Ausschreibung und Vergabe

Bei Bauleistungen, wie hier einer Brückensanierung, ist immer eine detaillierte Leistungsbeschreibung erforderlich. (Foto: dpa)

17.06.2016

Die Leistung eindeutig und erschöpfend beschreiben

Fachtagung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds und des Bayerischen Gemeindetags zum neuen Vergaberecht in Nürnberg

Die Leistungsbeschreibung muss eindeutig und erschöpfend sein“, sagte Hendrik Röwekamp, Rechtsanwalt bei Kapellmann und Partner in Düsseldorf, bei der Fachtagung „Das neue Vergaberecht 2016“, das der Deutsche Städte- und Gemeindebund gemeinsam mit dem Bayerischen Gemeindetag in Nürnberg veranstaltete. So sei eine klare Kalkulationsgrundlage zu schaffen. Diese ermögliche eine Vergleichbarkeit der Angebote und somit echten Wettbewerb.

„Die eindeutige Bestimmung des Auftragssolls in der Ausführungsphase vermeidet Nachträge. Das ist gerade dann wichtig, wenn man bei öffentlich geförderten Projekten das Risiko der Fördermittelrückforderung vermeiden möchte“, so Röwekamp. Er betonte auch besonders, dass die Verantwortung für die Richtigkeit der Leistungsbeschreibung grundsätzlich beim Auftraggeber liegt. Das sei auch dann der Fall, wenn ein Externer im Auftrag der Kommune die Leistungsbeschreibung erstellt. Stellt aber ein Bieter Fehler oder Unklarheiten in einer Leistungsbeschreibung fest, könne er nicht einfach über diese hinweggehen. Er habe die Pflicht, die jeweilige Vergabestelle darüber zu informieren.

Zuwegung zu einer Baustelle beschreiben


Um die Klarheit in einer Leistungsbeschreibung zu illustrieren, erwähnte Röwekamp: „Der Ausschreiber muss auch die Zuwegung für eine einzurichtende Baustelle beschreiben. Wenn ein Gerüst aufgestellt werden muss, ist das auch zu vermerken. Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass man sich eventuell als Auftragnehmer den vorhandenen Aufzug mit anderen teilen muss.“

Neu sei, dass man barrierefrei ausschreiben muss. Auch die Lebenszyklusbetrachtung sei zu bewerten. Dies könne zum Beispiel im Fall von Arbeitskleidung via Gütezeichen oder Bescheinigungen von Konformitätsbewertungsstellen erfolgen. Geht es ums Abschöpfen von Bieter-Know-how, ist laut Röwekamp die sogenannte funktionale Leistungsbeschreibung zu wählen. Dann könne man von den unterschiedlichen Bietern verschiedene Lösungsangebote für den jeweiligen Bedarf in der Kommune erhalten. Lediglich bei Bauvergaben sei eine sehr detaillierte Leistungsbeschreibung gefordert.

„Wichtig zu wissen ist, dass man in allen Stadien des Vergabeprozesses die Vergabeunterlagen nachbessern kann“, so Röwekamp. Allerdings sind die Bieter hierüber unverzüglich und vollumfassend zu informieren.
Auch bei der Wertungsmethodik empfiehlt Röwekamp höchste Transparenz. „Man sollte konkret erläutern, wie man wertet. Dann kommt es hinterher auch nicht zu Auseinandersetzungen“, so der Fachanwalt.

Wie etwas bewerten, was man vorher noch nicht kennt?


Ein Konflikt ist aber aus Röwekamps Sicht aus der bisherigen Gesetzgebung nicht zu vermeiden: „Wie soll man als Vergabestelle transparent bewerten, wenn man Bieter-Know-how nutzen möchte, dieses aber vorher noch nicht kennt?“ Sinn einer funktionalen Leistungsbeschreibung sei es ja, sich gerade innovative Lösungen präsentieren zu lassen, die unter Umständen bei einer Lebenszyklusbetrachtung wesentlich wirtschaftlicher sind als konventionelle Lösungen. „Da bleibt, wenn man auf Nummer sicher gehen will, doch nur die Preiswertung. Und dann fallen innovative Ansätze sofort wieder heraus, weil diese in der Regel teurer sind als konventionelle“, so Röwekamp. An dieser Stelle sei der Gesetzgeber gefordert, Klarheit zu schaffen, wenn er es mit der Nachhaltigkeitsförderung ernst meint.

„Vorsicht vor Bedarfspositionen in der Leistungsbeschreibung“, mahnt der Fachanwalt. Denn Leistungsverzeichnisse mit vielen Bedarfspositionen würden sofort den Eindruck der ungenügenden Planung vermitteln. Dass diese Ausschreibung dann gerügt wird, sei fast zwangsläufig. „Wenn Bedarfspositionen nötig sind, sollte man vorab schon einmal Preise für diese Leistungen festlegen“, empfiehlt Röwekamp. Dies könne zum Beispiel bei Bauleistungen der Fall sein, wenn es um Handschachtungen geht, weil man maschinell an der einen oder anderen Stelle nicht arbeiten kann.

Auch Wahl- oder Alternativpositionen sollten Röwekamp zufolge vermieden werden, weil diese nur zu Streitigkeiten führen. „Wenn es in der Schulaula um den Boden geht, sollte man sich vorher entscheiden, ob einfaches Linoleum genügt, oder es ein geölter Parkettboden sein muss“, so der Anwalt. Dass Letzterer teurer, weil hochwertiger ist, sei klar. Hier rät er dem Auftraggeber, vorher festzulegen, was er will, um diesen Konflikt zu vermeiden.

Man darf Leitfabrikat nennen


„Ausschreibungen sind prinzipiell produktneutral abzufassen“, so Röwekamp. Man dürfe aber ein Leitfabrikat nennen, wenn man das Produkt nicht genau beschreiben kann. „Dann muss aber immer der Zusatz ‘oder gleichwertiger Art’ in der Leistungsbeschreibung hinzugefügt werden“, betont der Fachanwalt, sonst gibt es Probleme.

„Auch eine Produktvergabe kann zulässig sein“, so Röwekamp. Qualität, Design, Technik, Energieverbrauch, Nachhaltigkeit und andere Kriterien müssten aber genannt werden. Und wenn nur ein bestimmtes Produkt diesen Anforderungen entspricht, soll man es auch benennen.

Beim Kriterium Nachhaltigkeit sieht der Fachanwalt aus Düsseldorf allerdings wieder einen Konflikt, den der Gesetzgeber ausräumen müsste. Weite Transportwege und Diskriminierungsfreiheit stünden im Widerspruch. Wie man das lösen kann, konnte er nicht sagen.

Aus dem Publikum bekam er aber einen Lösungsvorschlag: Bei der Ausschreibung eines Gebäudes, das in Holzbauweise zu errichten sei, könne in den Ausführungsbedingungen durchaus angegeben werden, dass das Holz für das Gebäude maximal aus einem Umkreis von 100 Kilometern stammen darf.
(Ralph Schweinfurth)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll die tägliche Höchstarbeitszeit flexibilisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.