Bauen

Josef Poxleitner, Leiter der Obersten Baubehörde. (Foto: OBB)

20.07.2012

"Möglichst breite Akzeptanz"

OBB-Kolumne: Josef Poxleitner über "Infrastruktur in der Landschaft - eine zentrale Aufgabe neu belebt"

Energiewende, Stuttgart 21, Neubau der A 94. Energie- und Infrastrukturprojekte sind Themen, die einen Dauerplatz in den Medien haben und uns bewegen.
Technik und Bauten sind seit der Sesshaftwerdung der Menschen Bestandteile unserer Landschaft und wurden nicht selten zu Baudenkmälern und Landmarken. Und dennoch werden Infrastrukturmaßnahmen zunehmend von vielen Menschen als störend empfunden. Was hat sich geändert? Was in der Gestaltung, was im Planungsprozess? Und was machen andere Staaten anders?
Um diesen Fragen nachzugehen, luden der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (bdla) und die Bundesingenieurkammer am 15. und 16. Mai in München zu einem zweitägigen Zukunftskongress „Infrastruktur in der Landschaft“ ein. Namhafte Referenten aus Lehre, Verwaltung und Praxis zeigten anhand von Beispielen, wo die Baukultur steht und welchen Zukunftsaufgaben wir uns stellen müssen.

Interdisziplinär arbeiten


In folgenden Aussagen sind sich alle einig: die alltäglichen Infrastruktureinrichtungen bilden unsere Lebenswirklichkeit. Und wir haben die Wahl, ob sich Fahrradstellplätze, Müllhäuschen, Unterführungen und letztlich Plätze, Straßen und öffentliche Gebäude in all ihrer Funktionalität auch „schön“ oder rein technisch darstellen. Und dabei muss schön nicht automatisch teuer sein.
Die heute oft gelebte Planungskultur mit dem Ziel vorgeschriebene Standards, die in einer Vielzahl von Gesetzen, DIN-Normen und Vorschriften verankert sind, separat in den einzelnen Fachdisziplinen abzuarbeiten, lässt oft das große Ganze, das gestalterische Gesamtkonzept vermissen. Deshalb gilt es interdisziplinär die Planungsaufgabe zu bearbeiten, das heißt Grenzen abzustecken, Spielräume auszuschöpfen und die Belange gegenseitig abzuwägen. Die Planung erfährt dadurch eine Angemessenheit, die sie nachvollziehbar macht und so die Basis für eine möglichst breite Akzeptanz ist. Der Kongress zeigte, dass in manch anderen Staaten schon heute Fachplaner von Anfang an interdisziplinär zusammenarbeiten. Gerade die Landschaftsplanung wird dadurch nicht reduziert auf eine Profession der Garnierung und der Vermeidung von Eingriffen.

Modellhafte Lösungen


Dieser Verantwortung ist sich die Bayerische Staatsbauverwaltung bewusst und hat in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass nur durch Offenheit gegenüber den individuellen Fragestellungen eines Projekts Baukultur entstehen kann. Beispiele dafür sind der Aubinger Tunnel des Münchener Autobahnrings A 99, die Talbrücke Enzenstetten an der A 7 und das Dialogverfahren zum Ausbau der A 8 zwischen Rosenheim und der Landesgrenze. Um diese mosaikartigen und punktuellen Ansätze von Bau- und Planungskultur weiter voranzutreiben, zielen die aktuellen Initiativen darauf ab, Planungsgrundlagen zu schaffen sowie Handlungsspielräume und modellhafte Lösungsansätze aufzuzeigen.
Geplant ist eine Beispielsammlung gelungener Projekte aus der Freiraum- und Landschaftsplanung, die Entwicklung von Leitbildern für die Kulturlandschaftsräume Bayerns zusammen mit dem Bayerischen Landesamt für Umweltschutz und die Durchführung eines interdisziplinären Wettbewerbs zur Gestaltung der Tank- und Rastanlage „Lange Berge“ an der A 73.
Am Ende des Kongresses wurde die „Gemeinsame Erklärung“, eine freiwillige Verpflichtung aller maßgeblichen Ingenieur- und Architektenverbände und Institutionen, verabschiedet. Sie bringt das Selbst- und Planungsverständnis aller mit Planung Beschäftigten zum Ausdruck:
– Baukultur basiert auf den Säulen der Nachhaltigkeit.
– Baukultur ist Lebensqualität.
– Baukultur ist Planungskultur im Sinne von Bürgerbeteiligung.
– Planer sind sich ihrer wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen, kulturellen und ästhetischen Verantwortung bewusst.
– Die öffentliche Verwaltung hat eine wesentliche Verantwortung bei der aktiven Förderung der Baukultur.
– Planung erfolgt von Anfang an in einem interdisziplinären Team zwischen Ingenieuren und Landschaftsarchitekten.
– Zur Umsetzung von Großprojekten müssen die Rahmenbedingungen materiell verbessert und effektiv genutzt werden.
– Ein integriertes technisches und landschaftsplanerisches Gesamtkonzept soll Bestandteil der Planungen zu allen Verwaltungsverfahren sein und bereits in den ersten Planungsphasen erstellt werden.
– Gute Gestaltung und frühe Bürgerbeteiligung ist Vorraussetzung für Akzeptanz von Infrastrukturmaßnahmen.
Das „Ja“ der Obersten Baubehörde und des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur Baukultur im Zusammenhang mit Infrastruktur in der Landschaft drückt sich in der Förderung des Kongresses aus. In seinem Schlusswort forderte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, dass „technische Aspekte, Kosten und Machbarkeit und die gute Gestaltung in Stadt und Landschaft Hand in Hand gehen müssen“.

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