Politik

Kaum einer versteht das komplexe System, nach dem der Preis für den Bezug von Fernwärme berechnet wird. (Foto: dpa/Hendrik Schmidt)

26.07.2024

Intransparente Preisgestaltung

Die Kostenunterschiede bei der Fernwärme sind gewaltig. Warum ist das so?

Viele Kommunen könnten schon bald wegen ihrer Wärmeplanung in Not geraten – insbesondere, wenn sie auf Fernwärme aus Biogasanlagen gesetzt haben. Der Grund ist, dass demnächst für viele Anlagen die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) endet. Betroffene Landwirte überlegen deshalb, ihre Anlagen vom Netz zu nehmen und stillzulegen, warnt der Fachverband Biogas. 

Und genau zu diesem Zeitpunkt meldet sich die Monopolkommission der Bundesregierung zu Wort und mahnt mehr Wettbewerb bei der Fernwärme an. Was klar auf die Kommunen abzielt.

Hintergrund: Im Kontext der angestrebten Wärmewende spielt die Versorgung mit Fernwärme zukünftig eine immer wichtigere Rolle. Weil alternative Heiztechnologien wie die Wärmepumpe nicht überall verwendet werden können, bestehe die Gefahr, dass sich damit bereits bestehende Monopolstellungen der Fernwärmeversorger noch ausweiten und zu überhöhten Preisen führen, so die Kommission in ihrem Statement. Die Monopolkommission befürchtet, dass dadurch die ohnehin geringe Akzeptanz für die Wärmewende in der Bevölkerung weiter schwinden könnte. Sie schlägt deswegen vor, kurzfristig die bisherigen Transparenzmaßnahmen, also wer versorgt wo und wie teuer, zu stärken und eine Preisbegrenzung einzuführen. Damit könnten ohne großen bürokratischen Aufwand wettbewerbskonforme Preise für die Menschen ermöglicht werden.

Doch da grätscht das bayerische Wirtschaftsministerium dazwischen. Die Fernwärmeversorgung stelle ein natürliches Monopol auf lokaler Ebene dar, heißt es. Denn es gebe immer nur ein Leitungsnetz vor Ort. Und auch Wärmeerzeugung und Vertrieb seien zumeist in der Hand des Fernwärmeversorgers. Allerdings variierten die Rahmenbedingungen für Fernwärme je nach örtlichen Gegebenheiten.

Exorbitantes Preisplus

Daher ergäben pauschale Vergleiche anhand der Preise kein vollständiges Bild der Realität. Ohnehin, argumentiert das Ministerium, seien Fernwärmeversorger nicht frei in ihrer Preisgestaltung, sondern an die Vorgaben der Allgemeinen Versorgungsbedingungen (AVB) gebunden.

Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) möchte nichts von zu viel Wettbewerb hören. Fernwärmepreise unterlägen der kartellrechtlichen Preismissbrauchsaufsicht. Regelmäßige Untersuchungen des Bundeskartellamts und erfolgreicher Klageverfahren hätten gezeigt, dass es bisher keine Anzeichen für ein kartellbehördliches Vollzugsdefizit im Bereich Fernwärme gibt, so VKU-Chef Ingbert Liebing. Eine Regulierung der Verbraucherpreise wäre deshalb „bürokratisch aufwendig und insbesondere bei kleinen Fernwärmenetzen unverhältnismäßig“.

Doch rechtlich geht es den Kommunen mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) nass rein. Im Rechtsstreit um das Fernwärmenetz Stuttgart hat der BGH entschieden, dass die Landeshauptstadt Stuttgart nach dem Auslaufen des Konzessionsvertrags mit der EnBW Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) nicht automatisch Eigentümerin des Fernwärmenetzes wird und nicht die Übertragung des Netzes von EnBW fordern kann. 

Hinzu kommt: Immer öfter beschweren sich Kund*innen von Fernwärmeanbietern über exorbitante Preissteigerungen und extrem hohe Nachzahlungsforderungen. Keine gute Publicity für die Fernwärme. Das Problem: Kaum einer versteht das komplexe System, nach dem der Preis berechnet wird. Was der Kundschaft bisher außerdem fehlt, ist ein Vergleichsportal, wie es dieses beispielsweise auf dem Strom- oder Gasmarkt gibt.

„Die Anbieter arbeiten mit kaum verständlichen Preisformeln, sodass eigentlich niemand wirklich nachvollziehen kann, wie eine Rechnung zustande kommt“, lautet die Einschätzung des Volkswirts Werner Siepe, der sich intensiv mit dem Thema befasst hat. Es werde zum Beispiel auf völlig unübliche Preisindizes zurückgegriffen. Diese würden zudem willkürlich ausgewählt. Ein wesentlicher Grund für die großen Preisunterschiede zwischen den Anbietern. Siepe hat insgesamt 120 Fernwärmeanbieter miteinander verglichen. Das sind zwar nicht alle, so der Volkswirt, er habe aber versucht, eine möglichst repräsentative Auswahl zu treffen. Dabei sind die größten Unternehmen wie Vattenfall Berlin, EnBW Stuttgart, Mainova Frankfurt, Rheinenergie Köln oder die Stadtwerke München. Hinzu kommen 90 mittlere und kleine Versorgungsgebiete bis hin zu Nahwärmenetzen.

Im Jahr 2022 verzeichnete man den größten Preisunterschied zwischen den Fernwärmeanbietern. So lagen im Oktober 2022 die günstigsten Anbieter für Privatkunden noch bei 3,7 Cent pro Kilowattstunde, während die teuersten zwischen 39 und 42 Cent verlangten. Der Preisunterschied zwischen dem günstigsten, die Stadtwerke Eisenhüttenstadt, und dem teuersten Anbieter, Avacon Natur in der Stadt Gommern bei Magdeburg, lag somit bei über 1000 Prozent.

Auch 2023 gab es große Preisunterschiede. Zwischen dem günstigsten und teuersten Anbieter waren es 418 Prozent. Allerdings hatte die Bundesregierung in diesem Jahr für Fernwärmekunden eine Preisbremse von 9,5 Cent je Kilowattstunde für 80 Prozent des Jahresverbrauchs eingeführt. Für den restlichen Verbrauch musste der normale Martkpreis gezahlt werden. Es scheint so, als ob Fernwärme auch in Zukunft ein teures Vergnügen ist. (André Paul)

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