Politik

19.09.2024

Sollen unangekündigte Tests in der Schule abgeschafft werden?

Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) hatte angekündigt, über die Sinnhaftigkeit von unangekündigten Tests in der Schule diskutieren zu wollen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte jetzt aber, dass die Tests definitiv bleiben werden. Martin Löwe, Vorsitzender des Bayerischen Elternverbands, wäre für die Abschaffung. Oskar Atzinger, bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag, ist dagegen eher auf der Linie des Ministerpräsidenten

JA

Martin Löwe, Vorsitzender des Bayerischen Elternverbands

Schüler und Schülerinnen jeden Alters berichten, dass für sie der Umgang mit Fehlern in der Schule oft verletzend und mit negativen Erfahrungen verbunden sei. So können unangekündigte Leistungsnachweise, sogenannte Exen, eine psychische Belastung darstellen und das Lernen negativ beeinflussen.

Die Diskussion um die Abschaffung der Ex muss im Kern hinterfragen, ob benotete Kurztests schnelleres oder tieferes Lernen fördern und ob sie ein gutes Diagnosewerkzeug für Lehrer sind. Bildungsforscher John Hattie zeigte in seiner Meta-Meta-Studie „Visible Learning“, dass formative Tests, die während des Lernens Feedback geben und keine Wertung enthalten, zu den effektivsten Maßnahmen für erfolgreiches Lernen gehören.

Indes benötigt der bayerische Lehrer beziehungsweise die Lehrerin zur Lernstandsdiagnose des Schülers und der Schülerin scheinbar eine Ziffernnote. Die weitverbreitete Angst vor schlechten Noten aber ist nicht lernförderlich und blockiert gar die langfristige Speicherung von Wissen. Das Prädikat „unangekündigt“ versetzt so manchen Schüler und manche Schülerin in Dauerstress. Vertieftes Lernen, bei dem durch Wissensverknüpfung Qualität vor Quantität steht, ist so kaum möglich, und das Format der Exen fördert zudem ein oberflächliches, auf Quantität gerichtetes Auswendiglernen.

Kurze zwangfreie Routinetests können dagegen den Wissensabruf trainieren und das Stresslevel senken. Die Abschaffung der Ex würde aktuellen Erkenntnissen über das menschliche Lernen gerechter werden und bessere Voraussetzungen für ein tieferes Verständnis von Gelerntem schaffen.

Im Bereich der Personalführung hat man gelernt, dass Transparenz, Feedback und offener Dialog leistungsförderlich sind. In der Schule sollte es ähnlich sein: regelmäßig kleine Tests als konstruktives Feedback und zur Beobachtung des Lernfortschritts der einzelnen Schülerinnen und Schüler. Solange Exen jedoch mit Noten bewertet werden, wird eine positive Fehlerkultur an Schulen untergraben. Höchste Zeit für ein Umdenken! 

NEIN

Oskar Atzinger, bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag

Semper paratus – allzeit bereit, so müsste in meinen Augen der Leitspruch eines jeden Schülers lauten. Sollte es nur noch angekündigte Tests geben, so würde dies den gefährlichen Trend zum Bulimielernen verstärken.

Unangekündigte Tests sind den Schülern nicht nur zuzumuten, sondern sind sogar Voraussetzung für nachhaltiges Lernen. Stegreifaufgaben (Exen) sind an bayerischen Schulen bereits jetzt fakultativ, das heißt, Lehrkräfte führen die Leistungserhebung in pädagogischer Eigenverantwortung durch.

Die AfD steht für das Leistungsprinzip an bayerischen Schulen, und zu diesem gehört die Möglichkeit eines unangekündigten Tests sehr wohl. Eine Abschaffung der unangekündigten Tests würde ein erneutes Absenken des Bildungsniveaus zur Folge haben. Dass sich sogar die Präsidentin des BLLV für ein verändertes Leistungsverständnis ausspricht, macht mich fassungslos. Es ist nicht sinnvoll, die Schüler in Watte zu packen, denn irgendwann einmal werden sie in der harten Lebenswirklichkeit aufschlagen. Im Berufsleben ist Flexibilität gefordert und die lernt man nicht, wenn während der Schulzeit immer alles angekündigt war.

In der Sitzung des Bildungsausschusses vom 18. April 2024 wurde eine Petition zur Abschaffung von unangekündigten schriftlichen Leistungsnachweisen (Stegreifaufgaben) mit den Stimmen der Regierungsparteien sowie der AfD abgelehnt. Daher verwundert es mich, dass Frau Kultusministerin Stolz nun unangekündigte Tests auf den Prüfstand stellen will. Sie kündigte an, die Zahl der Leistungsnachweise in den Blick zu nehmen und zu prüfen, ob diese noch zeitgemäß sind. Anscheinend beabsichtigt sie, dass sich Bayern dem Bildungsniveau Bremens annähert. Vermutlich wird es genauso kommen wie bei der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium: Die Freien Wähler werden die CSU mit populistischen Forderungen so lange unter Druck setzen, bis diese eingedenk der Meinungsumfragen einknickt. 
 

Kommentare (1)

  1. Tanja Schmitt vor 2 Wochen
    Die Kinder können täglich mündlich abgefragt werden über die letzte Stunde, somit ist eine rudimentäre Vorbereitung jeden Tag, für jedes Unterrichtsfach nötig. Dies sollten Schüler auch für unangekündigte Tests bis in die Jahrgangsstufe 8 hinein sich antrainieren. Sobald es aber um Bewerbungszeugnisse geht und eine tiefere Einarbeitung in komplexe Themen, das sehe ich ab der 9. Klasse der Fall, finde ich unangekündigte Leistungsabfragen für äußerst unangebracht und auch fragwürdig. Die Schüler in den höheren Jahrgangsstufen sollten sich generell gezielter und umfangreicher vorbereiten auf Langzeitexpertise. Die Kurztest verführen zu Bulimielernen und das braucht niemand. Kontinuierliche Einarbeitung in komplexe Themen, wie Atomphysik oder Bilanzierung ist kein "Drive-Through" Thema, das man mal schnell in 15 min. abhandeln kann. Exen ab diesen Klassenstufen gehören abgeschafft.
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