Politik

Für die vorgezogene Bundestagswahl braucht es auch viele Wahlhelfer*innen, die jetzt rekrutiert werden müssen. (Foto: dpa/Sebastian Gollnow)

15.11.2024

"Man muss jederzeit mit vorgezogenen Wahlen rechnen“

Das Scheitern der Ampel-Regierung bringt die Kommunen und Parteien ins Schwitzen, weil jetzt früher gewählt werden muss – aber völlig unvorbereitet trifft es niemanden

Das Feilschen hat ein Ende: Die vorgezogene Bundestagswahl findet am 23. Februar 2025 statt – vorausgesetzt, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erhält wie erwartet keine Zustimmung, wenn er am 11. Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage stellt. Mit dem Februartermin bleibt der Test aus, ob die vor einer Wahl schon im Januar warnenden Stimmen Recht behalten hätten. Aber auch so bleibt der Zeitplan sportlich. Es gibt einfach viele Regularien, die eingehalten werden müssen. Klar ist jedoch auch: Vor dem Land liegen größere Herausforderungen als die Organisation einer Wahl.
Das zeigt auch die Reaktion der Beteiligten: Von den Parteien über die Bundeswahlleiterin und die Landeswahlleitungen bis hin zu den Kommunen gibt es niemanden, der sagt, dass es bis zum 23. Februar nicht zu schaffen wäre, die Bevölkerung an die Wahlurnen zu bitten. 

ÖDP und Piratenpartei fühlen sich benachteiligt

Beschwert haben sich allerdings Vertreter*innen mehrerer kleiner Parteien wie die ÖDP und die Piratenpartei: In einem offenen Brief fordern sie für sich niedrigere Hürden bei der vorgezogenen Wahl. Im Gegensatz zu den im Bundestag oder in einem Länderparlament vertretenen Parteien müssen sie Unterschriften für die Zulassung zur Wahl sammeln – und zwar von 2000 Personen. Dafür haben sie aber deutlich weniger Zeit als beim ursprünglichen Wahltermin im September. Bei einer vorgezogenen Wahl werden die Fristen in der Regel halbiert. Wie die Fristen genau sein werden, das legt das Bundesinnenministerium noch fest.

Die großen Städte verfügen über genügend Mittel, um personell auf die deutlich frühere Wahl zu reagieren. Aber wie sieht es in den kleineren Kommunen aus? Susanna Tausendfreund hätte sich eine Wahl im März gewünscht. Die ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete, die seit 2014 Bürgermeisterin im oberbayerischen Pullach ist, muss wie ihre unzähligen Amtskolleg*innen die Wahl vor Ort verantworten. „Als die Nachricht kam, bin ich im Hinterkopf den Zeitplan durchgegangen“, sagt sie.

Die Gemeindeverwaltung muss die Wählerlisten erstellen, Wahlbenachrichtigungen müssen gedruckt und versandt werden. Danach geht es an den Versand von Briefwahlunterlagen und die Einrichtung von Briefwahlbezirken. Dafür müssten aber auch erst einmal die Kandidat*innen der Parteien für ein Direktmandat sowie auf den Listen feststehen. Zusätzlich müssen jeweils auch Fristen gewahrt werden. Wahllokale müssen reserviert werden und Wahlhelfer*innen rekrutiert werden. „Wenn man das zusammenrechnet, kommt schon einiges zusammen“, sagt Tausendfreund. Eine Wahl im Januar, wie es sich unter anderem die Union zunächst gewünscht hatte, wäre daher aus ihrer Sicht „ein Ding der Unmöglichkeit“ gewesen.

So sieht man es auch im Kulmbacher Rathaus. In der oberfränkischen Stadt regiert der SPD-Politiker Ingo Lehmann. Das Büro des Oberbürgermeisters verweist darauf, dass es aber auch bei einer Wahl im Februar schwierig werden dürfte, rechtzeitig genügend freiwillige Wahlhelfer*innen zu finden, da die ja auch noch geschult werden müssten. Die Stadt werde deswegen wohl überwiegend auf das eigene Personal zurückgreifen müssen, schätzt ein Sprecher.

Hoffnung auf rechtzeitige Lieferung der Wahlunterlagen

Alfred Holzner (Freie Wähler), Bürgermeister aus dem niederbayerischen Rottenburg an der Laaber, hofft, dass die Verlage rechtzeitig alle Briefwahlunterlagen drucken und liefern können. Er hatte dieser Tage die Unterlagen bestellt – allerdings für den regulär geplanten Wahltermin im September. Für die Wahlvorbereitung müsse man schon mehrere Monate einkalkulieren, erklärt er. In der Einschätzung liegt er quer zu Digitalminister Fabian Mehring (ebenfalls Freie Wähler), der die Warnungen der Bundeswahlleiterin vor einer Wahl schon im Januar als eine „staatsorganisatorische Bankrotterklärung“ bezeichnet hatte. Aber auch Holzner hätte eine Januar-Wahl für grundsätzlich möglich gehalten.

Svenja Moller, Sprecherin der von Stefan Bosse (CSU) regierten Stadt Kaufbeuren im Allgäu, sagt deutlich: „Natürlich ist die Vorbereitung in so kurzer Zeit immer schwieriger, aber das Wahlamt muss jederzeit mit vorgezogenen Neuwahlen rechnen.“ Die Wähler*innen könnten darauf vertrauen, dass die Wahl reibungslos ablaufen werde.

So sieht man es auch bei der CSU-Landesleitung: „Die CSU ist startklar für den Wahlkampf“, erklärt Generalsekretär Martin Huber auf Anfrage. In drei Wochen seien alle Direktkandidat*innen gewählt, die Wahlkampfmaterialien wurden bereits fertiggestellt. Die Arbeit am Wahlprogramm und der Bayern-Agenda laufen laut Huber auf Hochtouren. Fehlt nur noch die Aufstellung einer Landesliste. Das soll am 14. Dezember passieren.

„Wir sind jederzeit für Neuwahlen bereit“, sagt auch AfD-Landeschef Stephan Protschka auf Anfrage. Doch auch die AfD muss ihre Liste aufstellen – und hat für eine Versammlung gleich drei Wochenenden im Dezember geblockt.

Auch die anderen Parteien sind nach eigener Aussage vorbereitet: Die Freien Wähler in Bayern bereiten gerade ebenfalls eine Landesversammlung zur Listenaufstellung vor, gleichzeitig finden Nominierungsversammlungen statt. „Wir hatten bereits vor Monaten in zwei Zeitschienen für den Bundestags-Wahlkampf geplant“, erklärt dazu Generalsekretärin Susann Enders.

Bayerns Grüne stellen ihre Landesliste am 14. und 15. Dezember auf. Die meisten Direktkandidierenden sind laut einer Sprecherin bereits gewählt. Sie sagt: „Besonders erfreulich ist, dass sich sehr viele Freiwillige in der Parteizentrale melden, um den Wahlkampf in ganz Bayern zu unterstützen.“

Die Bayern-SPD wird ihre Liste am 7. Dezember verabschieden. „Und sowohl unsere Kandidatinnen und Kandidaten als auch die Ehrenamtlichen vor Ort freuen sich auf einen leidenschaftlichen Wahlkampf über die besten Ideen für unser Land“, sagt eine Sprecherin des Landesverbands.

BSW: erst Neugründung, dann Listenaufstellung

Die bayerische FDP hat ihre ursprünglich für März geplante Listenaufstellung auf den 21. Dezember vorverlegt. Man werde „eine überzeugende und schlagkräftige Kampagne auf die Straße bringen“, betont ein Sprecher.

An diesem Wochenende wird das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) einen bayerischen Landesverband gründen – und muss dann gleich ranklotzen. Denn nach der Gründungsversammlung muss dann auch gleich eine Landesliste aufgestellt werden. „Eine Bundestagswahl in so kurzer Zeit vorzubereiten, ist harte Arbeit“, sagt auch der designierte Landesvorsitzende Klaus Ernst. „Aber wir werden es schaffen.“

Und die Linke? „Unser Fahrplan steht und wir starten sofort in den Wahlkampf“, erklärt Landesvorsitzender Martin Bauhof. Das ist auch geboten, immerhin muss auch noch eine Landesliste beschlossen werden. (Thorsten Stark)
 

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