Politik

Die Frage nach dem Kanzlerkandidaten der Union begleitet CSU-Chef Söder, wohin er auch geht - sogar beim Döneressen. Seine Chance auf den Karrieresprung wirkt eher klein. Gut, dass es noch andere Gerüchte um neue Posten gibt. (Foto: dpa/Peter Kneffel)

05.08.2024

Staatskanzlei, Kanzleramt, Bellevue

Wohin geht Söders Weg?

Ernsthaft rechnet im Sommer 2024 auch in der CSU niemand mehr so richtig mit der Kanzlerkandidatur von Markus Söder. Mehr als drei Jahre nach dem für die Union verheerenden Machtkampf des Franken mit dem damaligen CDU-Chef Armin Laschet präsentiert sich die Stimmungslage bei Christsozialen und Christdemokraten deutlich klarer: Alles andere als die Kandidatur des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz wäre eine faustdicke Überraschung.

Das wissen sie auch in Söders engstem Umfeld. Trotzdem wäre es ein Fehler, die Frage als entschieden anzusehen. Mehr noch: In der gegenwärtigen Gerüchteküche in Berlin wie München geht es um viel mehr Posten als den des Bundeskanzlers.

Söder: "Kanzler oder Ministerpräsident"

"Es bleibt dabei: Kanzler oder Ministerpräsident", fasst Söder die Situation aus seiner Sicht zusammen und sagt damit im Grunde sehr deutlich, dass er nicht freiwillig auf den größten Sprung seiner politischen Karriere verzichten will. Söder - und da sind sie sich in der CSU sicher - ist wie im April 2021 der festen Überzeugung, dass er der beste Kandidat wäre.

Gespeist wird die Meinung nicht nur durch sein enormes Selbstbewusstsein, sondern auch durch seine Umfrageergebnisse. Regelmäßig überflügelt er bei der Frage "Wen würden Sie direkt zum Bundeskanzler wählen" den CDU-Chef und alle anderen Mitbewerber. In den USA hätte Söder mit seinen Werten die Kandidatur sicher, daran haben seine Getreuen keine Zweifel. Damit Söder (auch außerhalb Bayerns) auf dem Radar der Menschen bleibt, ist er nicht nur Döner essend in den sozialen Netzwerken aktiv - auch tanzend im Stockholmer ABBA-Museum oder singend bei Inas Nacht im Fernsehen generiert er fortlaufend Aufmerksamkeit.

"Gläserne Decke" bremst Karrierepläne aus

Doch ähnlich wie die "gläserne Decke" als unsichtbare Barriere die Karriere vieler Frauen ausbremst, spürt auch Söder (wie 2021), dass der eigene Wille, die eigene Überzeugung und eine große Zahl von Unterstützern nicht immer ausreichen. Nur wenn Merz als Chef der großen CDU Söder den Vortritt ließe, würde sich für ihn die Chance ergeben. Aber warum sollte Merz das machen? Wie groß dessen Macht- und Gestaltungswille ist, zeigt sich schon darin, dass er sich dreimal um den CDU-Chefposten beworben hat. Kein Wunder, dass Söder seine Chancen als "extremst unwahrscheinlich" einschätzt.

Eine letzte Variable in der Gleichung sind die Landtagswahlen im Herbst in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Würde die CDU hier schlecht abschneiden, könnte dies die Rufe nach Söder auch in der CDU wieder lauter werden lassen.

Hat Söder noch Lust auf weitere Jahre als Ministerpräsident?

Was bleibt also für Söder? Weitere Jahre als Ministerpräsident in Bayern und CSU-Chef? Es gibt für Machtpolitiker sicher schlimmere Aussichten, doch wer Söder beobachtet, sieht auch, dass er nicht undankbar über eine neue Herausforderung wäre. In der CSU meinen einige Getreue, erkennen zu wollen, dass ihm verglichen mit der Zeit vor 2021 ein wenig die Euphorie für das Amt in der Staatskanzlei verloren gegangen ist. Zumindest an der Masse seiner Termine kann das aber definitiv nicht abgeleitet werden.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Söder - sollte die Union wieder in der Bundesregierung sein - mehr bundespolitischen Einfluss bekommt. Seit Monaten häufen sich die Themen, die er dann anpacken will - von der Rückabwicklung des Atomausstiegs über die Abschaffung von Bürgergeld und Ampel-Wahlrecht bis hin zu Steuersenkungen. Und auf landespolitischer Ebene würde es ihn auch sicher reizen, den in den vergangenen Jahren immer stärker gewordenen Freien Wähler wieder einige Prozentpunkte abzunehmen.

Söders Karriere ist an entscheidendem Punkt angekommen

Mit aktuell 57 Jahren ist Söder - so wird es auch in seinem Umfeld gesehen - in jedem Fall an einem entscheidenden Punkt seiner Karriere angekommen. Vor seinem 50. Geburtstag sprach der fleißige Franke gerne davon, dass bald die "Zeit der Ernte beginnt". Nachdem er aber im Freistaat alles abgeerntet und gefühlt jedes Bierzelt mehrfach besucht hat, würde ihn ein politischer Karrieresprung zwangsläufig nach Berlin führen.

Super-Minister in Berlin unter Merz weckt Erinnerungen

Doch als Bundesminister, auch als Super-Minister, sieht sich Söder überhaupt nicht."Für die CSU ist die Doppelrolle Ministerpräsident und Parteivorsitzender die stärkste Kombination", betont er und erklärt, dass er auch als Wirtschafts- oder Finanzminister in Berlin "eindeutig" nicht mehr Einfluss hätte. In der Tat ist es schwer vorstellbar, wie Söder im Kabinett unter einem Kanzler Merz agieren würde. Schon als bayerischer Minister unter Regierungschef Horst Seehofer hat Söder gelernt, dass zwei Alphatiere in einem Kabinett viel Ärger verursachen können. Ebenfalls problematisch: Das letzte Wort hätte dann immer Merz.

Exit-Option Bellevue?

Immer wieder geistert aber noch eine andere Exit-Option für Söder durch die Welt - und so kurios sie zunächst klingt und so viele Argumente auch dagegen sprechen - auch diese Idee hat schnell Anhänger gefunden: 2027 könnte er als Unionskandidat Bundespräsident werden und im Schloss Bellevue einziehen. Dass er dies auf jeden Fall ablehnen würde, sehen sie in seinem Umfeld nicht. Jedoch könne er dann keine gestaltende Politik eines Regierungschefs mehr machen, sondern habe nur noch die repräsentative "Macht der warmen Worte".

Sein Amt als CSU-Chef müsste Söder dann auch aufgeben. Zudem müsste er sich - heißt es auch - möglicherweise bei Gesetzen, die er als Staatsoberhaupt unterschreiben müsse, zu oft auf die Zunge beißen, wolle er keinen Unionsstreit verursachen. Problematisch sei auch, dass er sich auf diese Zukunftsoption im aktuellen Machtpoker nicht verlassen kann. Merz ist weder gezwungen, Söder hier zu unterstützen noch kann irgendwer ihm garantieren, dass die Union bei der Wahl des Bundespräsidenten in der Bundesversammlung die nötigen Stimmen auch liefern kann. Es bleibt also spannend. Und das dürfte ganz in Söders Sinne sein.
(Marco Hadem, dpa)

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