Hier wird schon mal gerne nur Stop-and-go gefahren, selbst wenn man das Kuriosum mittlerweile schon kennt. In Krumbach im Bregenzerwald, gleich hinter der deutschen Grenze im Allgäu, sollte keineswegs zügig durchgefahren werden. Denn bei den architektonisch und publikumswirksam aufgestellten Buswartehäuschen anhalten und glotzen ist üblich. Ein Sightseeing der besonderen Art, auch ohne Bus.
Bushaltestellen sind naturgemäß dem Wetter ausgesetzt. Und ohne Unterstand oder Haltestellenhäuschen stehen wartende Fahrgäste dann buchstäblich im Regen oder prallen

Sonnenschein. In Krumbach erfüllen sie natürlich auch diese Schutzfunktion. Darüber hinaus jedoch sind sie der überraschende Blickfang, der ihresgleichen sucht.
Lang und ausladend wirkt das Dach des Wartehäuschens im Ortskern. Form und Größe lassen erkennen, dass es sich um ein zentrales Busterminal handelt, wo das Umsteigen leichtfällt. Es steht nicht nur im Zentrum des Dorfs, sondern bildet zugleich auch das des Architekturprojekts BUS:STOP. Diesem Projekt stand man anfangs jedoch ziemlich skeptisch gegenüber. Denn welcher Architekt „begnügt“ sich mit einem Wartehäuschen für eine Bushaltestelle im ländlichen Raum? Doch die Resonanz blieb nicht aus.
Auch in einer kleinen Gemeinde – Krumbach zählt rund 1000 Einwohner – lässt sich im Kleinen Großes verwirklichen. Sogar Bauskulpturen, die Aufmerksamkeit grenzüberschreitend erwecken. Statt der üblichen „Buswartehüsle“ wurden sieben internationale Architekturbüros aus allen Teilen der Welt ausgewählt und eingeladen, jeweils ein Architekten-Wartehäuschen zu entwerfen. So einfach kann auch ein kultureller Austausch zustande kommen. Partnerarchitekten aus der Region setzten dann, zusammen mit lokalen Handwerkern, die Entwürfe um – wobei beide äußerst professionell arbeiteten, das Bregenzerwälder Handwerk wie auch die Vorarlberger Architektur.
Wunschgemäß konnte so eine verrückt klingende Idee visionär finalisiert werden. Und in der Tat, die „Bushüsle“ sind so unterschiedlich ausgefallen, dass man sie vom Aussehen her gar nicht miteinander vergleichen kann. Eine Favoritenliste kann sich der Betrachter nur selbst imaginär festlegen. Eine Wetterschutz-Funktionalität erfüllen sie alle – bis auf zwei, wo man nach wie vor bei Regen ordentlich nass werden kann. Aber da herrschten andere Visionen prioritär. Die japanische Idee in Form von Raumgerüsten in Interaktion mit der Natur stellt dünne Stahlstangen als „Wald“ dar, worin sich eine

Stiege in die Höhe windet. Und den zweiten Beitrag hatten sich spanische Architekten ausgedacht: Von der Schichtung von rohen, unbehandelten Eichenbrettern in den Trockenlagern der Holzwerkstätten im Bregenzerwald so überraschend nachhaltig beeindruckt, entwarfen sie kurzer Hand in gleichem Stil ihr „rudimentäres“ Bushäuschen.
Auch vom Bregenzerwald inspiriert: Drei bäuerliche Holzsessel stehen als Sitzgelegenheit in dem stubenähnlichen Wartehäuschen des chilenischen Architekten Radic, der sich damit tatsächlich an die Bregenzwälder Stube anlehnt. Gleichzeitig transferiert er mit der Transparenz der Glaswände die Intimität in die Ausgesetztheit einer Bushaltestelle. Flämische Architekten dagegen verwirklichten die Idee einer triangulären Form. Sie konstruierten ein Objekt mit einer Faltung von dreieckigen Flächen, und dem Regen sei somit getrotzt.
Im Gegensatz dazu wirkt die Architektenidee aus China aufgeschlossen perspektivreich. Eine Holzkonstruktion bildet einen konischen Raum, der sich zur Straße hin weit öffnet und mit einem Fenster an der Rückwand die Blickachse zu den Bergen rahmt. Eine überdimensionierte „Camera Obscura“ fokussiert so die schöne Gebirgslandschaft und vertieft deren Wahrnehmung im Besonderen.
Entspannter Aufenthalt
an Tisch und Bank
Schlicht und einfach wirkt auch der Turm aus Holz von Alexander Brodsky. Der Architekt aus Russland lässt seinem Turm vier Öffnungen großzügig zukommen, und zum entspannten Aufenthalt an Tisch und Bank jedoch an drei Seiten wetterfest verglasen. Eine Ebene höher darf der Wind durch kleine Fenster wehen und Vögel können frei durchfliegen und ihre Lufthoheit unter Beweis stellen.
Für einfallsreich steht auch der Architektenbeitrag aus Norwegen. Deren Objekt inkludiert gleich noch ein soziales Element zusätzlich. Im unteren Bereich und zur Straße hin ist es das schutzbietende Wartehäuschen für den Bus. Und im ersten Stock zur anderen Seite hin wartet es mit einer kleinen Tribüne auf für den dort eingezäunten Tennisplatz. Wenn da nur nicht der Bus verpasst wird. Die mit Schindeln verkleidete überaus funktionale Holzkonstruktion schwankt mit viel Spielraum eindeutig als Kombination zwischen Bedarf und Möglichkeit.
Das Gesamtwerk ist gelungen „bei meinem schönsten Projekt“, schreibt Dietmar Steiner, damals und bis 2016 Direktor des Architekturzentrums Wien, heute Pensionist. Schließlich sei noch erwähnt, dass das Honorar für die internationalen Architekten recht unüblich ausfiel: Es wurde für sie ein Urlaub im Bregenzerwald. Den brauchten sie auch, um die Location zu erkunden und die Einfälle sprießen zu lassen. Danach entstanden die Highlights.
Und nach der international anerkannten Aufmerksamkeit kamen die Preise. Das Projekt BUS:STOP Krumbach wurde mehrfach ausgezeichnet. Der Sonderpreis des Österreichischen Staatspreises für Architektur, der Österreichische Staatspreis für Kommunikation und Public Relations, Adwin 2015, die Auszeichnung als „Architects Client of the Year 2014“ des internationalen Iconic Award und der Innovationspreis 2014 des Vorarlberg Tourismus wurden gerne entgegengenommen.
(Nikolaus Sieber)
(Holzturm mit zwei Ebenen (Russland) und ein Wartehäuschen mit Tribüne (Norwegen) - Fotos: Sieber)
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