Bauen

Der 1. Bauabschnitt im Rahmen der Sanierung und Erweiterung des Gymnasium Roth ist abgeschlossen. (Foto: Landratsamt Roth)

31.05.2024

Neuerfindung eines Schulbaus aus den 1960er-Jahren

Sanierung und Erweiterung des Gymnasium Roth: Der erste Bauabschnitt ist fertig

Sanierung oder Neubau? Das war schon seit langer Zeit die oft gestellte Frage mit Blick auf das Gymnasium in Roth (Mittelfranken). Dass die beiden Ursprungsbauten Haus 1 und 2 Sanierungsbedarf hatten, war bekannt. Als typische Waschbetonbauten in den späten 1960er-Jahren entstanden, sah man in allen Klassenräumen und Aufenthaltsbereichen die Spuren der langen Lebenszeit. Aber wie sollte dieses alte Gemäuer zu einem modernen und attraktiven Schulbau umgewandelt werden?

Der Landkreis Roth hatte als Sachaufwandsträger eine längere Erfahrung mit Schulsanierungen. Neben einer Förderschule und zwei Realschulen gab es bei den Gymnasien schon vorher eine Neugründung (Gymnasium Wendelstein 2010 bis 2012) sowie eine Sanierung durch Ersatzneubauten (Gymnasium Hilpoltstein 2014 bis 2018).

Würde also auch die Sanierung des Gymnasium Roth ein Neubau werden oder sprach etwas für eine Bestandssanierung? Die Entscheidung fiel zunächst nicht auf der rein bautechnischen Ebene, sondern durch eine vorgeschaltete und mit Geduld geführte Diskussion der Schulfamilie über die Frage, wie denn der zukünftige Schulraum pädagogisch geprägt sein soll.

In der Planungsphase 0 begleitete das Büro Lernlandschaft die Entstehung eines Pädagogischen Raumfunktionsbuchs, in das philosophische Fragen zur Persönlichkeitsbildung der Schüler bis zu den technischen Anforderungen der Fachraumklassen einflossen.

Wichtiger und konstruktiver Unterstützer des Prozesses war die Regierung von Mittelfranken, die bei der Findung des förderfähigen Raumprogramms die vom Kultusministerium neu entwickelten Flächenbandbreiten kreativ einbrachte.

Schnell war klar, dass die Bestandsflächen der beiden zu sanierenden Gebäude für die neue Schulraumidee nicht ausreichen würden. Neben den bestehenden Klassenräumen und einer zu kleinen Aula waren zukünftig vielfältige Lernlandschaften für gemeinsames und individuelles Lernen gefragt. Lernen sollte immer und überall stattfinden können, wo es eine Verbindung zum Internet gibt. In einer Arbeitskreissitzung entstand dafür plötzlich ein ganz neuer Begriff: CO-Learning.

Lernen in der schulischen Gemeinschaft mit ganz unterschiedlichen Raumtypen von klein bis groß, leise bis laut, ruhig bis bewegt, zurückgezogen bis kommunikativ und nicht nur im Gebäude, sondern auch in Freibereichen.
Diese Raumwünsche bedeuteten zusätzliche anders geprägte Flächenansprüche. War dies schon die Entscheidung für einen Abbruch und einen vergrößerten Ersatzneubau? Mit dieser Frage begannen nach der abgeschlossenen Phase 0 die Planungsphasen durch das Architekturbüro Balda aus Fürstenfeldbruck, das sich in einem Vergabeverfahren durchsetzen konnte.

Mehrere Entwurfsalternativen wurden geprüft und auch wieder verworfen. Mit jedem weiteren Planungsschritt zeigte sich immer mehr, dass die einhüftige Flurschule der Sechzigerjahre doch gar nicht so unzeitgemäß gebaut wurde.

Die große Chance für den Erhalt der beiden Bestandsgebäude lag in ihren Atrium-Grundrissen. Im BA 1 ein großer Lichthof, der noch bauliche Reserven bot. Das war die Chance für den Erhalt und damit die aus ökologischen Gründen gewünschte Nutzung der „grauen Energie“.

Heller,
begrünter Innenhof

In diesem hellen und begrünten Innenhof konnten an alle Erschließungsflure die gewünschten Lernlandschaften angebaut werden. Auch die im Bestand zu kleine Aula konnte durch einen ausgelagerten Windfang so erweitert und gerettet werden.

Ein vom Architekturbüro Balda gefertigtes Massenmodell und erste Visualisierungen überzeugten die Schulfamilie und auch die politischen Gremien.

Am 14. Dezember 2018 entschied sich der Rother Kreistag einstimmig für das Konzept der Bestandssanierung mit Erweiterungsbauten. Eine große Hürde waren die geschätzten Gesamtkosten von 42 Millionen Euro, die in ihrer Höhe fast den kalkulatorischen Neubaukosten entsprachen. Ein hoher Wert für rund 5600 Quadratmeter zu sanierende Hauptnutzfläche plus zu erneuernden Außenanlagen. Letztendlich entscheidend war, dass das Sanierungskonzept gegenüber einem Ersatzneubau zu keinen funktionalen Nachteilen führte.

Die Wandlung eines Stahlbetonbaus der 1960er-Jahre zu einem aktuellen energetisch optimierten Holz-Betonbau stellte das Planungsteam vor große Herausforderungen. Aus energetischer Sicht sowie Aspekten der Raumluftqualität wurde eine dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung erforderlich.

Verzögerung durch
Corona und Ukraine-Krieg

Das HLS und Elektroplanungsteam INTI PLAN aus Waldkirchen forderte für eine zeitgemäße technische Gebäudeausrüstung neue Installationstrassen und Installationsquerschnitte. Diese Anforderungen mussten vom Büro Trag-raum aus Nürnberg bei Erhalt des statischen Gerüsts bewältigt werden.

Für die Planungs- und Bauphase stellte die Corona-Pandemie zusätzliche Aufgaben. Das traditionelle Planungsgespräch musste nun über Videokonferenzen erfolgen. Bei umfangreichem Abstimmungsbedarf von Gewerkeschnittstellen und Details wie Wanddurchbrüchen eine neue Herausforderung. Dass es trotzdem gelang, lag an der Ambition des gesamten Planungsteams, hier einen besonderen Schulraum entstehen zu lassen. Eine erneute Herausforderung stellte die andauernde Pandemie für die Bauausführung dar. Die Baustelle geriet in Verzug, was sich mit Beginn der Ukraine-Krise weiter fortsetzte. Erstmals in der langjährigen Berufserfahrung des gesamten Planungs- und Bauteams war die Verfügbarkeit von Baustoffen eingeschränkt.

Anders als geplant wurde der im September 2020 begonnene erste Bauabschnitt nicht im Sommer 2022 bezugsfertig sondern erst im April 2024.

Am ersten Schultag stürmten die Schülerinnen und Schüler aus ihren Interimsgebäuden in ihr neues Schulhaus. Schon nach kurzer Zeit waren die vielfältigen Sitzmöbel der Lernlandschaften, das Schülercafe sowie die Terrassen im Atrium belegt.

Vor und in den Klassenräumen sah man konzentriert lernende Schüler. Die Idee des Co-Learnings scheint von den Schülern im sanierten ersten Bauabschnitt des Gymnasiums Roth also übernommen zu werden.

Gleich nach Inbetriebnahme des ersten Bauabschnitts begann Anfang Mai 2024 die Baustelleneinrichtung für den zweiten Bauabschnitt. Wenn alles gut geht, wird dann im Sommer 2026 die zukünftige Unterstufe in ihre sanierte Schule einziehen. (Ralph Möllenkamp)

 

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