Bauen

Der Innenraum der Wallfahrtsbasilika. (Foto: Peter Lion)

08.05.2020

Generalüberholter Sakralbau

Instandsetzung der Wallfahrtsbasilika Mariä Himmelfahrt in Tuntenhausen

Aufgrund von einigen vom Gewölbe herabgefallenen Stuckteilen sowie einer Absenkung der Orgelempore begannen ab Mai 2006 unter Federführung des Staatlichen Bauamts Rosenheim umfangreiche Untersuchungen zur Standsicherheit der Wallfahrtsbasilika in Tuntenhausen. Die Befunde stellten klar, dass eine Sanierung zum Erhalt zwingend erforderlich wurde. Als Sofortmaßnahme gegen einen möglichen Einsturz fand 2008 eine Notsicherung des Bauwerks mit provisorischen Zugbändern statt.

Zwischen 2006 und 2010 erstellte das Staatliche Bauamt unter Mitwirkung zahlreicher Sonderfachleute und in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege sowie dem Bau- und Kunstreferat der Erzdiözese München und Freising eine Sanierungsplanung, die in einer Haushaltsunterlage über die Regierung von Oberbayern dem Kultusministerium vorgelegt wurde. Die Gesamtkosten wurden mit 7,9 Millionen Euro genehmigt. Rund 64 Prozent davon wurden aus staatlichen Mitteln finanziert.

Nach Erteilung des Weiterführungsauftrags durch das Kultusministerium im zweiten Halbjahr 2015 und der Kostenübernahmeerklärung der kirchlichen Rechtsträger konnte die Ausschreibung der Architektenleistung für die Bauausführung vonstattengehen. Mit dem Aufbau der Gerüste ab April 2016 begannen die Restaurationsarbeiten. Eine Gerüstplattform im Innenraum diente dem Schutz der Kirchenbesucher. Außen wurden die Fassaden eingerüstet und ein Wetterschutzdach für die Arbeiten am Dachstuhl errichtet. Noch im Herbst 2016 fingen die Zimmerleute an, das Dach aufzudecken.

Aufgrund der Belastung mit Holzschutzmitteln – sowohl im Dachstuhl als auch im Innenraum – musste ein besonderes Augenmerk auf die Arbeitssicherheit der Handwerker gelegt werden. Bei Durchführung der Arbeiten mussten die Handwerker und Restauratoren eine komplette persönliche Schutzausrüstung inklusive Overall, Handschuhe, Maske und gegebenenfalls Füßlinge tragen.

Nach Ansicht der beteiligten Tragwerksplaner konnte ein bestehendes historisches Gebäude wie die Kirche Tuntenhausen statisch nicht wie ein Neubau betrachtet und berechnet werden. Also gingen die Statiker dazu über, das Bauwerk auf statische Defizite und entsprechende Verformungen hin zu untersuchen. Es galt, die Ursachen dieser Verformungen zu ergründen und diesen mit wirksamen Maßnahmen entgegenzutreten. Mehrere kleinere Sanierungsmaßnahmen sollten in ihrem Zusammenwirken die Gesamtsicherheit des Gebäudes erhöhen.

Schiefstellungen
der Innensäulen

Die Kirche wies neben bauzeitlichen Schiefstellungen der Innensäulen von etwa fünf Zentimetern auch Neigungen der Außenwände auf. Diese sind für eine Hallenkirche dieser Größe relativ schlank proportioniert. In unmittelbarer Nähe der Kirchennordseite stürzte 1841 ein Teil der Friedhofsmauer ein. Die Ursache war vermutlich eine Durchfeuchtung des Baugrunds. Dieses Ereignis verursachte wahrscheinlich einen teilweisen Grundbruch. Als dessen Folge begann das bis dahin offensichtlich stabile statische Gefüge von Gewölben, Pfeilern und Mauerwerk, sich aktiv zu verformen. Das führte schließlich zur Schiefstellung der beiden Langhausaußenmauern um zwölf Zentimeter nach außen.

Deshalb mussten Maßnahmen ergriffen werden, die den Gewölbeschub abfangen und ein weiteres Ausweichen der Wände verhindern konnten. Nach Prüfung alternativer Methoden fiel die Wahl auf den Einbau von Zugstäben auf Kämpferhöhe der Seitengewölbe, einer vielfach erprobten und ausgeführten Methode. Für die Einleitung dieser Punktlasten musste das Mauerwerk durch horizontale und vertikale Vernadelungen ertüchtigt werden. Insgesamt waren dazu 554 Meter Kernbohrungen im Mauerwerk herzustellen. Beim Anspannen der Zugbänder wurde das Niveau der Gewölbescheitel mithilfe eines Präzisionslasers überwacht, um ein Hochdrücken der Gewölbe zu vermeiden.

Die dendrochronologische Untersuchung in der Vorbereitungsphase ergab, dass der Dachstuhl von 1630 so gut wie vollständig erhalten ist. Deshalb reparierten die Zimmerer den Dachstuhl unter möglichst weitgehendem Erhalt der originalen Balken und Sparren. Notwendige Ergänzungen wurden querschnittsgleich ausgeführt. Ganze Sparren wurden nur bei Totalverlust des Bestands erneuert. Große Schäden durch früheren Wassereintrag gab es insbesondere an den Fußpunkten und Mauerschwellen sowie an den einzelnen Sparren und Gratsparren.

Die Mauerkronen und Gesimse mussten durch Rückverankerungen gesichert und teilweise erneuert werden. Eine Verbesserung der Längs- und Queraussteifung des Dachstuhls zur Aufnahme der Wind- und Schneelasten konnte durch Einbau von Stahlzugbändern sowie der Herstellung aussteifender engmaschig verschraubter Bohlenbeläge auf der Kehl- und Stichbalkenlage im Dachstuhl erreicht werden.

Die Naturschieferdeckung der Dachflächen mit Mustern aus grünen und roten Schieferplatten geht auf die neugotische Umgestaltung der Fassaden am Ende des 19. Jahrhunderts zurück. In Teilbereichen waren noch Reste der originalen Schiefer vorhanden. Die wenig erhaltenen brauchbaren Platten wurden an der Ostseite des Kirchenschiffs als Referenzfläche verbaut. Die übrigen Flächen wurden mit neuem Schiefer rekonstruiert.

Die Orgelempore bedurfte einer statischen Ertüchtigung, um die geforderte Verkehrslast und das Eigengewicht der Orgel aufnehmen zu können. Das gelang durch das Einspannen zusätzlicher Stahlträger zwischen den alten Balken des Emporenbodens in die meterdicke Turmmauer. Zu diesem Zweck mussten in dem mittelalterlichen Mauerwerk Kernbohrungen durchgeführt werden. Die alten Balken waren am Auflagerpunkt zum Teil morsch gewesen, weshalb sich die Empore abgesenkt hatte. Sie wurden vom Zimmerer repariert. Zur Verbesserung des Flucht- und Rettungswegs der Empore sowie der räumlichen Gegebenheiten der Musiker und Sänger wurde eine neue Wendeltreppe aus Stahl eingebaut. Ihre Lage über der Gruft erforderte eine Lastabtragung durch Stahlträger.

Vor Beginn der Maßnahme gab es an der Raumschale eine Fülle von mehr oder weniger stark verschmutzten Rissen. Die Aufgabe der Kirchenmaler und Stukkateure war es, die weitgehend im Original erhaltenen Stuckierungen von 1630 zu sichern, fehlenden Stuck zu ergänzen und die geschädigten Oberflächen wiederherzustellen. Die Risse in den Arkaden und Gewölben wurden, soweit notwendig, geöffnet und anschließend kraftschlüssig verfüllt. Das Restaurierungsziel war die weitestgehende Wiederannäherung an das ursprüngliche Erscheinungsbild der Raumschale von 1630 durch Abnahme der verunklärenden Überfassungen unter Belassung der ersten, noch dünn aufgetragenen Überfassungen. Die Neutünchung mit weißem Kalk sollte möglichst dünn gehalten werden, mit leichter Differenzierung der geglätteten und stuckierten Bereiche.

Die mittelalterliche Turmhalle mit einer polychromen Fassung wurde im bestehenden Zustand konserviert und restauriert. In der nördlich anschließenden neugotische Gruftkapelle wurde die farbenprächtige neugotische Fassung freigelegt und ergänzt.

Nach der Reinigung der gesamten Innenausstattung folgte die Konservierung und Restaurierung nach Bedarf. Nachdem die Pfarrei das gesamte Spiel- und Pfeiffenwerk der Orgel erneuert und das Gehäuse in der Tiefe erweitert hatte, glückte es, das Orgelgehäuse zu restaurieren und die Applikationen und Zierbretter nach historischen Fotografien neu zu ordnen.

Es gelang, die gesamten Elektroanlagen und die Beleuchtung auf den neuesten Stand zu bringen sowie den Komfort der Gottesdienstbesucher durch den Einbau einer Kirchenbankheizung zu verbessern. Eine kontrollierte Fensterlüftung soll künftig das Raumklima stabil halten. Darüber hinaus konnte unter der Empore ein neuer Technikraum geschaffen werden.

Die sehr beengten Platzverhältnisse in und vor dem Altarraum führten zu der Entscheidung, auf einen neuen Volksaltar zu verzichten. Der Ebersberger Bildhauer Matthias Larasser-Bergmeister gestaltete deshalb vor dem Antritt zur Gnadenkapelle ein neues Podest mit Ambo, Priestersitz und Sedilien für Beisitzer und Ministranten.

Mit Ausnahme der Westwand zieht sich um die Außenfassaden der Kirche ein Bilderfries, dessen 54 Darstellungen aus unterschiedlichen Zeiten den sogenannten Mirakelbildzyklus bilden. Das heterogene Erscheinungsbild des Bilderfrieses ist ein Ergebnis zahlreicher Restaurierungen, die meist nur in Bereichen einzelner Bildfolgen mit jeweils unterschiedlichen Maßnahmen ausgeführt wurden. Prinzipiell liegen bei dieser Kirche zwei werktechnisch unterschiedliche Zyklen vor. Die Bildfelder der Kirchennordseite sind überwiegend in Freskotechnik, die der Südseite in ölgebundener Technik al secco auf Putz gemalt.

Im letzten Jahr wurden die störenden Überfassungen früherer Restaurierungen abgenommen, die Malschichten gefestigt und die Fehlstellen gekittet. Noch im laufenden Jahr soll die Maßnahme mit den Retuschearbeiten an den Mirakelbildern abgeschlossen werden. (Rudolf Froschmayer)

(Die Kirche wurde für 7,3 Millionen Euro saniert - Fotos: Peter Lion)

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