Das Vergaberecht sorgt für einen fairen Wettbewerb. Doch die bürokratischen Hürden sind für manche Unternehmen zu hoch. So entgehen Städten und Gemeinden gute Leistungen der einen oder anderen Baufirma sowie des einen oder anderen Ingenieurbüros.
BSZ: Frau Lippert, wie kompliziert sind öffentliche Ausschreibungen für Kommunen?
Christine Lippert: Eins vorweg, das Vergaberecht bei der öffentlichen Hand halte ich für einen fairen Wettbewerb für sehr gut. Nur hat der Formalismus auch hier immer weiter zugenommen.
BSZ: Wie wirkt sich das aus?
Lippert: Es gilt immer mehr zu dokumentieren und zu prüfen und die Formblätter schrecken viele Bieter, als zum Beispiel interessierte Firmen und Ingenieurbüros, ab. Sie müssen hier sehr viel Aufwand betreiben, um ein Angebot abzugeben, ohne zu wissen, ob man den Auftrag erhält.
BSZ: Was würde hier helfen?
Lippert: Durch die Preissteigerungen steigen auch die Kosten für die Bauleistungen und die Lieferleistungen. Die Erhöhung der Wertgrenzen für Bauleistungen auf 25 000 Euro im Zuge von Corona hat uns gerade im Hinblick auf die stark angestiegenen Baukosten sehr geholfen und uns handlungsfähiger gemacht. Und bei Lieferleistungen erreicht man sehr schnell die Wertgrenze von 5000 Euro. Das macht zum Beispiel bei der Ersatzteilbeschaffung Probleme.
BSZ: Inwiefern?
Lippert: Nehmen wir einmal die Kläranlage. Wenn dort ein Teil kaputtgeht, steht im Extremfall die ganze Anlage still.
Dringlichkeit muss man ausführlich begründen
BSZ: In so einem Notfall muss man doch schnell ein Ersatzteil beschaffen können, oder nicht?
Lippert: Ja, das geht. Aber man muss die Dringlichkeit ausführlich begründen.
BSZ: Die ergibt sich doch automatisch aus dem Umstand, dass die Kläranlage sonst nicht arbeiten kann. Sie können doch nicht das Fürther Abwasser dann schnell mal in die Nachbarstädte Erlangen oder Nürnberg umpumpen.
Lippert: So sollte man meinen, aber man muss für die Vergabe die Dringlichkeit und in bestimmten Fällen den Zwang genau an eine spezielle Firma vergeben, weil diese zum Beispiel schon Anlagenteile davon eingebaut hat, sauber dokumentieren, sonst könnte ein nicht berücksichtigter Bieter Beschwerde bei der Vergabekammer einlegen.
BSZ: Wie lange dauert es in der Regel, für ein Bauprojekt die Vergabe durchzuführen?
Lippert: Der reine Vergabeprozess dauert etwa drei bis vier Monate ab dem Zeitpunkt des fertigen Leistungsverzeichnisses bis zur Submission, also der Bieterbeauftragung.
BSZ: Und wenn man direkt vergibt?
Lippert: Das lässt sich nicht so leicht in Tagen oder Wochen definieren. Der Vorteil ist auch nicht unbedingt die Zeitersparnis im Vergabeprozess, sondern die leichtere Form, einen geeigneten Bieter zu finden. Bei Direktbeauftragungen fordern wie natürlich nur von uns als leistungsfähige bekannte Firmen Angebote an. Bei einer EU-Ausschreibung kann es ganz unterschiedliche Anbieter geben.
Eignungsprüfung verschlanken
BSZ: Könnte man Vergaben dennoch beschleunigen?
Lippert: Ja, wenn wir die Eignungsprüfung verschlanken könnten. Hier sind in bestimmen Fällen Unterlagen nachzufordern, zu prüfen und zu werten. Im schlimmsten Fall müssen wir Bieter ausschließen, weil sie die Unterlagen nicht fristgerecht vorgelegt haben, obwohl wir die Leistungsfähigkeit der Firmen bereits aus früheren Maßnahmen kennen. Das kostet uns wertvolle Zeit von ein bis zwei Wochen und grenzt im schlimmsten Fall den Wettbewerb ein.
BSZ: Ganz Ausgefuchste meinen, den Vergabeprozess umgehen zu können, wenn man ein Kommunalunternehmen gründet und das die Bauten realisieren lässt.
Lippert: Das gilt nur für wenige Fälle, wie zum Beispiel im klassischen Wohnungsbau. Denn bei kommunalen Neubauten handelt es sich beispielsweise um Schulen, Straßen, Feuerwachen und so weiter. Diese Bauten werden in der Regel von Bund oder/und Freistaat gefördert, das heißt finanziell bezuschusst. Und die Zuschussgeber verlangen zwingend die Einhaltung des Vergaberechts mit entsprechender Dokumentation. Also ist hier zeitlich nichts gewonnen.
BSZ: Welche Bauaufgaben stehen denn in den nächsten Jahren in Fürth und in den anderen Kommunen in Bayern an?
Lippert: Die gesamte Infrastruktur ist in die Jahre gekommen und muss erneuert werden. Also Straßen, Brücken, Kanäle und viele Gebäude wie Turnhallen und Schulen, um nur ein paar große Baustellen zu nennen. Aber auch die Ganztagsbetreuung sorgt für gigantischen Aufwand.
BSZ: Welchen Aufwand?
Lippert: In den Schulen und Horten muss das Ganztagesangebot teilweise erweitert oder umgebaut werden. Auch diese Maßnahmen müssen geplant und ausgeschrieben werden und haben einen langen zeitlichen Vorlauf, bis hier Kinder das Angebot nutzen können. Und gerade bei Schulneubauten ist das eine Herausforderung, diese in der richtigen Größe zu planen und zu bauen.
Umplanungen sind teuer und kosten Zeit
BSZ: Warum?
Lippert: Sich ändernde Schülerzahlen führen im schlimmsten Fall zu Umplanungen. Die sind teuer und kosten Zeit.
BSZ: Warum muss man da umplanen?
Lippert: Weil es zu unvorhergesehenen Ereignissen kommen kann. Der Zuzug in beliebte Städte wie Fürth oder der russische Überfall auf die Ukraine sind solche Beispiele. Da haben wir eine neue Schule geplant, doch wegen der steigenden Schülerzahl muss die neue Schule plötzlich ein paar Klassenzimmer mehr haben. Schon ist eine Umplanung nötig. Der ursprüngliche Auftrag kann nicht einfach so verändert werden. Bei einer gewissen Größe ist eine neue Ausschreibung notwendig und das müssen wir unbedingt vermeiden. Und wenn wir dann zum Beispiel eine wenig leistungsfähig Firma haben, sind Umplanungen und zusätzliche Leistungen ein riesiges zeitliches und finanzielles Problem.
BSZ: Kann man das nicht von der Vergabe ausschließen?
Lippert: Wenn nur wir als Stadt Fürth in der Vergangenheit mit diesem Unternehmen Probleme hatten, das Unternehmen aber für den Vergabeprozess positive Referenzen von anderen öffentlichen Auftraggebern mitbringt, dürfen wir es nicht einfach ausschließen. Gibt dieses Unternehmen dann das wirtschaftlichste Angebot ab, müssen wir dieses beauftragen, obwohl wir selbst mit diesem Unternehmen schlechte Erfahrungen gemacht haben.
BSZ: Wie könnte man da für Abhilfe sorgen?
Lippert: Indem uns das Vergaberecht gestattet, eigene negative Erfahrungen mit einem Bieter stärker im Vergabeprozess zu gewichten als bisher. Wie gesagt, gerade die Eignungsprüfung wäre ein Punkt, mit dem wir anfangen könnten, den Vergabeprozess zu optimieren.
(Interview: Ralph Schweinfurth)
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