen. „Ich finde das bemerkenswert und interessant“, sagt Münch. Ob das alles, wie Grießhammer es formuliert, die SPD „wieder nach vorne bringt“ – abwarten.
(Jürgen Umlauft)

 

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