Mitunter werden selbst IT-Experten zu Kritikern des technokratischen Fortschritts. So auch die Juristin Yvonne Hofstetter aus Freising: seit 1999 international in Software-Unternehmen tätig, wurde sie 2009 Geschäftsführerin der Teramark Technologies GmbH, die auf den Feldern Künstliche Intelligenz und Big Data arbeitet. Wir sprachen mit ihr über die neuen elektronischen Wasserzähler, mit denen die Bevölkerung zwangsbelückt werden soll.
BSZ: Frau Hofstetter, begrüßen Sie als IT-Expertin nicht auch den Fortschritt der Technik, wenn Wasserwerke künftig dank elektronischer Wasserzähler mit Funkmodul vielfach einfacher ablesen und beispielsweise Störungen im Versorgungsnetz schneller aufklären können?
Hofstetter: Ich sage Ja zum technologischen Fortschritt, aber Nein zu seiner Durchsetzung auf Kosten bürgerlicher Freiheiten. Darum bin ich sehr froh, dass in der ersten Lesung im Landtag doch noch Änderungsanträge angekündigt wurden, die sich für ein voraussetzungsloses Widerspruchsrecht in der Bayerischen Gemeindeordnung einsetzen wollen. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf hatte ja ausdrücklich vorgesehen, dass die Grundrechte auf Freiheit der Person und auf die Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt würden, um die zwangsweise Duldung funkender Wasserzähler zu ermöglichen. Der inzwischen öffentlich einsehbare Änderungsantrag der CSU enthält leider immer noch gewisse Einschränkungen, die den Respekt vor dem Grundgesetz vermissen lassen.
BSZ: Woran denken Sie da?
Hofstetter: Offenbar setzen sich erneut die Interessen von Industrie, Wirtschaft und Kommunen gegen die Bürger durch. Das eingeräumte Widerspruchsrecht soll auf nur zwei Wochen nach Zugang Einbauankündigung befristet werden. Obendrein soll eine Art „Bestandsschutz“ für einmal eingebaute Zähler mit Funkmodul bestehen.
BSZ: Was wäre denn darunter zu verstehen?
Hofstetter: Demnach müsste beispielsweise der Käufer eines Hauses den Zähler mit seinem fast sekündlichen Dauerfunk gegen seinen Willen akzeptieren, wenn die Installation bereits früher unter dem Verkäufer erfolgt wäre. Mit Blick auf Artikel 13 des Grundgesetzes ist das inakzeptabel. Das Grundrecht eines Bürgers auf Unverletzlichkeit der Wohnung erlischt ja nicht beim Wechsel in eine andere Immobilie oder bei einem Neubau. Darum darf es auch nicht befristet werden. Die vom Ministerrat bewilligten Einschränkungen von Grundrechten sind insofern leider im Änderungsantrag der CSU bisher nur halbherzig zurückgenommen. Das sollte in den Ausschüssen dahingehend korrigiert werden, dass die Befristung als absolute getilgt wird, aber stattdessen dem, der später aus persönlichen Gründen den Ausbau eines Funkzählers wünscht, eben die dafür anfallenden Kosten auferlegt werden.
BSZ: Für wie legitim halten Sie die Interessen von Industrie, Wirtschaft und Kommunen?
Hofstetter: Man kämpft hier durchschaubar ums sogenannte Datengold – Stichwort Big Data – in der Überzeugung, dass das „Internet der Dinge“ zu mehr Wirtschaftswachstum führen werde. Wozu sollen meine elektronischen Zähler den fast sekundengenauen Wasserverbrauch meines Haushalts funken, wenn die Wasserwerke wirklich nur an der Verbrauchsmessung interessiert wären? Solche personenbezogenen Massendaten erheben aus meiner beruflichen Erfahrung nur diejenigen, die Verhaltensprofile von Personen erstellen wollen. Denn aus sekundengenauen Zählerdaten kann man algorithmisch herleiten, wie viele Menschen wirklich in einem Haushalt wohnen oder zu welchen Tageszeiten die Bewohner zuhause anwesend sind. Mit solchen, aus „rohen“ Wasserverbrauchsdaten abgeleiteten Informationen kann man Wohnverhalten schließlich sogar vorhersagen. Dass Unbekannte wissen, wann meine Wohnung leer steht, versetzt mich in allergrößte Sorge.
BSZ: Sehen Sie bei Zählern mit Funkmodul auch Sicherheitsprobleme?
Hofstetter: Heute ist unser elektromagnetisches Spektrum, zu dem unter anderem häufig funkende Zähler beitragen, mit Strahlung übersättigt. Hörfunk, Fernsehen, Radar, Mobilfunkmasten, GPS, Bluetooth- und WLAN-Geräte, RFID-Chips – alles funkt. Vor Jahrzehnten haben wir die Strahlung einfach hingenommen. Heute müssen wir sie regelrecht managen, denn sie ist zum Ziel von Angreifern geworden. Dessen ist sich die staatliche Sicherheitsvorsorge sehr bewusst: Sie rüstet sich bereits gegen Angriffe auf das elektromagnetische Spektrum. Aber – das sage ich als Technologin aus Erfahrung – Wirtschaft und Industrie gehen hier weniger sicherheitsorientiert vor: Sie fokussieren vor allem auf Funktionalität und weniger auf die Sicherheit. Funktionalität spült Geld in die Kasse, Sicherheit hingegen kostet Geld. Funkwasserzähler sind und bleiben angreifbar.
BSZ: Meinen Sie mit Sicherheit auch, dass elektronische Wasserzähler den Verbrauchern keinen Schaden zufügen?
Hofstetter: Richtig. Es stellt sich ja auch die Frage nach der Gesundheit der Bewohner, nach ihrer körperlichen Unversehrtheit. Ob nämlich eine fast sekündliche Funkstrahlung schädlich sein kann, ist entgegen landläufigen und sogar amtlichen Behauptungen nicht wirklich geklärt. Gerade bei Langzeiteinwirkung, Mehrfachbelastung und Kombinationswirkungen ist ein Schädigungspotential keineswegs auszuschließen, nicht einmal vom Gesundheitsministerium! Darum bleibt Vorsorge angesagt.
BSZ: Denken Sie da auch an die sogenannten Elektrosensiblen?
Hofstetter: Einmal kam nach einem meiner Vorträge eine Frau zu mir und fragte, ob es womöglich mit den bei ihr neu eingebauten Funkzählern zusammenhängen könnte, dass sie jetzt nicht mehr schlafen könne. Ich bin selbst keine Medizinerin, halte solche Störungen aber für möglich; denn biologisch funktionieren wir ja unterem anderem mittels feiner elektromagnetischer Impulse. Elektrosensible werden das jetzt gesetzlich verankerte Widerspruchsrecht bestimmt nutzen wollen – nicht zuletzt Betroffene, die erst zu einem späteren Zeitpunkt merken, dass sie empfindlich auf solche Immissionen reagieren. Gerade auch wegen der ethisch gebotenen Rücksicht auf sie sollte der Änderungsantrag der CSU auf die absolute Befristung verzichten. Ich halte das sogar für verfassungsrechtlich zwingend.
BSZ: Dabei funken nicht nur Wasser-, sondern oft auch andere Zähler im Haushalt.
Hofstetter: Tatsächlich enthält das 2016 vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende einen Duldungszwang für Stromzähler mit Funkmodul, sogenannte Smart Meter. Es ist ab 2020 sogar für Haushalte mit geringem Verbrauch gültig. Man kann sich dann zwar nach einem anderen Messstellenbetreiber umsehen, aber es gibt keine Garantie, dass sich da einer findet, der dem Kundenwunsch entgegen kommt. Die Verabschiedung jenes Gesetzes hat damals der Bundesrat kritisch mit einer „zusätzlichen Entschließung“ begleitet, in der er ausdrücklich auf daten- und verbraucherschutzrechtliche Bedenken hinweist. Er warnt vor den unverhältnismäßigen Kosten und verlangt für Verbraucher ein Mitspracherecht beim Einbau von Smart Metern und bei der Einbindung in Kommunikationsnetze. Ich meine, auf dem Hintergrund der aktuellen Bürgerproteste sollte jene Mahnung des Bundesrates nun endlich in Berlin zum Anlass werden, auch das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende um den genannten Aspekt des Duldungszwangs zu bereinigen. Und das gilt letztlich für alle Funkanwendungen innerhalb privater Haushalte: Zwang hat da nichts verloren.
(Interview: Werner Thiede)
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