Bauen

Die Michael-Ende-Schule in Nürnberg. (Foto: WBG Nürnberg)

10.11.2016

Ein Ort zum Lernen und Leben

Eröffnung der Michael-Ende-Schule in Nürnberg

Sie sieht aus, als hätte sie schon immer dagestanden. Dabei ist die Michael-Ende-Schule in Nürnberg in vieler Hinsicht neu und besonders: als Schule im Passivhaus-Standard, als pädagogisches Konzept, als Ort nicht nur des Lernens sondern des Lebens. Unter den zehn großen Schulen, die sein Büro bisher realisiert habe, sagt Architekt Frank Hausmann, rangiere die Michael-Ende-Schule weit vorn. „Und die Angst vorm Sichtbeton ist auch weg.“ Tatsächlich: Durch die Eingangstüren treten die Kinder in eine lichtgeflutete Eingangshalle, die zentraler Verteiler für die Schule und den zugehörigen Hort ist. Die Küche, in der täglich frisch und gesund gekocht wird, und Speiseräume öffnen sich hinein, mehrere Ebenen ermöglichen die Nutzung als Aula und sogar als Bühne. Auf dieser wechseln sich bei der Eröffnung Politiker und Bauherren – die Schule wurde von der WBG Kommunal GmbH, einer Tochter der kommunal verbundenen Wohnungsunternehmens, erbaut und wird für 25 Jahre von ihr betrieben – und Schulkinder ab. „Schule ist mehr als Pauken und Plagen“, singen die Drittklässler, „Schule ist miteinander zu reden, aufeinander zu bauen, füreinander zu kämpfen – Schule ist mehr, als Du glaubst!“ Damit Schule „mehr“ sein kann als nur Lernort, braucht sie auch baulichen Freiraum. Der Entwurf des Büros Hausmann Architekten GmbH in Aachen setzt auf einfache, aber feste Strukturen: Der Baukörper selbst besteht aus zwei kompakten und klar gegliederten Riegeln in rötlich changierender Ziegeloptik, die gegeneinander verschoben sind. So eröffnen sich an zwei Ecken große Freiflächen. Die eine ist der Eingangsbereich der Schule, der sich inzwischen schon fast zum Stadtteiltreff von St. Leonhard entwickelt hat. Die andere ist der Pausenhof, der viel Platz zum Toben lässt und mit Spielhaus samt Rutsche und mit einem grünen Klassenzimmer ausgestattet ist. Dabei war die Platzfrage vielleicht die kniffligste überhaupt. Das Grundstück, ein schmaler Streifen zwischen Aktivspielplatz, Kindertheater und angrenzender Wohnbebauung, war das letzte auf dem ehemaligen Schlachthof-Areal in Nürnberg. Auf nur 6800 Quadratmetern sollte die Schule für 500 Grundschüler gebaut werden, inklusive zweier Turnhallen und Ganztagsplätzen für mehr als 200 Kinder.
Die Lösung fanden die Architekten darin, dass die Doppelturnhalle halb in der Erde versenkt ist. Auf ihrem Dach wurde so Platz für einen Allwetterplatz, der mit Basketballkorb und Fußballtoren versehen und mit vier Meter hohen, transparenten Wänden umgeben ist. An ihnen prallen nicht nur Bälle ab, sondern auch der Kinderlärm. Und er sorgt dafür, dass die geforderten drei Quadratmeter Außenfläche pro Schüler eingehalten werden können. Im Inneren atmet die Michael-Ende-Schule Großzügigkeit. 5800 Quadratmeter Nutzfläche sind vorhanden. Zwei Treppenhäuser erschließen das Haus vom Keller bis zum zweiten Obergeschoss und erleichtern die Orientierung. Um zwei zentrale Lichthöfe laufen breite Gänge, die Bewegungsfreiheit lassen, und in denen aber auch Spinde aufgestellt sind. Vor den Lichthöfen öffnen sie sich zu großen frei bespielbaren Flächen. Noch probieren die Nürnberger Pädagogen aus, wie die genutzt werden sollen – anderswo treffen sich Klassen an solchen Orten morgens zum gemeinsamen Singen.
Von den Gängen wiederum gehen die Klassenzimmer ab. 20 insgesamt gibt es, jeweils zwei Klassen teilen sich einen Gruppenraum. Für das pädagogische Konzept der Michael-Ende-Schule sind die abgetrennten Räume unverzichtbar: Die Schüler lernen in altersgemischten Klassen, sodass jedes Kind sein individuelles Lerntempo verfolgen kann. Sie arbeiten zudem oft eigenständig an Aufgaben – Rückzugsmöglichkeiten sind nötig. Die Räume wirken licht und transparent, denn viele und große Glastüren gewähren Ein- und Durchblick. Das ist gewollt: So können Lehrkräfte auch sehen, was die Schüler im Nebenraum treiben. Die Glastüren sind natürlich aus Sicherheitsglas und zudem akustisch wirksam, kaum ein Laut dringt hindurch. Und optisch? Womöglich fühlen sich der eine und die andere wie auf dem Präsentierteller… Einblick sei ja auch Ausblick, wirbt Architekt Frank Hausmann. Nach wenigen Wochen hätten sich bestimmt alle daran gewöhnt. Das Lehrerzimmer macht übrigens keine Ausnahme: Ein großes Fenster ist zum Eingangshof gerichtet. Zwischen Schließfächern, Ablagen und Regalen steht eine lange Theke mit Barstühlen – fast wie in einem schicken Café schaut es aus. Tatsächlich haben die Architekten, die stets im Gespräch mit Bauherren und Pädagogen waren, damit bewusst einen Ort der Kommunikation gestaltet. Und größere Versammlungen halten die 40 Lehrerinnen und Lehrer in größeren Mehrzweckräumen ab. Ihr schwarzes Brett ist ein elektronisches: Aktuelle Neuigkeiten leuchten auf. Wie in den Klassenzimmern auch elektronische Whiteboards die gute alte Tafel ersetzt haben. Willkommen im digitalen Zeitalter. Kalt und technisch wirken die Räume dennoch nicht. Einige Decken sind mit Holz gestaltet, die Fußböden in sandigem Beige gehalten. Und der Sichtbeton? Für den Architekten eine Frage der Robustheit, die besonders in Schulen gefragt ist. Die Farbe würde – gerade in Grundschulen – von selbst einziehen: mit Kinderzeichnungen, Jahreszeitenschmuck, Büchern und Bastelmaterial. Der massive Baukörper aus Beton fungiert als Temperaturausgleich und ermöglicht den Passivhaus-Standard. Abgehängte Decken mit Rippen-Elementen schlucken den Schall und verstecken die aufwendige Belüftung der Räume. Fenster müsste hier eigentlich niemand öffnen. Kippen kann man sie, aus psychologischen Gründen, trotzdem. Mitten im schönen neuen Schulhaus ist der Hort daheim. „Das Herzstück“, sagen Schulleiterin Tanja Klieber und Hortleiterin Birgit Schubert unisono. Die ersten Kinder stehen hier um 6.30 Uhr vor der Tür, die letzten werden um 17.30 Uhr abgeholt. Die Verzahnung von Leben und Lernen ist in der „gebundenen Ganztagsschule“ Programm: Lernphasen und Freizeit wechseln ab. In den Erholungsphasen spielen die Kinder im Hof, nehmen die Kinderküche in Beschlag, sie können kickern oder sich auf weichen Elementen ausruhen. „Ein ganzes Haus nur für uns“, singen die Schüler mit strahlenden Gesichtern. Das ist toll. So toll, dass man darüber fast die Punktlandung vergessen könnte, mit der die WBG Kommunal GmbH Maßstäbe gesetzt hat: gerade zwei Jahre Bauzeit, Eröffnungstermin gehalten und mit rund 27 Millionen Euro die geplanten Baukosten sogar um 800 000 Euro unterschritten. Dabei hatte der Freistaat die Förderquote sogar von 45 auf 60 Prozent erhöht und trägt rund ein Drittel der Kosten. Das wegweisende pädagogische Konzept im sozial schwierigen Stadtteil hatte überzeugt, dazu kam die erstmaligen Kooperation von öffentlichem Träger und öffentlichem Bauherren und Betreiber. (Gabriele Koenig) (Eine Gangsituation; die Sporthalle und der Allwetterplatz auf dem Dach der Sporthalle - Fotos: WBG Nürnberg)

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