Wirtschaft

So funktioniert Carbon Capture and Storage (CCS). (Grafik: Umweltbundesamt)

22.03.2024

Das gespeicherte Gas kann explodieren

Das Verpressen von Kohlendioxid in den Untergrund birgt Risiken

CCS: Das steht für Carbon Capture and Storage, die Speicherung von Kohlendioxid (CO2) im Untergrund, die laut deutschem Umweltbundesamt (UBA) „dem Klimaschutz dienen soll“. Dass selbst das UBA das Wörtchen „soll“ anfügt, ist beunruhigend. Denn viele zweifeln sehr am Sinn von CCS, also dem Verstecken von CO2 in Löchern irgendwo im Untergrund.

Aber wer kennt das Kürzel CDR? Nein, es steht nicht für eine am Computer beschreibbare CD-Rom. Wer vor Kurzem bei einer Onlineveranstaltung von CDRMARE dabei war, weiß seither: So „bezeichnet die Fachwelt die aktive Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre“. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) erklärt sogar, was das Kürzel ausführlich bedeutet: Carbon Dioxide Removal. Bei CDR spreche man „auch von negativen Emissionen“, so das Ministerium weiter.

In besagter Veranstaltung nannte Felix Schenuit von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP Berlin) mit CCU – Carbon Capture and Utilization – noch ein drittes Kürzel: Auch durch CCS könne das von der Industrie durch Verbrennung oder Produktionsverfahren in die Luft geblasene CO2 wieder in die Erde gebracht werden.

Auf klimarelevante Prozesse verzichten

Denn von dort aus dem Erdreich werden bekanntlich Öl, Gas, Kohle geholt; es könnte also echt Sinn machen, den Klimaschadstoff CO2 genau wieder dorthin zu packen. Aber besser wäre natürlich, ganz auf solche klimarelevanten Prozesse zu verzichten und auf erneuerbare Energien zu setzen, die kein CO2 produzieren: Das sah auch Schenuit so, der deshalb in den drei Verfahren „keinen Ersatz für drastische Emissionsreduktion“ erkennen kann.

Klaus Wallmann, der Leiter des „Geostor“-Projekts vom GEOMAR genannten Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, traute sich trotz seiner wohl schon jahrzehntelangen Forschungen zu CCS und mehr anzumerken: „Es war in Deutschland Konsens bis 2022: kein CCS“, so der Professor. Zumindest unter unserem Boden. Doch 2023 habe die selbst ernannte Berliner Zukunftskoalition beschlossen: Es sei besser, das CO2 unter deutschem Nordseegebiet zu speichern, „als den Müll den Nachbarn untern Teppich zu kehren“. Der Grüne Klimaminister Robert Habeck legte dazu im Februar 2024 einen Gesetzentwurf vor, der sowohl die CO2-Speicherung im Ausland als auch im deutschen Teil der Nordsee vorsieht.

Was Wellmann auch erwähnte: Die CO2-Speicherung 1 bis 2 Kilometer unter dem Nordseeboden in porösen Bundsandsteinfeldern sei zwar „mittelteuer. Am billigsten wäre es im Binnenland. Aber zum Beispiel in Niedersachsen gibt es Tausende Bohrlöcher, die wir nicht beurteilen können.“ Außerdem gebe es „Störungszonen in den Deckschichten. Geologie ist immer kompliziert“.

Aus 17.000 Alt-Bohrlöchern in der Nordsee leckt Erdgas

Forschungen hätten jedenfalls ergeben: Aus jeder Menge der 17.000 Alt-Bohrlöcher in der Nordsee leckt weiter Erdgas, nach dem dort gesucht worden ist. Selbst wenn in deutschen Gewässern weniger Löcher seien: Auch unterm Meer müsse erst „geklärt werden, ob es sicher ist“. Denn von 121 untersuchten Bohrlöchern, wenn auch nicht solche in deutschen Hoheitsgewässern, haben 74 Erdgasleckagen aufgewiesen, berichtete Wellmann.

Und kann das unter den Meeresboden gedrückte CO2 wieder hochkommen? Da komme es besonders auf den Druck an. Aber: „Wir wissen noch nicht, unter welchem Druck etwas entweichen kann. Versuche in den nächsten Jahren sollen das zeigen“, so der GEOMAR-Wissenschaftler.

Doch selbst wenn das Wegzaubern des CO2 unter die Erde nicht an Land, sondern auf hoher See passieren sollte: Felix Schenuit von der SWP sieht „die Akzeptanzfrage nicht gelöst“. Und er fordert – womöglich stellvertretend für die industriellen Verursacher der klimaschädlichen Emissionen auch gleich „Subventionen für den Hochlauf“.

"Der Worst Case ist ein Blow Out"

Wellmann wiederum antwortete auf die Frage, „kann uns das gespeicherte CO2 um die Ohren fliegen?“ ganz offen: „Der Worst Case ist ein Blow Out. Der kann ab bestimmten Drücken passieren. Deshalb muss man ständig auf den Druck achten.“ Die Chat-Nachfrage, wer das jahrhundertelange Drucküberwachen bezahlen soll, blieb dagegen unbeantwortet.

Die Angst, verpresstes CO2 bleibt nicht immer und ewig unter der Erde, ist auch nach diesem Onlineabend nicht verflogen. Denn wie sagte einst in den 1990er-Jahren bei einer Veranstaltung an der Uni Erlangen ein maßgeblicher Siemens-Manager ganz offen: „Es reicht doch, wenn das Zeug 50 Jahre da unten bleibt.“ Das würde aber bedeuten: Die Techniken CCS, CCU und CDR verschieben die Verantwortung für den Klimakollaps von der heutigen auf die übernächste Generation.
(Heinz Wraneschitz)

 

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