Politik

Das Speicherwerk am Walchensee ist bis heute eines der größten seiner Art in Deutschland und produziert jährlich über 300 Gigawatt Ökostrom. (Foto: Uniper)

21.06.2024

Eine durchaus sinnvolle Rolle rückwärts

Bayern will Wasserkraftwerke rückverstaatlichen

Mit den über 85 Wasserkraftwerken an Donau, Isar, Lech und Main werden in Bayern pro Jahr 4,8 Milliarden Kilowattstunden Ökostrom erzeugt. Damit können rechnerisch knapp 1,6 Millionen Privathaushalte versorgt und die Umwelt jährlich von rund 2,8 Millionen Tonnen CO2 entlastet werden. Darum ist es kein Wunder, dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) diese Anlagen, die sein Amtsvorgänger und politischer Ziehvater Edmund Stoiber (CSU) privatisiert hat, gerne wieder in staatlicher Hand hätte.

Das brächte einige Vorteile. Der Freistaat könnte einerseits durch den Stromverkauf Einnahmen generieren. Andererseits könnte er für Stabilität im Stromnetz sorgen, indem er an die Wasserkraftwerke Batteriespeicher baut. Diese könnten dann Schwankungen im Netz ausgleichen, wenn diese wegen der Volatilität von Sonnen- und Windstrom auftritt.

Aber so leicht kann man die Kraftwerke nicht in die Hände des Freistaats zurückbringen. Bayern hat dem Bund zwar schon vor längerer Zeit angeboten, die Wasserkraftwerke des verstaatlichten Energiekonzerns Uniper zu übernehmen. „Bislang keine Reaktion“, moniert Söder. Darum will er ab 2030 die sogenannten Heimfallrechte ziehen, sprich nach Auslaufen der Konzessionen die Kraftwerke zurückkaufen.

Wassermenge steuern

Das begrüßt Martin Stümpfig, energiepolitischer Sprecher der Landtagsgrünen, und verweist darauf, dass seine Partei Söder bereits vor über einem Jahr aufgefordert hat, so zu agieren. Denn auf diese Weise könne Energiegewinnung, Hochwasser- und Naturschutz aus einem Guss gemacht werden. Grund: Über die Wasserkraftwerke lässt sich die Wassermenge in den Flüssen steuern, was bei Hochwasser entscheidend ist. „Trotz großer Bedeutung für die Energiesicherheit in Bayern wurden die Beteiligungen an einem Großteil der Wasserkraftwerke durch die CSU in den 1990er-Jahren verscherbelt. Ein Riesenfehler, denn das Geld, das hier verdient wurde, floss für Jahrzehnte in Konzernkassen, bevor 2022 der Bund Uniper übernommen hatte“, kritisiert Stümpfig.

Bei Uniper hält man nichts von dem Ansinnen aus Bayern. „Uniper beziehungssweise die Vorgängerunternehmen haben in vielen Jahrzehnten bewiesen, dass sie die Anlagen sicher, effizient und umweltschonend sowie in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem Freistaat Bayern, den zuständigen Behörden, den Anrainern und auch vielen weiteren Interessengruppen betreiben können“, sagt Uniper-Pressesprecher Lucas Wintgens der Staatszeitung.

Batteriespeicher an Wasserkraftwerken installieren

Doch die Behörden müssten wohl aktiv werden, damit Uniper in Bayern so handelt wie in Schweden. Dort verfügen die Wasserkraftwerke bereits über Batteriespeicher, um für Stromnetzstabilität zu sorgen –  im Freistaat nicht. Das wird wohl auf absehbare Zeit so bleiben. Denn der Unternehmenssprecher betonte, dass Uniper derzeit keine Pläne für den Bau von Batteriespeichern an seinen bayerischen Wasserkraftwerken hat.

Wer die Wasserkraftwerke betreibt, ist letztlich egal. Wichtig ist, dass sie nachhaltig und damit betriebswirtschaftlich und ökologisch sinnvoll betrieben werden, meint Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW).

Bei der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) hegt man Zweifel. „Grundsätzlich stehen wir der Verstaatlichung von Energieinfrastruktur skeptisch gegenüber. Das liegt unter anderem an der Komplexität und Dynamik des Energiesystems“, sagt vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Private Energieversorger verfügten über das nötige Know-how, um in diesem schwierigen Feld verlässlich, kosteneffizient und wettbewerbsfähig zu handeln. Dennoch sieht Brossardt Vorteile, wenn der Freistaat wieder Eigentümer wird. Denn durch Modernisierung und Ausbau könnten die Anlagen künftig mehr Strom erzeugen als bisher.

Immer höherer Ökostrombedarf

Beim Bayerischen Industrie- und Handelskammertag (BIHK) verweist man auf die große Bedeutung der Wasserkraft, die für ein Viertel der Ökostromerzeugung steht. „Sie ist damit für Bayern besonders wichtig, auch als Standortfaktor für die Industrie mit ihrem immer höheren Energiebedarf aus klimaneutralen Quellen“, betont BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. Allerdings kann er Söders Motivation noch nicht beurteilen, da noch „eine nachvollziehbare Begründung oder auch Details zu einem möglichen Betreibermodell fehlen“.

Alles in allem mutet die jetzt gewünschte Verstaatlichung etwas seltsam an. „Wer lange genug in der Energiewirtschaft gearbeitet hat, wird feststellen, dass man sich in den letzten 25 Jahren einmal im Kreis gedreht hat. Nach der Liberalisierung und dem Verkauf der staatlichen Anteile am Bayernwerk kam die Regulierung und das Bemühen des Staates wieder mehr Einfluss auf die Energiewirtschaft zu erhalten. Im benachbarten Österreich war man da schlauer und hat sich diese Ehrenrunde einfach gespart, da hat der Staat den Zugriff auf die Energiewirtschaft nie aufgegeben“, sagt ein langjähriger Energieexperte, der namentlich nicht genannt werden möchte. Das wäre wohl auch in Bayern sinnvoller gewesen.
(Ralph Schweinfurth)

Kommentare (1)

  1. Rudi Seibt vor 2 Wochen
    Energieversorgung gehört zu den Pflichtaufgaben eines Staates, steht auch so in der Bay. Gemeindeordnung. Die Delegation an Privatunternehmen nützt uns Bürgern nichts, denn Finanzgewinne aus der Pflichtaufgabe sollen unsere Energietechnik natürlich nicht verlassen. Wie alle Privatisierungen von solch elementaren Aufgaben zeigen, sei es die Fernwärme in Berlin oder die Abwasserbehandlung in Nürnberg, ist die natürliche Gewinnmaximierung von Privatunternehmen ungut für das Gemeinwohl.
    Also tun was richtig ist: den Rückfall der Wasserkraft an unseren Freistaat endlich organisieren.
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