Ausschreibung und Vergabe

Bei Gerüstbauarbeiten gab es Streit. (Foto: dpa)

08.04.2016

Verwirrung um die Urkalkulation

Vergabekammer Nordbayern zu leistungsbezogenen Erklärungen

Eine Vergabestelle hat Gerüstbauarbeiten im offenen Verfahren europaweit nach der VOB/A-EG ausgeschrieben. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Formblatt 211 EU) war bei den Anlagen, die mit dem Angebot einzureichen waren, unter anderem angekreuzt „Urkalkulation in verschlossenem Umschlag“. Einer der Bieter hat seinem Angebot keine Urkalkulation beigefügt und wurde deshalb über seine Nichtberücksichtigung vorabinformiert. Der Bieter reichte sodann binnen sechs Tagen nach Erhalt der Vorabinformation seine Urkalkulation beim öffentlichen Auftraggeber ein. Die Vergabestelle erklärte daraufhin ihr an den vermeintlich bestbietenden Bauunternehmer gerichtetes Vorabinformationsschreiben für ungültig: Sie wolle nunmehr dem Bieter, der die Urkalkulation nachgereicht hatte, den Zuschlag erteilen. Gegen diese Vergabeentscheidung hatte der vermeintliche Bestbieter ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet. Ohne Erfolg.

Die Vergabekammer Nordbayern (Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 21.VK -3194-35/15) hält die Wertung der nachgereichten Urkalkulation für rechtens. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG fordert vom öffentlichen Auftraggeber bei Fehlen geforderter Erklärungen und Nachweisen, dass diese nachverlangt werden. Die Vorschrift verpflichtet die Vergabestelle, darauf hinzuwirken, dass ein Bieter seinen Fehler korrigiert und so den Ausschluss seines Angebotes vermeidet. Die Nachforderung steht nicht in ihrem Ermessen. Ein Angebotsausschluss darf nur dann erfolgen, wenn der öffentliche Auftraggeber die fehlende Erklärung nachgefordert und der Bieter diese Erklärung nicht fristgerecht nachgereicht hat (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 Satz 4 VOB/A-EG). Dabei hat die Vergabestelle eine Nachreichungsfrist von sechs Kalendertagen zu setzen (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A-EG).

Bei der hier von der Vergabestelle geforderten Urkalkulation handelt es sich um eine Erklärung im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG. Es handelt sich um eine leistungsbezogene Erklärung des Bieters, die der Nachforderungspflicht unterliegt. Eine nachgereichte Urkalkulation stellt auch keine wettbewerbsrelevante Aufbesserung des Angebotes dar. Die Urkalkulation ist weder Angebots- noch Vertragsbestandteil, sie dient vielmehr der Vereinbarung neuer Preise im Rahmen von Nachträgen, so die nordbayerische Vergabekammer.
Zwar hat der öffentliche Auftraggeber hier die Urkalkulation nicht ausdrücklich nachgefordert und dementsprechend keine Frist gesetzt. Dies ist nach Ansicht der Ansbacher Vergabekammer ohne Bedeutung, weil der Bieter die Urkalkulation nach Erhalt der Vorabinformation innerhalb von sechs Kalendertagen nachgereicht hat. Dadurch hat der Bieter die Nachreichungsfrist gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A-EG beachtet, sodass es auf die ausdrückliche Anforderung der Nachreichung durch die Vergabestelle nicht mehr ankommt.
(Holger Schröder)

(Der Autor ist Rechtsanwalt bei Rödl & Partner in Nürnberg.)

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