Bauen

Das Schulgebäude selbstbefindet sich an der belebten Karl-Schönleben-Straße. (Foto: Wolfgang Schmitt)

03.06.2022

Bewusst mit massiven Materialien gearbeitet

Der Neubau der Bertolt-Brecht-Schule in Nürnberg ist fertiggestellt

Sie ist nicht nur Schule, sondern soll Lernheimat sein: Die Bertolt-Brecht-Schule in Nürnberg. Nach den Osterferien sind 1800 Schülerinnen und Schüler in den Neubau umgezogen. Der 180 Millionen Euro teure Komplex inklusive seiner Sporthallen sei ein „echtes Schulhaus des 21. Jahrhunderts, das den heutigen Ansprüchen gerecht wird“, lobt Schulleiter Harald Schmidt: konzeptionell, baulich und mit modernster technischer Ausstattung.

Aber von vorn. Die alte, 1975 erbaute Bertolt-Brecht-Schule war so marode, dass die Stadt Nürnberg einen Neubau beschloss. Den beschränkten Realisierungswettbewerb gewann das Berliner Architekturbüro Ackermann + Renner und musste sich mit einem sensiblen Standort auseinandersetzen. Das Schulgelände liegt gegenüber der Nürnberger Messe, am Ende der Große Straße – der zentralen Achse des Reichsparteitagsgeländes – auf dem Märzfeld. Der NS-Historie sollte bewusst ein Ort der Bildung entgegengesetzt werden.

„Der Maßstab war von Beginn an ein Thema“, sagt Architektin Cornelia Renner. Die Bertolt-Brecht-Schule schafft einen fließenden Übergang von den Messehallen zum dahinterliegenden Wohngebiet, die Platzierung erhält einerseits die Sichtbeziehung zur Nürnberger Burg und verjüngt die Große Straße in eine Quartierspromenade. Das Schulgebäude selbst ist entlang der belebten Karl-Schönleben-Straße in vier gegeneinander verschobene Quader gegliedert.

Die anthrazitfarbene Fassade wird durch Fensterbänder und farbige Elemente aufgelockert – sodass der Baukörper nicht so massiv wirkt, wie er ist. Tatsächlich umfasst er auf drei Geschossen 72 Klassenräume und zugehörige Ausweichräume, 18 naturwissenschaftliche Lehrsäle plus Vorbereitungs- und Lagerräume, acht Zeichensäle und sechs Werkräume, Musikräume, zwei Lehrküchen und die Mensa, die Schulverwaltung, eine Aula sowie die erschließenden Gänge und Treppen.

So viel ist nötig, um Mittel- und Realschule sowie Gymnasium, die bedarfsgerecht sukzessive in den Jahrgangsstufen 5 – 10 auf den gebundenen Ganztageszug umgestellt werden – samt ihrer 200 Lehrenden genügend Raum zu bieten. Dazu kommt das Private Abendgymnasium mit 800 berufstätigen Schülerinnen und Schülern. Bis zu 3500 Menschen bewegen sich täglich hier und in den Sporthallen.

Diese sind baulich eigenständig, aber die Quartierspromenade querend in wenigen Schritten zu erreichen. Hinter goldfarbenem Lochblech und einem prägnanten, verglasten Eingangsbereich befinden sich eine 4-Fach-Sporthalle und eine 3-fach-Sporthalle. Letztere mit einer lichten Höhe von neun Metern und so starker Beleuchtung, dass das Fernsehen Wettkämpfe ohne zusätzliche Scheinwerfer übertragen kann. Außerdem gibt es zwei Gymnastikräume und zwei sehr gut ausgestattete Kraft- und Konditionsräume.

Ebenso unerlässlich sind zahlreiche Umkleiden, dazu Spinde für die Hockeyspieler und Fahrradgaragen für die Mountainbikes der Triathleten. Denn die Bertolt-Brecht-Schule ist seit 2012 „Eliteschule des Sports“: 400 Jugendliche betreiben hier Leistungssport in 13 Sportarten von Badminton bis Taekwondo und verbringen bis zu 80 Stunden wöchentlich in Schule und Sportstätten.

Einem Sprint glich die Bauphase. Nicht einmal drei Jahre vergingen von der Grundsteinlegung im Mai 2019 bis zum Bezug im April 2022. Die WBG Kommunal GmbH – eine 100-prozentige Tochter der wbg Nürnberg GmbH als Bauherrin und mit Planung und Neubau betraut – beauftragte im Ergebnis eines EU-weiten Verfahrens die Ed Züblin AG als Generalübernehmerin. „Bei einem solchen Großprojekt, dem bisher größten der WBG Kommunal war es uns sehr wichtig, einen leistungsstarken Partner zu gewinnen, damit Zeitplan und Budget eingehalten werden und wir das Gebäude in gewünschter Qualität zur Betriebsaufnahme den Nutzern übergeben können“, sagt wbg-Geschäftsführer Ralf Schekira.

Eine Gemeinschaftsleistung, die die WBG Kommunal und die Ed Züblin AG in einem Bauteam-Modell, gemeinsam mit dem Planungsteam, gestemmt haben. Schon allein die Größe der Baustelle, aber auch die Anforderungen waren ungewöhnlich. Sie reichten von der Altlastenbeseitigung im Baugrund bis zur Beschaffung von Sportgeräten, Medienausstattung und Geschirr für die Mensa. Dazwischen wurden unter anderem 24 000 Kubikmeter Beton verbaut, armiert mit 4000 Tonnen Stahl.

Wir haben bewusst mit massiven Materialien gearbeitet. Diese sind nicht nur robust, sondern lassen sich auch als Speichermassen nutzen“, sagt Architekt Georg Ackermann. 12 000 Quadratmeter Decken wurden energetisch aktiviert: Aus 115 Geothermie-Bohrungen gelangt Wasser von 18 bis 24 Grad Celsius durch Leitungen in die Betondecken – es wärmt im Winter und kühlt im Sommer. Alle Leitungen – Heizung, Strom, Belüftung, Daten – und jeder Anschluss mussten detailliert geplant und zuverlässig umgesetzt werden. Denn alles ist eingegossen, im neuen Schulgebäude liegen die Decken frei.

„Die Toleranzen waren sehr gering“, sagt Georg Ackermann. Besonders stolz ist er auf den Sichtbeton, der als durchgehendes Bau- und Gestaltungsmerkmal besonders fein ausgeformt ist.

Die innere Haupterschließung der Bertolt-Brecht-Schule (BBS) erfolgt über eine Magistrale. Sie verbindet die vier Baukörper, ist Schulstraße und Lebensader. 125 Meter lang, führen alle Gänge von ihr ab und im Rundlauf zu ihr zurück. „Verlaufen kann sich niemand“, sagt Cornelia Renner. Dass trotzdem kein Tunnel entstanden ist, liegt an versetzten Treppen und den Ausblicken ins Freie und die verschiedenen Innenhöfe.

Das Leitsystem ist so schlicht wie bestechend: Farbige Geländer und Türen zeigen, in welchem der Baukörper man sich befindet. Lila, grün, petrol. „Wir haben uns für dezente Farben entschieden, denn viele Schülerinnen und Schüler der BBS sind fast schon erwachsen“, sagt Renner. Mit Blindenleitsystem und Induktionsschleifen zur Hörunterstützung ausgestattet, ist die BBS auf inklusives Lernen eingerichtet.

Ebenso klar ist den Baukörpern die Nutzung zugeordnet. Nahe dem Haupteingang befinden sich die Mensa, in den Etagen darüber die Verwaltung, Lehrerzimmer und die vielen EDV-Räume. Als nächster Baukörper schließt die Heimat für die 5. und 6. Klassen an. Die Jüngeren haben als einzige feste Klassenzimmer und Schließfächer in unmittelbarer Nähe, auch der Pausenhof dieses Quaders ist ihnen allein vorbehalten. Zahlreiche offene Bereiche mit Sitzgelegenheiten laden zum Kontakt ein, ermöglichen aber auch Rückzug.
Die beiden hinteren Baukörper sind in Departements gegliedert, Geisteswissenschaft und musische Fächer im dritten und die Naturwissenschaften im vierten, dem östlichsten Quader. Physik, Chemie und Biologie, aber auch Werkräume und die Lehrküche sind hier angesiedelt. So können Synergien genutzt werden. Dieser Teil des Gebäudes ist aber auch abgekoppelt und kann vom Abendgymnasium genutzt werden. Sogar an eine Kaffeeecke, in der die Berufstätigen entspannen können, ist gedacht.

Schulkonzept und bauliche Umsetzung gehen an der Bertolt-Brecht-Schule eine innige Verbindung ein. Statt nach Schulformen – kommunales Gymnasium und kommunale Realschule sowie die staatliche Mittelschule – zu trennen, denkt Oberstudiendirektor Harald Schmidt das kooperative Schulzentrum der BBS als „durchlässige Schulfamilie“: Ab der 7. Jahrgangsstufe wandern alle Jugendlichen durchs Haus zu ihren jeweiligen Klassen- und Fachräumen, der Stundenplan ist in Doppelstunden organisiert und der Unterricht hat Vorlesungscharakter.

Keine Frage, dass die Ausstattung aller Räume auf dem technisch neuesten Stand ist. Die Pädagogen benutzen Laptops, via Beamer werfen sie Unterrichtsmaterialien und Bilder an eine Projektionswand. Obwohl das Kreide-Zeitalter an der BBS definitiv vorbei ist, gibt es für schnelle Notizen noch eine bewegliche Tafel – die mit Marker beschrieben wird. Fürs Licht braucht man hier keine Schalter, auch die Jalousien heben und senken sich automatisch. Die Lehrenden können ihren Wunschzustand aber auch an einer Mediensäule individuell regeln. Zur Ausstattung gehören Einbauschränke, in denen Schultaschen und Arbeitsmaterialien verschwinden.

Die neue Schule komme „sehr gut an“, sagt Schulleiter Schmidt. Endlich können moderne Schul- und Unterrichtskonzepte auch umgesetzt werden. Dass sie ist, wie sie ist, und die Lehrerinnen und Lehrer ein Sonnendeck genießen können, ist auch ein Ergebnis der Schulentwicklungsgruppe. Alle durfte mitmachen, viele investierten Freizeit und die meisten – aber nicht alle – Wünsche der Pädagogen wurden realisiert. „Sie sind total motiviert, denn die Schule ist auch ihr Baby.“ Die Schüler benehmen sich in der neuen Umgebung anständig und gesittet, beobachtet Schmidt: „ Wir spüren schon nach wenigen Tagen, wie die hellen Räume und gute Materialien die Attraktivität des Lernraums steigern. Gesamtatmosphärisch wirkt die BBS wie ein Medikament.“

Das ist von den Architekten so beabsichtigt. Ästhetik war Cornelia Renner und Georg Ackermann überaus wichtig. „Schule ist Lebensraum, Schüler und Lehrer sind den ganzen Tag dort“, sagt Ackermann. Lichte und gute Räume wirken beruhigend, Sitzecken laden zum Verweilen ein und die Details sind mit Finesse gestaltet. Rillen auf den Treppenstufen sind gleichzeitig rutschhemmend; die Linien von Akustik-Baffeln, Fenstern und Schrankfugen sind aufeinander abgestimmt; die zierenden Bleche durch unterschiedlich große Lochungen perforiert. Leicht wirkt das und schön, besonders an den Sporthallen. Wenn aus ihr nachts das Licht hinausströmt, ähnelt dies dem Sternenhimmel.

Aber die Lernenden sind nicht immer drinnen, es ist auch mal Pause. 20 000 Quadratmeter Außenanlagen wurden von der Landschaftsarchitektin Birke Zimmermann gestaltet. Das Notwendige – Radständer, ein Unterstand für Mopeds – sind unauffällig platziert, die Pausenhöfe großzügig ausgelegt und rund um grüne Blickfänge ebenfalls mit viel Sitzfläche ausgestattet. Für die Oberstufe gibt es sogar einen Parcours mit Hindernissen, in den Innenhöfen unterschiedliche Angebote. Ein Hof hat Klettergerüste, im Speisehof vor der Mensa stehen große Tische, der Lesehof vor der Bibliothek bietet eine großzügige Sitzfläche unter Bäumen und die Werkräume öffnen sich zu einem rostroten Skulpturen-Garten.

Wie hat Bertolt Brecht doch gesagt: Ändere die Welt, sie braucht es. Wer will, kann das an der Fassade nachlesen – oder das Schulzentrum Bertolt-Brecht als Beispiel nehmen. (Gabriele Koenig)

 

 

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