Wie wollen wir wohnen, wo wollen wir wohnen, und wo können wir wohnen?“, fragen sich die Menschen. „Wie will ich bauen, was soll ich bauen, und wo kann ich bauen?“, überlegen andererseits die Architekten. Ein Dauerthema nicht erst jetzt. In den 1980er-Jahren rückte es im geteilten Berlin in den Vordergrund. Gleich zwei Internationale Bauausstellungen (kurz IBA) beschäftigten sich damit. Mit der IBA 1987 nahm Ost-Berlin den 750. Geburtstag Berlins zum Anlass einer rund dreimonatigen Bauausstellung.
West-Berlin gönnte sich für seine IBA 1984/1987 drei Jahre Zeit, hatten sich doch zwei Fraktionen gebildet. Der einen ging es um die „Kritische Rekonstruktion“, also Neubau mit Rücksicht auf das vorhandene Umfeld. Die andere Fraktion, IBA Altbau genannt, setzte definitiv auf Sanierung und Umnutzung erhaltener Gebäude. Architektur für die Menschen – diese Sichtweise gewann in beiden Teilen der Stadt an Bedeutung.
In Ost-Berlin hatte jedoch das 750-Jahre-Jubiläum einen höheren Stellenwert als die Bauausstellung. Nicht nur mit Plattenbauten, auch mit dem Wiederaufbau historischer Plätze wollte sich die DDR profilieren. Der fast komplett zerstörte Gendarmenmarkt mit dem Schinkelschen Schauspielhaus – heute Konzerthaus – wurde inklusive der beiden Dome wieder errichtet. Seit Februar 2021 steht er unter Denkmalschutz.
Auferstanden aus Ruinen ist damals auch das Baudenkmal Nikolaiviertel, die Wiege Berlins. Selbst der Gasthof Zum Paddenwirt neben der Nikolaikirche, Berlins ältestem Gotteshaus, wurde komplett nachgebaut. Momentan sind die Kirchtürme eingerüstet und werden saniert. Ähnliches geschieht am Friedrichstadtpalast, dem ehemaligen DDR-Amüsiertempel, der 1984 eröffnet wurde. Die Architekten Manfred Prasser, Jürgen Ledderboge und Walter Schwarz hatten Feines ersonnen – sozialistische Postmoderne mit Art Deco- und Jugendstil-Zitaten.
Seit August 2020 steht der Friedrichstadtpalast unter Denkmalschutz, ein Trostpflaster in der langen, Corona bedingten Zwangspause. Diese Zeit wurde jedoch genutzt, um die für 2022 geplante Sanierung vorzuziehen. Auch eine moderne Belüftungsanlage wird eingebaut.
Im weniger zerbombten West-Berlin konnte 1987 der von Hans Scharoun zusammen mit der Philharmonie geplante Kammermusiksaal zur 750-Jahr-Feier eröffnet werden. Der Martin-Gropius-Bau und die Kongresshalle wurden saniert. Doch mehr Gedanken galten der künftigen Stadtplanung. Der Grund: Viele Menschen fühlten sich in den stereotypen Neubauvierteln in Ost und West vereinsamt und wollten zurück in die Stadt. Eine Architektur für die Menschen musste geschaffen werden, und so bildeten sich zur IBA in West-Berlin zwei Fraktionen. Die eine unter der Führung von Josef Paul Kleihues setzte auf die schon erwähnte „Kritische Rekonstruktion“ an Stelle der zuvor rigoros praktizierten „Flächensanierung“, die den Abriss von Altbauten und Wohnungsneubau am Stadtrand zum Ziel hatte. Stattdessen sollten nun Neubauten mit Bedacht in den Altbaubestand eingefügt werden.
Die andere Fraktion unter Leitung von Hardt-Waltherr Hämer hatte bereits die Behutsame Stadterneuerung auf ihre Fahnen geschrieben. Sie forderte die Sanierung von Altbaugebieten unter Beteiligung der Bürger. Genau genommen hatte Berlin um 1987 drei Bauausstellungen. Speziell die West-Berliner Varianten wurden zu Leitbildern für andere Länder Europas.
Die rücksichtsvolle Beschaffung von Wohnraum durch Umnutzung wurde großflächig in Kreuzberg nahe dem Checkpoint Charlie realisiert. Dort befindet sich auch die Berlinische Galerie und zeigt noch bis 16. August die Ausstellung „Anything goes?“, die sich den Berliner Architekturen der 1980er-Jahre in beiden Stadtteilen widmet.
Dass sich nicht alles wie geplant verwirklichen ließ, zeigen die ausgestellten Modelle. Was gemacht wurde, ist in direkter Nachbarschaft zu sehen. „Um uns herum ist alles Architektur der 1980er-Jahre“, lacht Kuratorin Ursula Müller. Bei diesem Statement könnte das nahe gelegene Wohn- und Atelierhaus von John Hejduk in der Charlottenstraße mit den grünen Wimpern klimpern.
Bunt leuchtende Häuser sind auch vom Grundstück der Berlinischen Galerie zu sehen und weit mehr in der Alten Jakobstraße, der Ritter- und der Feilnerstraße. Postmoderne pur, oft fröhlich, farbenfroh und fantasievoll die früheren Bauten einbindend. Gerettete Straßenzüge mit Wohlfühlfaktoren.
Zickzackförmiger Hauptbau
Die Aufgabe, die Wohnanlage namens Ritterstraße-Nord zwischen Linden- und Alter Jakobstraße zu planen, übernahm der luxemburgische Architekt Rob Krier, der sich zuvor mit der Planung von IBA-Bauten sowie eigenen Entwürfen im südlichen Tiergartenviertel schon einen Namen gemacht hatte. Dass er Torhäuser mochte, fällt dort in der Rauchstraße ebenso auf wie in der Ritterstaße-Nord. In beiden Fällen erreichen die Mieter nur durch diese Tore die Wohnhöfe mit den Eingängen zu ihren Häusern. Mit insgesamt 315 Wohnungen in 35 Häusern wurde die Wohnanlage Ritterstraße Nord zu einem der größten ausgeführten Projekte der IBA 1987. Realisiert wurden die Bauten von diversen Architektenteams. Beim Eckbau Alte Jakobstraße 129-133 mit seinen roten und weißen Fassaden taten es Dieter Frowein und Gerhard Spangenberg.
Auch das 1989 begonnene Jüdische Museum von Daniel Libeskind in der Lindenstraße gehört noch zu den 1980er-Bauten. Faszinierend ist vor allem der zickzackförmige Hauptbau mit den schiefen, sich kreuzenden Achsen. Weich modelliert wirkt nach einem Regenschauer das Haus am Checkpoint Charlie des US-Architekten Peter Eisenman, das nun das Mauer-Museum beherbergt.
Deutlich mehr an Farben und Formen wagte ab 1981 das Berliner Architektenpaar Hinrich und Inken Baller mit dem Philosophischem Institut der Freien Universität im Stadtteil Dahlem sowie mit einem Bauwerk am Fränkelufer, geschaffen zur IBA 1987. Noch effektvoller mit raffinierten Fassaden- und Balkonlösungen gerieten die Wohnpojekte, die Hinrich Baller am Winterfeldtplatz und am Preußenpark in Wilmersdorf zusammen mit seiner zweiten Frau Doris entwarf. Echt provokante Postmoderne.
Neben solchem Farben- und Formenrausch gingen andere Projekte in eine neue Richtung. Preisgünstiges und Energie sparendes Bauen wurde akut. „Wohnregale“ entstanden, Billighäuser, bei denen die späteren Mieter beim Bauen mithalfen.
Weit mehr wurde im südlichen Tiergartenviertel in die Ökohäuser am Landwehrkanal investiert. Fantasievolle Bauten reihen sich in der Cornelius- und der Rauchstraße. Weniger Licht fällt auf die Häuserfassaden in der Lützowstraße, doch deren Rückfront liegt voll im Sonnenschein.
Fazit: Vieles, was heutzutage gefordert und gepriesen wird, wie zumBeispiel Bürgerbeteiligung oder energiesparendes Bauen, wurde bereits in den 1980er-Jahren verwirklicht und damit auch der Klimaschutz. (Ursula Wiegand)
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