Bauen

Die Neue Nationalgalerie in Berlin wird gerade generalsaniert. Blick vom Turm der Matthäikirche. (Foto: Ursula Wiegand)

05.10.2018

Eine Ikone der Moderne

Berlins Neue Nationalgalerie wird grundlegend saniert

Eigentlich sind 50 Jahre ein Grund zum Feiern, doch fein herausgeputzt zeigt sich die Neue Nationalgalerie in Berlin zu diesem Anlass keineswegs. Ist auch nicht möglich. Dieses Meisterwerk von Mies van de Rohe wird seit Anfang 2015 gründlich saniert, um diese Ikone der Moderne für die Nachwelt zu bewahren.

Immerhin durften Interessierte zur Feier des Tages und nach Voranmeldung mit einem Führer durch die große obere Ausstellungshalle gehen und draußen auf der rechten Gebäudeseite zum Ausgang zurückkehren. Viele wollten das und betrachteten die Köpfe drehend das Stahlrohrgerüst, das den Riesenraum ausfüllt. In seiner Machart wirkt es irgendwie passend, fast wie ein eingebautes modernes Kunstwerk.

Die beste Nachricht kam sofort: „Alles läuft planmäßig, es gab keine unerwarteten Überraschungen. 2020 soll die Neue Nationalgalerie wieder eröffnet werden“, betonte Besucherführer Karl Wegmann. Ob mehr am Anfang oder am Ende von 2020 – darauf mochte er sich nicht festlegen. Vermutlich eher als Berlins Großflughafen BER, an dessen Terminal seit gut zehn Jahren gewerkelt wird, vermuteten einige Zuhörer. Per saldo ergibt das bei der Neuen Nationalgalerie eine Arbeitsdauer von gut fünf Jahren, während bei der Errichtung nur drei Jahre, von 1965 bis 1968, erforderlich waren. Der Grund: „Allein eineinhalb Jahre waren nötig, um alle Kunstwerke gut registriert und verpackt aus dem Gebäude zu schaffen“, erklärte Wegmann.
Außerdem mussten etwa 35 000 Originalteile aller Art ausgebaut, eingepackt und nummeriert werden. Dass alles bisher so gut vonstatten ging, ist der offenbar präzisen Vorplanung des britischen Stararchitekten David Chipperfield und seines versierten Teams zu verdanken. Schon 2009 hatte er für die Rekonstruktion des Neuen Museums auf der Berliner Museumsinsel viel Lob bekommen.

Überdies müssen viele Vorgaben erfüllt werden. Das bedeutet: Soviel originale Bausubstanz wie möglich zu erhalten, insbesondere die visuelle Integrität. Gefordert sind andererseits die Behebung von Sicherheitsrisiken und bessere Brandschutzmaßnahmen. Außerdem geht es um die Betonsanierung und die Sanierung der Gebäudehülle. „Alle Bodenplatten blieben beim Ausräumen erhalten, auch der Teppich kommt wieder rein und sogar die alten großen Aschenbecher, die die früheren Zigarrenraucher benutzten“, erklärt Wegmann.
Ein Charakteristikum des Gebäudes sind die riesigen Fenster. Darauf hat Mies van der Rohe Wert gelegt. Ein heller Tempel sollte sein Bau sein. Allerdings kam es schon bald zum Glasbruch, der sich in den 1970er Jahren verstärkte. Später auch zu Verfärbungen. Die Ursachen haben Chipperfield Architects erkannt und beseitigt.

Aus Sicherheitsgründen werden in Absprache mit dem Denkmalschutz alle Scheiben ersetzt. Ihre Originalbreite von 3,60 Metern bereitete jedoch Schwierigkeiten, da solche Maße in Deutschland nicht mehr produziert werden. Nur noch ein Unternehmen in China konnte sie fertigen. „Jetzt schwimmen die Scheiben gerade auf einem Frachter durch den Suezkanal“, erzählt Wegmann lachend und zeigt auf eine entsprechende Skizze.
Mies van der Rohes Vorliebe für eine solch offene Bauweise erklärt sich vielleicht dadurch, dass er zunächst ein Bürogebäude für Bacardi Rum auf Kuba entworfen hatte, das aber nicht gebaut wurde. Als er 1962 vom Westberliner Senat den Auftrag für die Neue Nationalgalerie erhielt, passte er diesen Entwurf den künftigen Museumserfordernissen an und machte die obere Halle sogar noch höher und lichter.

An anderen Stellen trägt man den heutigen Erfordernissen ebenfalls Rechnung. Die Rampe, die zu der auf einem kleinen Hügel platzierten Neuen Nationalgalerie hinaufführt, wird wegen der Rollstuhlfahrer flacher gestaltet als vorher. Außerdem wird ein Personenfahrstuhl hinzugebaut. Last but not least bekommt die bisherige, viel zu kleine Garderobe eine große Dependance im Untergeschoss, aber aus dem gleichen Holz.
Wieder entstehen soll auch der ehemalige Skulpturengarten hinter der Neuen Nationalgalerie, wo die beliebten Konzerte „Jazz in the Garden“ stattfanden. „Dabei haben einige sogar auf dem Flachdach gesessen“, erinnert sich Wegmann. „Das wäre heutzutage völlig undenkbar“, fügt er hinzu. Die acht Stahlträger, die draußen in rund einem Meter Abstand das nur aufgelegte, 1250 Tonnen schwere Dach tragen, haben es lässig ausgehalten und mussten jetzt nur abgeschmirgelt werden. Es kursiert sogar das Gerücht, dass sich Mies am 5. April 1967 bei der Anhebung dieses Dachs mitten ins Gebäude gestellt habe, da er vom Gelingen voll überzeugt war.

Spektakulärer Blick
von der Matthäikirche

Den besten Blick auf dieses damals spektakuläre Dach und das ganze Gebäude haben Interessierte vom Turm der 1846 von August Stüler errichteten neogotischen Matthäikirche. Von hoher Warte geht der Blick auf die Philharmonie (von 1962) und zur Staatsbibliothek zu Berlin (eröffnet 1985). Beide Bauten sowie das gesamte Kulturforum hatte Hans Scharoun geplant. Richtung Potsdamer Platz, an der ehemaligen DDR-Grenze, setzen sich nun moderne Nachwendebauten in Szene, die die Verbindung zur nun fünfzigjährigen Neuen Nationalgalerie halten.

Auf dem Kulturforum und damit zwischen diesen beiden Polen soll in Kürze Baubeginn für das „Museum der Moderne“ sein, konzipiert von den Wettbewerbsgewinnern Herzog & De Meuron. Ihr Entwurf zeigt ein simpel wirkendes eingeschossiges Gebäude, das bei der Präsentation sofort als Scheune oder Lagerhalle verspottet wurde. Der Charme liegt in den unterirdischen Räumen. Kritiker meinten, die Entscheider hätten in Berlin unbedingt ein Bauwerk von diesen weltbekannten Baseler Architekten haben wollen, die durch die Elbphilharmonie noch berühmter geworden sind. Für Berlin ist ihnen jedoch kein Hingucker eingefallen. Die Entwürfe einiger Mitbewerber machten mehr her.

Doch die Würfel sind gefallen. Berlin bekommt „land art“ und kein Schmuckstück. Später soll ein unterirdischer Gang dieses Museum des 20. Jahrhunderts mit der Neuen Nationalgalerie verbinden. Oberirdisch wird wohl Mies van der Rohes eleganter Tempelbau der sichere Sieger bleiben. (Ursula Wiegand)

(Das Stahlrohrgerüst in der oberen Ausstellungshalle - Foto: Ursula Wiegand)

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