Neumarkt liegt mit seinem gleichnamigen Landkreis im südwestlichen Zipfel der Oberpfalz und grenzt dort an Franken und Oberbayern. Der ausführliche Stadtname lautet Neumarkt i. d. OPf. Sie war Residenz- sowie Garnisonsstadt und ist eine mittelalterliche Stadt, mit einem städtischen Kern, der ehemals von einer Stadtmauer umgeben war und drei Stadttore beinhaltete. Allerdings wurde sie gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Schutt und Asche gelegt. Der getreu ihrem ehemaligen Aussehen nach gestaltete Wiederaufbau verleiht der Stadt wieder souverän den mittelalterlichen Charakter. Darüber hinaus bewahrt die gelungene Nachkriegsarchitektur der Stadt das historische Gesicht.
Vor allem steht da die spätgotische Kirche St. Johannes mit ihrem 72 Meter hohen Turm, 2015 zum Münster erhoben. Und unmittelbar daneben das Rathaus, mit einem markanten, zu jener Zeit für diese Region üblichen Treppengiebel. Schlichter als zuvor wurde es vom visionären Wiederaufbauarchitekten Hanns Meier gestaltet und steht historisch und sinnbildlich für das Wahrzeichen der Stadt, erzählt Stadtführerin Claudia Radtke. Es war die Zeit, als aus Fassaden wieder Häuser wurden.
Schuld- und Pulverturm
Die geradlinige Hauptstraße der Altstadt teilt sich in Obere und Untere Marktstraße auf, die jeweils zu den früheren Stadttoren führen. Beide Tore wurden 1945 zerbombt und gesprengt, weil die Befreier mit ihrem schweren militärischen Gerät nicht durchkamen. Das Obere Stadttor wurde abgetragen, um einen größeren Durchgang vom Bahnhof in die Altstadt zu schaffen. Das Untere dagegen, auch Nürnberger Tor genannt, wurde wieder aufgebaut und vollendet seit 1990 den mittelalterlichen Charakter zusammen mit den umliegenden (Bürger-)Häusern mit ihren farbenfrohen Fassaden.
Und unweit davon steht auch der stark kriegsbeschädigte, aber zeitgetreu erhaltene Schuldturm, der zeitweilig als Stadtgefängnis diente. Diametral gegenüber erhebt sich ansehnlich der Pulverturm aus einer verbliebenen Restmauer aus dem 13. Jahrhundert.
Neumarkts ältestes Bürgerhaus ist das nach seinem letzten Besitzer benannte Schreiberhaus. Das Fachwerkhaus aus dem Jahr 1430 mit gotischen Wurzeln hatte jedoch in der Renaissance und im Spätbarock umfassende Umbauten und Veränderungen erfahren und blieb von Bomben verschont. Die umfassende Sanierung und Restaurierung seitens des Architekturbüros Kühnlein zeugt von einem qualitätsvollen Denkmalschutz. Groß war die Sensation, als in einem verschütteten Keller auch noch eine Mikwe, ein jüdisches Ritualbad, entdeckt und freigelegt wurde. Und wie Uralt und neuzeitliche Moderne Hand in Hand gehen können, zeigt gleich nebenan das neue Stadtarchiv.
Zwischen Rathaus und Münster zieht übrigens auch noch der in neugotischem Stil gehaltene Brunnen die Blicke auf sich. Seine Brunnenfigur verkörpert den heiligen Georg, der als Drachentöter in die christliche Geschichte einging. Auf der anderen Seite des Rathauses ziert der Pfalzgraf-Johann-Brunnen die Straßenzeile. Und vor dem Rathaus ist es die von Lothar Fischer installierte Brunnenanlage „Büsten als Vierergruppe“, was allerdings zusammen mit der Skulptur „Stehende als Dreiergruppe“ schon in die Kategorie der modernen Kunst eingestuft wird, wie andere Brunnen auch, die über das Stadtgebiet verteilt sind und das Stadtbild aufwerten.
Idyllisch ist der alte, 1846 erstellte Ludwig-Donau-Main-Kanal zu betrachten. Er liegt unweit der Altstadt noch auf Stadtgebiet und ist mit seinen naturbelassenen Kanalufern ein Eldorado für Radfahrende, ungestört von motorisiertem Verkehr. Und genau an diesen alten Kanal grenzt eine der grünen Lungen Neumarkts. Vor einem Vierteljahrhundert fand hier die Landesgartenschau statt. Heute befindet sich dort ein Park mit See und Spazierwegen sowie einer Klein-Arena für sommerliche Konzerte und dem See Café in modernem architektonischem Look.
Eine weitere Grünanlage der Stadt ist der schön angelegte Schlosspark mit dem Bach und Schlossweiher. Beide waren einst Teil der Gartenanlage des angrenzenden Pfalzgrafenschlosses. Darüber hinaus ist Neumarkt bekannt für seine Kunst im öffentlichen Raum. Großflächig über das Stadtgebiet verteilt trifft man auf Skulpturen namhafter Künstler. Viele von Lothar Fischer, aber auch sein Lehrer Heinrich Kirchner ist vertreten.
Fischer, einer der wichtigsten deutschen Bildhauer der Nachkriegszeit, ist ein „Sohn der Stadt“, hat er doch hier seine Kindheit und Jugendzeit verbracht. Und genau hier am Schlosssee entstand moderne Architektur, die seiner Person und dem einheimischen Architekten Johannes Berschneider zu verdanken ist, das Museum Lothar Fischer. Die Lichtführung und die Sichtachsen in den Park und den See artikulieren die bemerkenswerte Architektur des Museums. Offen, mit klaren Linien und einer Transparenz, die viel Tageslicht ins Innere lässt.
Noch zu Lebzeiten entschied der Künstler, über die von ihm gegründete Stiftung hier in Neumarkt sein gleichnamiges Museum errichten zu lassen. In dessen Inneren lässt die Ästhetik glatter Wände eine hohe Geltungsatmosphäre der Ausstellungsräume für die Exponate. „Dem Künstler war wichtig, dass seine Arbeiten so präsentiert werden, um beim Betrachter eine optimale Wirkung zu erzeugen. Also dunkle Plastiken sollen vor dunklem Hintergrund stehen und helle Plastiken vor hellem Hintergrund“, sagt Edith Viezens-Kleinert. „Mit Mitgefühl und viel Können ist Berschneider gern darauf eingegangen. Sie haben gut zusammengearbeitet“, ergänzt die Museumsführerin. Leider hat Fischer die Eröffnung seines Museums nicht mehr erlebt, vier Tage davor verstarb er.
Schlosssee mit Schlossbad
Am anderen Ende des Schlosssees erhebt sich Neumarkts neueste Freizeitattraktion: Das neue Schlossbad besticht durch sehenswerte, moderne Architektur und bereitet allen Wasserbegeisterten großflächig und ganzjährig Bade- und Saunaspaß.
Geht man durch das dritte Stadttor, das Klostertor, zurück in die Altstadt, gelangt man zum Residenzplatz mit dem Schloss und dem Brunnenkunstwerk „Drei Reiter“ – früher ziemlich umstritten wegen der Ähnlichkeit der Pferde mit Kanonen, heute nicht mehr wegzudenken –, ebenfalls von Lothar Fischer.
Mit dem Pfalzgrafenschloss wurde Neumarkt im 15. Jahrhundert zur Residenzstadt. Pfalzgraf Johann ließ es in gotischem Stil erbauen. Nach einem Brand errichtete Pfalzgraf Wilhelm II. rund 100 Jahre später den heutigen Renaissancebau, der zusammen mit dem Bau des Zeughauses und der Hofkirche das repräsentative Zentrum der Residenz definierte.
Auch der Reitstadel ist ein Gebäude mit wechselhafter Geschichte. Rund 35 Jahre nach der Kriegszerstörung wurde es als kulturelles Zentrum neu erbaut: mit Ausstellungsräumen und einem außergewöhnlichen Konzertsaal mit herausragender Akustik.
Ein weiterer Bau, der 2018 mit dem Bayerischen Architekturpreis ausgezeichnet wurde, ist das Maybach-Museum, entworfen von Johannes Berschneider. Die frühere Fahrradfabrik Express hat er umfunktioniert und neu gestaltet. Moderne Ausstellungsräume präsentieren historische Motoren und Luxusautos, die Geschichte und die Schöpfungen der Brüder Karl und Wilhelm Maybach. Zusätzlich wird in einem Ausstellungsraum des einstigen Fabrikgebäudes, wo von 1884 bis 1959 75 Jahre lang Zweiräder gefertigt wurden, natürlich auch dem Pionier der deutschen Fahrradindustrie mit historischen Exponaten gedacht.
Und vor den Toren der Stadt – gegenüber dem Nürnberger Tor – ist das Stadtquartier „Neuer Markt“ entstanden. Die ehemalige Brache der Altstadt, wo der gesamte Schutt der Kriegszerstörung gesammelt wurde, wurde nach jahrzehntelangem Stillstand durch neue Bauten zu einer zentralen Stelle im Stadtbild. Ein modernes Großgebäude verbindet optisch scheinbar „Einzelhäuser“ unterschiedlicher Höhe und Farbe zu einer hochwertigen Straßenfassade. Mit diesem adäquat-ästhetischen Aussehen strahlt die großflächige Mall einen nahezu großstädtischen Charakter aus. Innen schufen die Bögl Gierer Architekten mit Galerien und Lichtachsen ein helles, großzügiges Ambiente.
Unbedingt erwähnenswert sind noch zwei Sehenswürdigkeiten, die schon von Weitem sichtbar sind. Auf einem Felssporn über der Stadt erhebt sich die Burgruine Wolfstein, ein gepflegter Schauplatz früherer Geschichte mit Zugangssteg über den Burggraben und einem begehbaren Turm. Und auf einer anderen Anhöhe steht die Wallfahrtskirche Maria Hilf. Ein zertifizierter Rundwanderweg verbindet beide und führt durch die stadtnahe Naturlandschaft des Oberpfälzer Jura.
> Nikolaus Sieber
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