Ausschreibung und Vergabe

Um die Vergabe von Fahrbahnerneuerungsarbeiten gab es Streit. (Foto: dpa/Julian Weber)

16.06.2023

Nicht alles darf nachgefordert werden

Vergabekammer Niedersachsen zum Unterschied an- und nachgeforderter Unterlagen

Ein öffentlicher Auftraggeber hat die Fahrbahnerneuerung und Kampfmittelsondierung als Bauauftrag europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. In den Teilnahmebedingungen war festgelegt, dass der Bieter auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle zu einem von ihr bestimmten Zeitpunkt nachzuweisen hat, dass ihm die erforderlichen Kapazitäten der anderen Unternehmen zur Verfügung stehen und diese Unternehmen geeignet sind. Ein Bauunternehmen benannte in seinem Angebot mehrere Teilleistungen, wie etwa Kanalprüfung, Kampfmittelsonderung und -beseitigung, Gussasphalt, Haftkleber aufbringen und Fräsarbeiten, als Nachunternehmerleistungen.

Die Vergabestelle forderte den Bieter sodann unter Fristsetzung auf, das Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen um die Namen der Subunternehmen zu ergänzen. Das Schreiben enthielt den abschließenden Hinweis, dass bei nicht fristgerechter Vorlage von Erklärungen oder Nachweisen ein Ausschluss nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A erfolgt.

Namen ergänzen

Innerhalb der gesetzten Zehntagesfrist erklärte die Bieter, dass die Kalkulation der Leistung der Nachunternehmer gemäß seines Nachunternehmerverzeichnisses der Urkalkulation zu entnehmen sei. Eine Ergänzung des Nachunternehmerverzeichnisses um deren Namen fehlte jedoch. Später forderte der öffentliche Auftraggeber den Bieter erneut unter Fristsetzung auf, sein Nachunternehmerverzeichnis um die Namen zu ergänzen. Die Frist verstrich ergebnislos. Erst nachdem die Vergabestelle den Bieter irrtümlicherweise informiert hatte, ihm den Zuschlag zu erteilen, und dem Bieter kurz darauf telefonisch unterbreitet wurde, sein Angebot wegen nicht rechtzeitig vorgelegter Unterlagen ausschließen zu müssen, übersandte der Bieter umgehend das um die Namen ergänzte Nachunternehmerverzeichnis. Die Vergabestelle informierte den Bieter schließlich gemäß § 134 GWB über den Ausschluss seines Angebots vom weiteren Verfahren aufgrund nicht fristgerechter Vorlage der Namen der Nachunternehmen und unterrichtete ihn darüber, dass nach der Anforderung des ergänzten Nachunternehmerverzeichnisses keine weitere Nachforderung habe erfolgen dürfen. Der Bieter rügte seinen Ausschluss und beantragte schließlich die Nachprüfung. Ohne Erfolg.

Die Vergabekammer Niedersachsen (Beschluss vom 19. September 2022 – VgK-16/2022) bestätigte die Ausschlussentscheidung der Vergabestelle. Der öffentliche Auftraggeber war weder gehalten noch berechtigt, die fehlenden Namen der Nachunternehmer nach Verstreichen der (ersten) Frist nochmals nachzufordern. Denn nach § 16a EU Abs. 1 Satz 2 VOB/A sind nur Unterlagen nachzufordern, die bereits mit dem Angebot vorzulegen waren. Mit § 16 EU Nr. 4 VOB/A hat der Normgeber hingegen klargestellt, dass die nicht rechtzeitige Vorlage vorbehaltener und unter Setzung einer angemessenen Frist angeforderter Erklärungen und Nachweise den unmittelbaren Ausschluss bedingt und eine Pflicht – aber auch ein Recht – zur Nachforderung in diesem Fall gerade nicht besteht.

Nicht vorgesehen

Im Umkehrschluss folgt aus der Vorschrift, dass die Nachforderungspflicht des § 16a EU VOB/A nur für Erklärungen und Nachweise gilt, die bereits mit dem Angebot vorzulegen waren. Denn eine zweite Nachfrist für die Vorlage nachträglich geforderter Erklärungen oder Nachweise ist in § 16 EU Nr. 4 VOB/A konsequenterweise ausdrücklich nicht vorgesehen. Für eine entsprechende Anwendung der Nachforderungspflicht des § 16a EU Abs. 1 Satz 2 VOB/A oder eine aus Gründen der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eröffnete Ermessensentscheidung des öffentlichen Auftraggebers ist deshalb kein Raum. Angebote, bei denen der Bieter Erklärungen oder Nachweise, deren Vorlage sich der öffentliche Auftraggeber vorbehalten hat, auf Anforderung nicht innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorgelegt hat, sind daher zwingend auszuschließen, resümiert die niedersächsische Vergabekammer.
(Holger Schröder)
(Der Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg.)

 

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