Politik

Deutsch zu lernen ist Voraussetzung für die Integration. Trotzdem brechen viele Geflüchtete die Sprachkurse ab. (Foto: dpa/Waltraud Grubitzsch)

09.08.2024

"Die Logik versteht keiner"

Die Berliner Ampel-Regierung spricht immerzu von Integration, kürzt jetzt aber die Mittel für Sprachkurse – eine Katastrophe

Die Ampel-Bundesregierung muss sparen – mal wieder. Das betrifft auch die Sprachkurse für Flüchtlinge. Die Mittel sollen kommendes Jahr von 1,1 Milliarden Euro auf knapp die Hälfte zusammengestrichen werden. Da der Ampel-Haushalt nicht verfassungskonform sein könnte, drohen sogar noch stärkere Kürzungen. Dabei war die Förderung der Integration, auch zur Fachkräftegewinnung, ein erklärtes Ziel der Koalitionäre.

Im Freistaat befürchtet man, dass das Geld bereits dieses Jahr ausgehen könnte. „Ich empfinde es als wahnwitzig und unzumutbar, bundesseitig eine Bedarfsplanung für das Jahr aufzustellen, bei der nicht berücksichtigt wurde, dass die bereitgestellten Mittel voraussichtlich bereits im dritten Quartal auslaufen“, sagt der Integrationsbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Karl Straub (CSU). Bewährte Strukturen der Sprachkursträger würden so nachhaltig zerstört.

Dabei sind die Sprachkurse durchaus beliebt. „Für das Jahr 2022 konnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit gut 340.000 Teilnehmenden einen Teilnahmerekord bei Integrationskursen verzeichnen“, sagt ein Sprecher auf Anfrage der Staatszeitung – dreimal so viele wie im Vorjahr. Ein Grund dafür dürfte das neue Chancen-Aufenthaltsrecht sein. In Bayern nehmen jährlich rund 50.000 Personen teil, fast die Hälfte kommt aus der Ukraine. 90 Prozent bestehen die Abschlussprüfung.

Abbruchquote ist sehr hoch

Fakt ist aber auch: Die Abbruchquote bei den Sprachkursen ist mit rund 38 Prozent schon vor der geplanten Mittelkürzung sehr hoch. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hängt der Lernerfolg stark vom Alter, sprachlichen Vorkenntnissen und Einflüssen wie unklare Bleibeperspektive, Kriegserfahrungen oder Kinderbetreuung ab. Aber: „Selbst wer keine der beiden zertifizierten Niveaustufen erreicht, erzielt einen messbaren Lernfortschritt“, heißt es aus dem BAMF.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) überzeugt das nicht. Im Kontext der Zuwanderung rutsche die Integration in der Prioritätenliste immer weiter nach hinten, vor allem beim notwendigen Spracherwerb. „Die Logik dahinter versteht keiner.“ Die drastischen Kürzungen im Bereich Integration nennt Herrmann ein „Armutszeugnis“.

Die Halbierung der Finanzmittel kritisiert zwar auch der Bayerische Flüchtlingsrat. Dass aber ausgerechnet die CSU das beklage, sei „scheinheilig“. „Sie hat für ordentliche Sprachkurse nie Geld in die Hand genommen“, schimpft Flüchtlingsratssprecher Stephan Dünnwald. Der Freistaat finanzierte nur sogenannte Erstorientierungskurse, bei denen es mehr um Alltagswissen als um das Erlernen der deutschen Sprache gehe.

Bayern soll Landesmittel bereitstellen

In dieselbe Kerbe schlagen die Landtags-Grünen. Wenn die Bundesmittel nicht reichen, müsse Bayern Landesmittel bereitstellen, findet die Abgeordnete Gülseren Demirel. So wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen. Solang müssten weiter Ehrenamtliche die Lücke füllen.

Die AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag sieht die Zugewanderten in der Pflicht, sich mehr anzustrengen. Der AfD-Abgeordnete Oskar Atzinger verlangt, bei mangelndem Willen oder Kursabbruch die Sozialleistungen zu kürzen und die Abschiebung vorzubereiten.

Die Freien Wähler weisen darauf hin, dass viele Geflüchtete in Bayern keinen Sprachkurs beginnen können, weil es wegen des Lehrkräftemangels schlicht keine freien Plätze gebe. Der Abgeordnete Alexander Hold schlägt daher vor, den Arbeitsmarktzugang zu erleichtern: „Besser, eigenverantwortlich die Sprache zu lernen, als monatelang auf einen Sprachkurs zu warten und von Sozialleistungen zu leben.“

Wer Integration fordert, muss sie auch fördern. Das verlangt auch die SPD-Fraktion im Bundestag. Für dieses Jahr hält sie zwar im Gegensatz zur CSU die Finanzierung für gesichert. Aber die geplante Kürzung für 2025 bereitet auch den Sozialdemokraten Sorgen; sie fordern stattdessen eine Erhöhung. Ein klarer Arbeitsauftrag an Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD.
(David Lohmann)

 

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