Politik

28.11.2024

Soll die staatliche Stellplatzpflicht abgeschafft werden?

Mit ihrem Modernisierungsgesetz will die Staatsregierung mehrere Bauvorschriften abschaffen beziehungsweise lockern. Dazu gehört auch die staatliche Stellplatzpflicht. Künftig sollen die Gemeinden entscheiden, wie viele Stellplätze bei Neubauten notwendig sind – maximal aber zwei pro Wohneinheit. Jürgen Baumgärtner, baupolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im Landtag, begrüßt das. Johannes Becher, stellvertretender Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Landtag, ist dagegen

JA

Jürgen Baumgärtner, baupolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im Landtag

Das geltende Stellplatzrecht gibt bisher vor, ob und wie viele Stellplätze zu bestimmten Bauten zu errichten sind. Mit dem Ersten Modernisierungsgesetz Bayern wird das „Ob“ einer Stellplatzpflicht nicht mehr durch den Gesetzgeber entschieden, sondern durch die Gemeinde. Die Gemeinde hat es also selbst in der Hand festzulegen, ob es in ihrem Gebiet eine Stellplatzpflicht geben soll oder nicht.

Stellplatzvorgaben sind für Bauherren ein zentraler Kostenfaktor, der das Bauen verteuert und den Flächenverbrauch antreibt. Daher wird es eine Obergrenze für die Anzahl der zu schaffenden Parkplätze geben. Das bedeutet auch: Eine Abweichung ist nur noch nach unten möglich.

Durch die neue Höchstgrenze soll den steigenden Baukosten effektiv entgegengesteuert werden. Mit der Neuerung, dass die Gemeinden eigenständig über das „Ob“ einer Stellplatzpflicht entscheiden können, werden die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden gestärkt und individuelle Lösungen vor Ort ermöglicht.
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Obergrenze von einem Stellplatz je Wohnung haben wir im Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr auf je zwei Stellplätze je Wohnung angepasst. Stehen nicht ausreichend Stellplätze auf privatem Grund zur Verfügung, droht sich der Parkplatzdruck auf die öffentlichen Verkehrswege zu verlagern. Mit einer Festlegung der Obergrenze auf zwei Stellplätze je Wohnung wird dieser Problematik begegnet, was auch den bayerischen Gemeinden ein wichtiges Anliegen ist.

Dagegen soll bei Bauvorhaben, die auf Grundlage des Gesetzes über die Wohnraumförderung in Bayern gefördert werden, eine Obergrenze von 0,5 Stellplätzen je geförderter Wohnung gelten, wenn es sich um Mietwohnungen handelt. Auf diese Weise geförderte Haushalte haben regelmäßig einen wesentlich geringeren Bedarf an Stellplätzen. Entscheidend ist hier vor allem ein günstiges Wohnraumangebot.

NEIN

Johannes Becher, stellvertretender Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Landtag

Alle sprechen von Bürokratieabbau und von den Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen – die Staatsregierung aus CSU und FW macht das glatte Gegenteil. Als Grüne stehen wir an der Seite der Kommunen und sind gegen die Abschaffung der staatlichen Stellplatzpflicht und für kommunale Freiheit bei der Ausgestaltung der Stellplatzsatzungen.

Die geplante Abschaffung der staatlichen Stellplatzpflicht ist der verzweifelte Versuch, Bürokratie abzubauen. Stattdessen führt es zu viel mehr Bürokratie bei den Kommunen: Eine Gemeinde, die heute noch keine eigene Stellplatzsatzung hat, muss nun tätig werden, ansonsten können weder Stellplätze noch gegebenenfalls Ablösen verlangt werden. Ein gewaltiger Aufwand.

Nach dem Willen der Söder-Regierung gilt zudem künftig erstmals eine Obergrenze an Stellplätzen pro Gebäudetyp. Kommunen, die schon eine Stellplatzsatzung haben, werden diese überarbeiten müssen, denn wenn sie nur bei einem Gebäudetyp mehr Stellplätze vorsieht als die neue staatliche Obergrenze, verliert die Satzung automatisch ihre Gültigkeit. Das verursacht nicht nur einen gewaltigen Aufwand, sondern negiert auch die Unterschiede in der Lebensrealität zwischen Stadt und Land. Eine Differenzierung zwischen der Münchner Altstadt und einem Dorf im ländlichen Raum ist nur noch im Rahmen der engen Obergrenzen möglich, obwohl sich der Bedarf für einen eigenen Pkw je nach Region und öffentlichem Nahverkehrsangebot arg unterscheidet: Grad auf dem Land sind viele Familien auf das Zweitauto angewiesen, das auch in Zukunft einen Stellplatz braucht.

Die Konsequenzen von parkenden Fahrzeugen im öffentlichen Raum, einer unkontrollierten Nachverdichtung in Quartieren ohne Bebauungsplan, einem Eingriff in die kommunale Entscheidungsfreiheit und hohem (und völlig unnötigem) bürokratischem Aufwand sind absehbar. Dieses Gesetz schafft Probleme, die es vorher gar nicht gab. Besser wäre, es bliebe, wie es ist. 

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