Im Rahmen einer Feierstunde wurden die vor Kurzem fertiggestellten Räume des Amtsgerichts Kaufbeuren am 20. September 2024 ihrer Bestimmung übergeben. Nach insgesamt fünfjähriger Bauphase sind damit die Grundinstandsetzung der beiden historischen Bestandsgebäude aus dem 19. Jahrhundert, die bauliche Erweiterung um einen öffentlich zugänglichen Gerichtssaaltrakt und die Umgestaltung der Außenanlagen bei laufendem Betrieb abgeschlossen. Der Freistaat Bayern hat insgesamt 20,7 Millionen Euro in diese Baumaßnahme investiert.
Das ursprünglich aus zwei in den Jahren 1805 und 1890 errichteten Gebäuden bestehende Ensemble liegt am südöstlichen Rand der Innenstadt. Es grenzt unmittelbar an den gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Stile eines englischen Landschaftsgartens angelegten Jordanpark an.
Modriger Geruch
Das ältere der beiden Häuser hatte zunächst als Kattunmanufaktur, danach als königliches Bezirks-, Landrats- und Finanzamt gedient, bevor es 1981 für seine heutige Nutzung hergerichtet wurde. Wer vor wenigen Jahren noch einen Termin am Amtsgericht Kaufbeuren wahrnehmen wollte, tat sich schon schwer damit, den unauffälligen Eingang zu finden, der in einen schmalen, provisorisch anmutenden Verbindungsgang zwischen den Bestandsgebäuden führte. Auch die weitere Orientierung innerhalb der beiden Häuser mit ihren über mehrere Stockwerke verteilten Gerichtssälen war nicht einfach.
Immer wieder soll es vorgekommen sein, dass die Wachtmeister Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt waren, mit bloßen Händen an ihr Ziel tragen mussten.
Der gesamten Liegenschaft war schon auf den ersten Blick anzusehen, dass die letzte größere Sanierung bereits mehr als 40 Jahre zurücklag. Da weite Teile nicht unterkellert sind, hatte sich in vielen Räumen des Erdgeschosses ein modriger Geruch in den abgenutzten Nadelvliesböden festgesetzt. Der einzig größere Gerichtssaal befand sich in einem baufälligen Anbau aus den 1950er-Jahren, der dem Finanzamt einmal als Kasse gedient hatte.
Spätestens seit Aufgabe der Außenstelle in Füssen im Jahr 2005 war die Belegschaft äußerst beengt untergebracht, und Teile davon waren in ein nahe gelegenes Mietgebäude ausgelagert. Der Blick aus vielen Fenstern fiel zunächst auf einen verwilderten Parkplatz und dann direkt auf die Rückseite des benachbarten städtischen Eisstadions, das bereits seit längerer Zeit wegen Baufälligkeit geschlossen war.
Alle Anläufe, diese Missstände zu beseitigen, scheiterten in den letzten 20 Jahren immer wieder an der Finanzierung. So dauerte es bis zum Herbst 2017, bis das Projekt an Fahrt aufnehmen konnte. Neben der umfassenden Sanierung der Bestandsgebäude war erklärtes Ziel, alle öffentlichen und sicherheitsrelevanten Nutzungen des Amtsgerichts in einem neuen, von den Büroraumtrakten abgetrennten Zwischenbau auszulagern. Auf einer Fläche von insgesamt 800 Quadratmetern waren dort nicht nur der Kontrollbereich mit angegliedertem Foyer und dem Bürgerservice als zentraler Anlaufstelle, sondern vor allem auch fünf modern ausgestattete Gerichtssäle mit Wartebereichen und Nebenräumen sowie eine große Registratur unterzubringen.
Das europaweite Auswahlverfahren über die Gebäudeplanung konnten Löhle Neubauer Architekten aus Augsburg mit ihrem Lösungsvorschlag für sich entscheiden. Der von ihnen entworfene Zwischenbau tritt auf der westlichen Eingangsseite nur erdgeschossig in Erscheinung und ordnet sich gegenüber dem mehrgeschossigen, denkmalgeschützten Bestand durch seine niedrigere Höhenentwicklung und seine zurückversetzte Glasfront unter.
Gleichzeitig bildet er eine gut auffindbare, identitätsstiftende Adresse und stellt einen zentralen Orientierungspunkt im Ensemble dar. Seitlich nimmt er die vorhandenen Gebäudefluchten auf und entwickelt sich nach Osten in die Tiefe des Baugrundstücks. Da dieses spürbar zum Jordanpark hin abfällt, war es möglich, hier über halbgeschossig versetzte Ebenen zwei Stockwerke in Split-Level-Bauweise auszubilden. Dies führt zu einem polygonal ausgeprägten Baukörper mit skulpturaler Außenwirkung.
Die dort angeordneten Gerichtssäle orientieren sich mit ihren großen Fensterfronten zur Parkanlage hin. Nach erfolgtem Abbruch des Eisstadions ist der Blick ins Grüne inzwischen auch ganz ohne Einschränkungen erlebbar.
Der neue Zwischenbau zeichnet sich sowohl außen als auch innen durch eine sehr zurückhaltende, zeitlose Formen- und Materialsprache aus und setzt sich damit bewusst vom historischen Bestand ab, ohne zu diesem in Konkurrenz zu treten. Großformatige, anthrazitfarbene Aluminiumpaneele, deren Fugenbild durch horizontal angeordnete, in unregelmäßigen Abständen gesetzte Noppen überspielt wird, bilden die monolithisch wirkende Außenfassade.
Im Innern herrschen Wandflächen aus Sichtbeton sowie dunkel gehaltene Decken- und Wandbekleidungen vor, von denen sich die hellen Terrazzoböden kontrastreich absetzen.
Zeitlose Materialsprache
Die minimalistische Anmutung und die gestalterische Disziplin, die die Innenräume auszeichnen, sind sofort beim Betreten des Gebäudes mit allen Sinnen erfahrbar. Durch ihre konsequente Haltung und ihre präzise Planung ist es den Architekten gelungen, in den neuen Räumen eine ruhige, konzentrierte und fast schon kontemplative Atmosphäre zu fördern, die sich nach den Feststellungen des Gerichtsdirektors nicht selten auch positiv auf die Führung von Gerichtsprozessen und Mediationsverfahren auswirkt.
Auch aus diesem Grund wurde der Bau mit dem 2024 zum zweiten Mal verliehenen Architekturpreis des Bezirks Schwaben ausgezeichnet. In ihrer Hoffnung bestätigt sehen kann sich damit auch die ehemalige Justizministerin Beate Merk, die noch im Januar 2013 an das Amtsgericht schrieb: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir Wege finden werden, wie die Sicherheit, die räumliche Situation und das allgemeine Erscheinungsbild des Amtsgerichts Kaufbeuren mittelfristig weiter verbessert werden können.“ (Thomas Kieschke)
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