Die CSU ist geschockt, die SPD kann auch in Bayern endlich wieder Hoffnung schöpfen. Das Ergebnis der Bundestagswahl hat auch die Umfragewerte der SPD im Freistaat nach oben gehievt. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn fühlt sich davon angespornt.
BSZ: Herr von Brunn, zu Beginn eine private Frage:Wovon träumen Sie nachts?
Florian von Brunn: Ich schlafe gut und fest, und dann träume ich von einer erfolgreichen Ampel-Koalition mit Olaf Scholz als Bundeskanzler, die die Energiewende und den Klimaschutz voranbringt, die Wohnungen baut und dafür sorgt, dass die Menschen wieder mehr Geld in der Tasche haben.
BSZ: Ich frage wegen Ihrer spannenden Tagträume von einer bayerischen Ampel unter Führung der SPD …
von Brunn: Na ja, es ist ja gerade ein spannender Moment in der deutschen Geschichte, wo wir das erste Mal eine Fortschrittskoalition mit Grünen und FDP bilden können. Das passt schon gut zusammen.
BSZ: Auch für Bayern?
von Brunn: Es gab kürzlich eine Insa-Umfrage, nach der die SPD wieder zweitstärkste Kraft in Bayern ist mit 20 Prozent. Danach kamen die Grünen und die FDP. Da ist eine Mehrheit zum Greifen nahe. Söder ist angezählt, Aiwanger auch – deshalb halte ich diese Konstellation mit einer Reform- und Fortschrittskoalition in Bayern nicht für unrealistisch.
BSZ: Sie glauben also, dass die SPD die Grünen in Bayern dauerhaft wieder als zweitstärkste Kraft nach der CSU ablösen kann?
von Brunn: Das ist unser Ziel. Die Insa-Umfrage bescheinigt uns auch ein großes Potenzial. Wir müssen dafür wieder die Menschen im ländlichen Raum und die ohne akademische Ausbildung mehr erreichen.
BSZ: Wie wollen Sie die FDP gewinnen, deren Klientel das eher nicht ist?
von Brunn: Wir arbeiten ja jetzt schon in vielen Bereichen gut zusammen. SPD, Grüne und FDP haben gemeinsam den Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung des CSU-Maskenskandals auf den Weg gebracht, wir stellen gemeinsame Anträge zur Bildungspolitik und haben persönlich einen guten Umgang miteinander. Ich kann mir schon vorstellen, dass wir da zusammen etwas auf die Beine stellen können. Natürlich gibt es auch Unterschiede. Aber wenn es uns gelingt, auf Bundesebene ein Ampel-Bündnis zustande zu bringen, sehe ich auch in Bayern gute Chancen dafür.
BSZ: Theoretisch wäre aber auch ein Bündnis aus CSU, Freien Wählern und FDP möglich.
von Brunn: Theoretisch schon. Aber CSU und Freie Wähler haben ziemlich abgewirtschaftet. Sie streiten sich in vielen Bereichen und haben keine Vision für Bayern. Es geht darum, den Wohlstand und die Arbeitsplätze in Bayern auch für die Zukunft zu sichern – angesichts von Klimaerhitzung, der Digitalisierung und der anstehenden Veränderungen in der Industrie. Da haben Markus Söder und Hubert Aiwanger keinen klaren Kurs, wo es langgehen soll. Ich glaube, SPD, Grüne und FDP haben die Ideen für die Zukunft Bayerns.
BSZ: Die CSU hatte in ihrer Geschichte immer wieder Krisen. Wenn es darauf ankam, war sie aber da.
von Brunn: Wir erleben doch gerade einen historischen Verfall der Macht bei den Unionsparteien. Man braucht bei der CSU nur auf die massiven Verluste bei den Erst- und Zweitstimmen bei der Bundestagswahl zu schauen. Auch innerhalb der CSU steht nicht alles zum Besten. Da sind die unverhohlene und nur in freundliche Worte verpackte Kritik von Manfred Weber an Markus Söder, die nachdenklichen Worte von Horst Seehofer und der Ärger der Jungen Union über Söders Führungsstil. Es ist offensichtlich: Markus Söder ist schwer angeschlagen.
BSZ: Das aktuelle Hoch der SPD ist eng mit Olaf Scholz verbunden. Der wird aber 2023 wohl eher nicht in Bayern kandidieren.
von Brunn: Die Regierung in Berlin unter seiner Führung wird uns in Bayern sehr viel Rückenwind geben. Wenn wir es schaffen, die Energiewende wirklich voranzubringen und damit für bezahlbare Strompreise zu sorgen, wenn wir viele neue Wohnungen bauen und so für bezahlbaren Wohnraum sorgen, und wenn wir den höheren Mindestlohn einzuführen – alles Dinge, die auch den Menschen in Bayern zugutekommen werden –, dann wird uns das in Bayern sehr helfen.
BSZ: Wer könnte denn in der Bayern-SPD die Rolle eines Olaf Scholz übernehmen?
von Brunn: Olaf Scholz hat langjährige Regierungserfahrung und als Finanz- wie als Arbeitsminister große Erfolge vorzuweisen. Eine solche Person ist in Bayern nicht leicht zu finden. Aber wir haben schon auch geeignete Leute. Wer das dann machen wird, darüber entscheidet letztlich die Partei.
BSZ: Der Letzte, der es in Bayern auf ähnliche Zustimmungswerte brachte wie Scholz, war der Nürnberger Alt-Oberbürgermeister Ulrich Maly. Wäre der – um im Bild zu bleiben – ein Traumkandidat?
von Brunn: Jemand mit so hohem Bekanntheitsgrad und großer Beliebtheit könnte immer die Bayern-SPD gut in den Wahlkampf führen. Man hat das ja 2013 auch bei Christian Ude gesehen.
BSZ: Inhaltlich ist die Bayern-SPD eher links gestrickt, während Olaf Scholz erfolgreich um die Wähler*innen in der Mitte geworben hat. Müssen Sie sich umorientieren?
von Brunn: Wir müssen als Bayern-SPD deutlich machen, dass wir uns um die hart arbeitenden Menschen kümmern, dass wir eine vernünftige und pragmatische Politik der linken Mitte machen. Dass wir uns um die eigentlichen Probleme der Menschen kümmern und keine theoretischen Debatten führen. Es geht um bezahlbaren Wohnraum, gleichwertige Lebensverhältnisse und einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr im ganzen Land. Wir müssen in der Bildungspolitik klare Akzente setzen. Mir ist wichtig, dass wir keine Chancen für die Zukunft verspielen, wie es die CSU zum Beispiel mit ihrer Verbotspolitik bei der Windkraft tut. Wir müssen Klimaschutz und den Erhalt von gut bezahlten Arbeitsplätzen zusammenbringen.
BSZ: Sie haben als Teilnehmer an den Berliner Koalitionsgesprächen die Möglichkeit, schon mal Ampel-Verhandlungen zu üben. In welchen Bereichen arbeiten Sie mit?
von Brunn: Ich bin in der Arbeitsgruppe Umwelt.
BSZ: Wie viel Beinfreiheit lässt Ihnen das Willy-Brandt-Haus in den Verhandlungen?
von Brunn: Die Richtlinienkompetenz hat Olaf Scholz als zukünftiger Bundeskanzler. Jetzt geht es erst einmal darum, sich persönlich und auch die Positionen der Partner kennenzulernen. Soweit ich das für meinen Bereich überblicken kann, sind wir da gar nicht so weit auseinander.
BSZ: Die CSU hat zuletzt drei Bundesminister gestellt. Wie wird die Vertretung Bayerns in der Bundesregierung künftig aussehen?
von Brunn: Jetzt machen wir erst einmal einen Koalitionsvertrag. Die Entscheidung über die Besetzung der SPD-Ministerposten trifft Olaf Scholz. Die Minister wiederum berufen die jeweiligen Staatssekretäre. Ich denke schon, dass die Bayern-SPD dabei eine Rolle spielen wird, weil wir mit immerhin acht Personen an den Koalitionsverhandlungen beteiligt sind. (Interview: Jürgen Umlauft)
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