Ausschreibung und Vergabe

Biogasanlagen sind für viele Landwirte mittlerweile mehr als ein zweites Standbein geworden. (Foto: Schweinfurth)

22.01.2025

"Vielen Kommunen ist die Gefahr noch nicht bewusst"

Stefan Rauh, Geschäftsführer des Fachverbands Biogas, über das Biomassepaket der Bundesregierung und die Auswirkungen auf die Wärmeplanung in Städten und Gemeinden

Gerade in Bayern betreiben viele Kommunen Biogasanlagen, um ihre die Wärmeversorgung sicherzustellen. Diese sogenannten Dorfheizungen sind aber aufgrund eines Gesetzespakets, das die noch amtierende Bundesregierung am 31. Januar 2025 verabschieden möchte, in Gefahr.

BSZ: Herr Rauh, viele Kommunen haben Biogasanlagen für die Wärmeversorgung in ihren Orten. Was droht jetzt, wenn der Bund das sogenannte Biomassepaket verabschiedet?
Stefan Rauh: Wenn das Paket in der aktuellen Version verabschiedet würde, bedeutet das für zahlreiche Anlagen das Ende ihrer Energieerzeugung – gerade auch im kleiner strukturierten Bayern. Um sie weiter betreiben zu können, sind die Betreiber auf eine EEG-Anschlussvergütung angewiesen und müssen dazu an einer Ausschreibung teilnehmen. Die letzten Ausschreibungen waren aber jeweils dreifach überzeichnet – das heißt nur jede dritte Anlage hat einen Zuschlag erhalten. Aber das ist nicht alles.

BSZ: Was kommt da noch?
Rauh: Erschwerend kommt jetzt hinzu, dass die Anlagen, die weitermachen wollen, ihre installierte Leistung kurzfristig auf das Vierfache der durchschnittlichen Leistung erhöhen müssen, und zwar innerhalb von 24 Monaten. Grundsätzlich ist eine Leistungserhöhung und damit die flexible Fahrweise von Biogasanlagen durchaus gewollt und begrüßenswert – in dem Ausmaß und in der Kürze der Zeit aber nicht realisierbar. In der aktuellen Anschlussförderung müssen Anlagen die doppelte Leistung vorhalten. Daran dürften viele Anlagen am Ende scheitern

BSZ: Sind dann alle bisherigen kommunalen Wärmeplanungen obsolet?
Rauh: Es gibt in Deutschland sehr viele Kommunen, die die künftigen Auflagen zur klimafreundlichen Wärmeplanung über die Nutzung der Abwärme der bestehenden Biogasanlage realisieren möchten. Wenn die Anlage nicht mehr liefern kann, bricht die Wärmequelle weg – und die Kommune muss eine neue klimafreundliche Alternative suchen. Viele Kommunen sind sich dieser Gefahr noch nicht bewusst.

BSZ: Wie wichtig sind Biogasanlagen angesichts der dieses Jahr gefühlt ewig dauernden Dunkelflaute?
Rauh: Der große Ausbau an Wind- und Solaranlagen in den letzten Jahren ist durchaus zu begrüßen – hat nur den Nachteil, dass wir zunehmend vom Wetter abhängig sind bei unserer Stromerzeugung. Da wir aber auch an windstillen nebligen Tagen Strom brauchen, muss dieser Ausbau flankiert werden mit flexiblen Kraftwerken. Biogasanlagen können immer genau dann Strom erzeugen, wenn er gebraucht wird, kurzfristig und klimafreundlich. Um also den richtigen und wichtigen Ausbau der Erneuerbaren weiter zügig voranzubringen, brauchen wir Biogasanlagen als Backup. Schon heute reduzieren Biogasanlagen den Bedarf an anderweitigen teuren Kraftwerken in der Dunkelflaute und damit auch die Preise an den Strombörsen und schlussendlich für den Verbraucher.

BSZ: Wie viele Tage Dunkelflaute könnten die deutschen Biogasanlagen überbrücken?
Rauh: Der Energiebedarf Deutschlands ist sehr hoch, so dass Biogasanlagen alleine eine Dunkelflaute nicht überbrücken können. Sie reduzieren aber den Bedarf an anderen teureren Kraftwerkskapazitäten oder teuren Importen aus dem Ausland. Die Zusammenhänge sind in einer Studie der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen (FAU) dargestellt.

BSZ: Um wie viel günstiger wäre es, statt neue Gaskraftwerke zu errichten, den Biogasanlagenbereich weiter auszubauen?
Rauh: Der renommierte Wissenschaftler Professor Jürgen Karl und sein Team kommen zu dem Ergebnis, dass über Biogasanlagen bis 2030 rund 12 Gigawatt gesicherte Leistung zur Verfügung gestellt werden könnten. Die dafür notwendigen Investitionen sind um den Faktor 1,9 bis 3,7 niedriger als bei wasserstoffbasierten Reservekraftwerken. Dies wirkt sich auch auf die Stromgestehungskosten aus, die bei H2-Kraftwerken bei circa 49 bis 133 Cent pro Kilowattstunde elektrisch liegen, bei biogasbasierten sind es 25 bis 44 Cent pro Kilowattstunde elektrisch.

BSZ: Warum protegiert der Bund Gaskraftwerke? Gute Lobbyarbeit der Stromriesen?
Rauh: Wir werden in Zukunft nicht an Gaskraftwerken vorbeikommen. Diese sollten vorzugsweise mit Grünen Gasen betrieben werden. Umso unverständlicher ist es, dass der Bund nur an Großkraftwerke denkt, die aktuell mit Frackinggas betrieben werden und Biogasanlagen ignoriert. Bei den Gründen müssen Sie die Politik fragen. Wir können nur sagen: Wir stehen bereit, mit all den genannten Vorteilen.

BSZ: Wie wichtig ist Biomasse als zusätzliche Einkommensquelle für die Landwirtschaft?
Rauh Für viele Landwirte ist die Biogasanlage mittlerweile mehr als nur ein zweites Standbein, für viele auch eine wichtige Ergänzung der landwirtschaftlichen Arbeit, vor allem für Ökobetriebe bieten Biogasanlagen eine wertvolle Dünger-Quelle. Gerade in den für Landwirte herausfordernden Zeiten ist die Biogasanlage eine Sicherheit. Von den knapp 10.000 Biogasanlagen sind über 80 Prozent in landwirtschaftlichen Händen.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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