Bauen

Werner Weigl. (Foto: Privat)

20.08.2024

"Die Flut von zu beachtenden Vorschriften ist kaum zu bewältigen“

Ingenieurekammer-Kolumne: "KMU - klein, mittel, unbeachtet!"

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung das Loblied auf die KMU (Kleine und mittlere Unternehmen) und deren Bedeutung für unsere Wirtschaft und Gesellschaft singen. Die Realität ist jedoch eine andere: Selten war diese Spezies von Unternehmen so in Gefahr wie heute. Warum eigentlich?

Unstrittig sind unsere KMU – gleich ob Handwerk, Ärzte, Apotheker, Architekten oder Ingenieure – diejenigen, die meist glimpflich und ohne groß nach dem Staat zu rufen erfolgreich alle Flauten und Krisen gemeistert haben und flächendeckend auch und gerade auf dem Land sichere, zum Teil hochqualifizierte Arbeitsplätze bieten. Daneben bilden sie mit ihrem Engagement für soziale Initiativen, Sportvereine und Kultur das Rückgrat der Gesellschaft – heute nötiger denn je.

Warum also haben dennoch viele KMU und Freiberufler Schwierigkeiten, auf dem Markt zu bestehen und Nachfolger zu finden?

Zwei wesentliche Aspekte möchte ich anführen: Vorschriften und Marktbedingungen. Beides wird im Wesentlichen durch Politik und Verwaltung bestimmt. Auch wenn in vielen Fällen Sonderregelungen für KMU getroffen wurden, die Flut an zu beachtenden Vorschriften wie Arbeitszeitregelungen, DSGVO oder Hinweisgeberschutzgesetz ist für kleine Einheiten kaum zu bewältigen.

Auch die Marktbedingungen werden wesentlich durch Gesetze und Verordnungen bestimmt. Die medizinischen Berufe sind vielfach präsent mit ihren Problemen. Ingenieure und Architekten teilen leider das gleiche Los. Die Marktbedingungen, durch die Politik gesetzt, beschleunigen den Konzentrationsprozess dramatisch. Auch hier ein Beispiel: Ein Kindergartenneubau kostet etwa 2 bis 5 Millionen Euro. Auf dem flachen Land das Brot- und Buttergeschäft für die kleinteilige Planer- und Handwerkerlandschaft. Dann kommt das Vergaberecht. Mit dem Wegfall des §3 Abs. 7 S.2 der VgV sollen nach Lesart mancher Juristen alle Planungsleistungen zusammengezählt werden.

Fast alle Planungsdisziplinen werden so europaweiten Vergabeverfahren unterworfen. Ein irrer Aufwand auf Auftraggeber- und Auftragsnehmerseite. Die gängigen Verfahren und Referenzanforderungen bevorzugen größere Einheiten mit entsprechenden Marketing- und Vertragsabteilungen. Die Verwaltung ist überfordert, braucht teure fachliche, meist juristische Berater, die kleinen Planungsunternehmen vor Ort gehen häufig leer aus.

Gegen ständig
größer werdende Lose

Kaum hat die Verwaltung auf Drängen von Politik, Kammern und Verbänden wie im Schreiben des Bauministeriums zum Wegfall von §3 Abs. 7 S. 2 den Mut, den Kommunen einen pragmatischen, Fördermittel sichernden Ansatz vorzuschlagen, verhindern um ihre Aufträge in Vergabeverfahren fürchtende Vergabejuristen deren Umsetzung in der Praxis – das kann nur in Deutschland passieren.

Ständig größer werdenden Lose, zum Beispiel durch Zusammenfassung von mehreren Schulen oder Wohneinheiten, sind ein weiteres Beispiel für Projekte, die von den KMU nur noch in Ausnahmefällen bewältigt werden können.

So mancher Ministerpräsident, Politiker*in oder Bürgermeister*in liebäugelt aus vermeintlichen Gründen der Vereinfachung, der Kosten- und Terminsicherheit oder einfacheren Vergabeverfahren mit der Zusammenfassung von Planungs- und Bauleistungen bis hin zum Totalunternehmer. Die Elbphilharmonie und der Berliner Flughafen haben mit diesem Modell begonnen und sind damit gescheitert.

Selbst der Einwand, dass technische Innovation und die notwendige Masse zum Beispiel im Neubau von Wohnungen nur durch alternative Herangehensweisen möglich sind, kann mit Blick auf junge Startups als Innovationstreiber und in die Vergangenheit widerlegt werden.

Gerade für unsere ebenfalls kleinteilig organisierten kommunalen Auftraggeber sind lokale, persönlich ansprechbare und verantwortliche Partner entscheidend. Und das sind meist die KMU. Nicht nur für Bauaufgaben.

Unseren Politikerinnen und Politikern sei ein Blick auf die Bandenwerbungen der Sportplätze ihrer Vereine angeraten – dort wirbt in den seltensten Fällen ein überregionaler Konzern, in der Regel werben die KMUs vor Ort. Unser Land braucht KMUs mehr denn je.

 

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