Bauen

Jede Menge Besucher zieht es Jahr für Jahr zu dem zwischen 1461 und 1477 erbauten Alten Rathaus in der Regnitz. (Foto: Wolfgang O. Hugo)

22.09.2023

Fränkisches Rom auf sieben Hügeln

Bambergs unversehrt erhaltener historischer Stadtkern lädt ein zu einer architektonischen Entdeckungsreise

hrer Modellhaftigkeit verdankt die Altstadt von Bamberg den begehrten Welterbetitel der Unesco. Diese war der Meinung: Die Altstadt „repräsentiert in einzigartiger Weise die auf frühmittelalterlicher Grundstruktur entwickelte mitteleuropäische Stadt. In dem historischen Stadtbild mit seinen zahlreichen Monumentalbauten aus dem 11. bis 18. Jahrhundert – eine Synthese aus mittelalterlichen Kirchen und barocken Bürgerhäusern und Palästen – blieben architekturgeschichtliche Momente lebendig, die das gesamte Europa betrafen.“ 30 Jahre nach der Ehrung durch die Unesco gibt es in Bamberg ein Welterbezentrum an der Regnitz und feiert die Stadt ein ganzes Jahr den begehrten Titel.

„Bamberg ist kein Freilichtmuseum, sondern eine lebendige Stadt“, auf diese kurze Formel bringt es Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke. Das „Zentrum Welterbe Bamberg“ zeigt auf 220 Quadratmetern, warum die Altstadt von Bamberg Unesco-Welterbe wurde, welche Aufgaben der Titel mit sich bringt und wo in der Stadt der Welterbestatus unmittelbar erlebbar ist. Patricia Alberth, Leiterin des Zentrums, erklärt: „Unser Antrieb war es, einen Ort zu schaffen, den die Menschen gerne besuchen und klüger wieder verlassen.“

Der Standort des Zentrums ist welterbewürdig: Die ersten Mühlen an der Regnitz gehen zurück auf die Zeit von Stadtgründer Kaiser Heinrich II. im 11. Jahrhundert. Ein Plan von 1602 zeigt fünf Mühlen, bis zur Säkularisierung 1803 gab es einen Brudermühlverband, dann wurden Privatpersonen Mühlenbesitzer. Um 1800 gab es 40 Mühlen in drei Mühlenvierteln. Die Leibelmühle stürzte 1882 ein, die Kaufmannsmühle und die Sterzermühle wurden beim einzigen Luftangriff auf die Stadt am 23. Februar 1945 zerstört beziehungsweise schwer beschädigt.

Welterbe-Besucherzentrum

2015 beschloss der Stadtrat, ein Welterbe-Besucherzentrum zu schaffen, weil die Stadt bereits seit 1993 auf der Unesco-Liste steht. Der Bamberger Architekt Heinz Rosenberg schloss die städtebauliche Wunde des letzten Weltkriegs mit dem „Zentrum Welterbe Bamberg“, einem Restaurant mit Außenterrasse und Blick auf das Alte Rathaus. Noch wichtiger: Darunter hat man die Nutzung der Wasserkraft wieder aufgenommen. Eine 15 Tonnen schwere Kaplan-Turbine unter der Terrasse produziert seit Sommer 2018 Ökostrom für 300 Bamberger Haushalte. 

Den Bauarbeiten zur Schließung der Kriegslücke in der Regnitz gingen archäologische Grabungen voran, bei denen Motorboote und Taucher zum Einsatz kamen. Sie brachten mehrere Mühlsteine und rund 900 Gründungspfähle alter Mühlen vom 11. bis 18. Jahrhundert zutage. Die Fassadenreste der alten Sterzermühle wurden, obwohl nicht denkmalgeschützt, Stein für Stein abgetragen, gereinigt und in den Neubau integriert.
Im Gegensatz zu einem klassischen Museum verzichtet das Besucherzentrum weitgehend auf Originalexponate. Vielmehr bezieht sich die Ausstellung auf den Stadtraum Bamberg und dient als „Lesehilfe“ für die historischen Plätze und Gebäude, welche die eigentlichen Exponate sind. Mehrere Gebäudemodelle veranschaulichen den frühmittelalterlichen und barocken Städtebau Bambergs.

Pflanzstangen lenken die Aufmerksamkeit auf den Bamberger Erwerbsgartenbau seit dem Mittelalter, der inzwischen in das Bundesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde. Das Besucherzentrum soll und kann einen Stadtrundgang nicht ersetzen, sondern soll zu Erkundungstouren auch abseits der Hauptachse vom Alten Rathaus zum Dom anregen.

Bambergs Chance war es, dass die Stadt den Zweiten Weltkrieg fast unversehrt überstand und dass man früh an den Schutz des historischen Erbes denkt. Schon 1968 gründet der Arzt Victor Hardt als Bürgerbewegung die „Schutzgemeinschaft Alt Bamberg“. Nach der 1000-Jahr-Feier der Stadt 1974 wird der Erhalt der einmalig geschlossenen historischen Altstadt, die im Kern aufs Frühmittelalter zurückgeht, erklärtes Ziel der Rathauspolitik, wie es der damalige Oberbürgermeister Paul Röhner formuliert: „Das Geschichtsbewusstsein der Bürger ist enorm, nicht nostalgisch, nicht historisierend, sondern ein fruchtbares Kapital.“

Konsequenterweise wird die Altstadt 1982 als Gesamtensemble unter Denkmalschutz gestellt, eine wichtige Etappe auf dem Weg zum Eintrag in die Welterbeliste. 1993 bekräftigt Landeskonservator Tilman Breuer, diese Aufnahme sei verbunden mit der „Verpflichtung gegenüber der Völkergemeinschaft, sich für die unverfälschte Erhaltung dieses kulturellen Erbes einzusetzen“. Nach dem 11. Dezember 1993 erklärt der damalige Oberbürgermeister Herbert Lauer im Rück- und Ausblick: „Es war in den vergangenen zehn Jahren und wird auch in Zukunft das Kernziel in Denkmalpflege und Stadtsanierung sein, dieses Erbe für die Nachwelt zu sichern.“

Als „Castrum Babenberg“ 902 erstmals urkundlich erwähnt, verdankt Bamberg viel dem deutschen König und späteren Kaiser Heinrich II. Er will die Siedlung auf den sieben Hügeln zu seiner weltlichen Hauptstadt und zum politischen Gegenpol von Rom machen. 1007 gründet er das Bistum Bamberg. Dessen erster Bischof Eberhard ist gleichzeitig Kanzler des Kaisers. Sein Nachfolger Suidger wird 1046 unter dem Namen Clemens II. Papst. So beherbergt der Dom zu Bamberg (1004 begonnen, 1185 durch Feuer zerstört, ab 1237 neu aufgebaut) das einzige Papstgrab auf deutschem Boden. Papst Clemens II. ist in unmittelbarer Nähe von Bistumsgründer Heinrich II. und seiner Gattin Kunigunde beigesetzt, geschaffen hat dieses Hochgrab Tilman Riemenschneider (1499 bis 1513).

Wer auf dem zentralen Platz des Dombergs steht, gebildet der von der viertürmigen Domkirche, der „Alten Hofhaltung“, die im Mittelalter Wohnsitz des Bischofs war und der anschließenden „Neuen Residenz“, zwischen 1697 und 1703 von Leonhard Dientzenhofer im Auftrag des Fürstbischofs Lothar von Schönborn errichtet, begreift rasch, dass Bamberg für die Welterbeliste prädestiniert war.

Der große Torbogen der Neuen Residenz führt zunächst in den Rosengarten. Dort locken nicht weniger als 4500 Rosen in 70 Beeten, in denen fette Puttis lachen, dazu gibt es einen herrlichen Blick auf die Dächer Bambergs und bis hinauf zu St. Michael, einer ehemaligen Benediktinerabtei. Dann steigt man durch das monumentale Treppenhaus in die Räume der Neuen Residenz.

Barocke Fassaden

Nach langer Renovierung und Corona-Pandemie bedingter Schließung sind die neu gestalteten fürstbischöflichen Appartements zugänglich: Mit neuer Beleuchtung, neuem Lichtschutz und Klimaüberwachung. In den Appartements (die Fürstbischöfe waren bis 1802 nicht nur die geistlichen, sondern auch die weltlichen Herrscher des Territoriums) finden sich Vor- und Audienzzimmer und der Rokoko-Billardtisch des Bischofs Adam Friedrich von Seinsheim, der leidenschaftlich gerne die Kugeln rollen ließ. Französische Tapisserien, Kommoden mit floralen Intarsien und kostbare Lüster schmücken die aufwendig restaurierten Räume.

Nach der Säkularisierung war die Residenz Sitz der Wittelsbacher. In ihr wohnte ab 1863 das griechische Königspaar Otto und Amalie im bayerischen Exil. Der Kaisersaal im zweiten Stock ist Höhepunkt der barocken Ausstattung. Zwischen 1707 und 1709 brachte der Maler Melchior Seidl aus Tirol ein komplexes Bildprogramm als Fresken auf Wände und Decke, das zeigt, wie verbunden das Fürstbistum mit den Herrschern des Alten Reiches war. 

Dem Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn verdankt die Stadt Bamberg die Barockisierung. Denn er verfügte im Frühjahr 1700, dass nur noch Zuschüsse erhielt, wer im neuen Stil baute. Wer sich keinen Neubau leisten konnte, der renovierte eben die Fassade. So bekam Bamberg seine Barockfassaden, diese muss ja nicht so überschwenglich sein wie am Böttingerhaus, mit dem Kaufmann und Hofrat Johann Ignaz Tobias Böttinger zeigen wollte, wie weit es ein Bürger bringen kann.

In der Judengasse, unterhalb von St. Stephan, steht ein barocker Stadtpalast, das Böttingerhaus (1707 bis 1713). Ein Stück weiter die Villa Concordia, ein barockes Wasserschloss, 1715 bis 1722 von Johann Dientzenhofer im Auftrag Böttingers an der Regnitz erbaut und seit 1998 ein internationales Künstlerhaus des Freistaats.

Die Anlage der Altstadt folgt der im Mittelalter üblichen Kreuzform, mit den Pfarrkirchen St. Michael und St. Stephan, St. Gangolf (im Gärtnerviertel) und St. Jakob als den vier Eckpunkten. Dazwischen findet sich eine mittelalterlich geprägte Altstadt, an manchen Stellen von barockem Dekor überdeckt. Doch hinter den Mauern hat sich Bamberg verändert: Viele alt eingesessene Familien haben die Altstadthäuser verlassen oder verkauft. Die deutlichste Wandlung hat die Sandstraße hinter sich: Einst wichtigster Verkehrsweg am Fuß des steilen Dombergs entlang, ist sie heute die Erlebnis- und Vergnügungsmeile Bambergs. Geblieben sind die Keller, in denen einst die Bamberger Brauer ihr Bier lagerten und auch ausschenkten.

Wer hinuntersteigt zur Regnitz, die auf drei Armen durch die Stadt fließt, bevor sie sich mit dem Main vereinigt, trifft auf die Häuser der Fischer und Schiffer in „Klein-Venedig“ und das von der Regnitz umspülte Alte Brückenrathaus. Es bildet die Grenze zwischen geistlicher Berg- und bürgerlicher Talstadt.

Unterwegs entlang des historischen Ludwig-Donau-Main-Kanals in Richtung Schloss Geyerswörth glaubt man, seinen Augen nicht trauen zu können. Ein Hauch Venedig in Franken: Ein, nein, sogar zwei Gondoliere sind nämlich mit ihren Booten und Fahrgästen auf der Regnitz unterwegs, zur Anlegestelle bei den Gerberhäusern. (Wolfgang O. Hugo)
 

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