Bauen

Klaus-Jürgen Edelhäuser. (Foto: Tobias Hase)

15.05.2023

Ressource Baubestand mehr berücksichtigen

Kammer-Kolumne: Klaus-Jürgen Edelhäuser über "Sich dem Abriss entgegenstellen"

Gebäude sind in der Regel so konzipiert, dass sie möglichst exakt unseren Anforderungen und Bedürfnissen folgen. In der Vergangenheit erschien es in diesem Zusammenhang oft als bequem, dies in Form von Neubauten zu verwirklichen. Bestehende Immobilien wurden dann nicht oder nicht weiter genutzt. Als Folge davon sind heute zahlreiche kleinere Städte und Gemeinden vom Leerstand im Ortskern bei gleichzeitiger Zersiedelung im Außenbereich geprägt. Ausnahmen stellen in diesem Zusammenhang lediglich die Ballungszentren mit hochpreisigen Baugrundstücken dar.

Dem „Bauen im Bestand“ wurden auch häufig, zum Beispiel beim Brandschutz oder auch beim Tragwerk, unkalkulierbare Risiken unterstellt und eine Planungs- und Kostensicherheit galt häufig als nicht machbar. Oft war es bei Bestandsgebäuden dann auch einfacher, diese abzureißen und durch einen Neubau, angepasst an die individuellen Bedürfnisse, zu ersetzen.

Dieser Trend hat erfreulicherweise eine Wende erfahren. Inzwischen werden zunehmend Wege gesucht, den Bestand weiter zu verwenden. Das „Bauen im Bestand“, das von vielen Fachleuten schon länger als das „neue Bauen“ bezeichnet wird, erfährt ein Stück weit auch durch den Gesetzgeber mehr und mehr Unterstützung. Im Rahmen der Effizienzhausprogramme wurden beispielsweise weitgehend die Segmente aufrechterhalten, durch die eine energetische Modernisierung des Bestands unterstützt wird – letztendlich um die Sanierungsquote zu verbessern. Schlussendlich sieht sogar die jüngste Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), bei der energetischen Modernisierung von Bestandsgebäuden noch gewisse, wenn auch spärliche, Hebel vor, um im Bereich der Gebäudetechnik etwas flexibler bleiben zu können.

Die Vorteile des „Bauen im Bestand“ sind sehr vielfältig: Werden bestehende Immobilien weiter- und gegebenenfalls umgenutzt, wird die Substanz weiterverwendet und muss nicht neu hergestellt werden. Selbst wenn ein Rückbau bis auf den Rohbau stattfindet, können Emissionen für die Herstellung eines neuen Rohbaus vermieden werden. Gerade im Hinblick darauf, dass im Gebäudesektor etwa ein Viertel der Emissionen mit der Herstellung der Bauprodukte einhergehen, trägt die Weiterverwendung von Gebäuden oder Teilen davon also ganz massiv zur Reduktion der CO2-Emissionen bei.

Bei allen Diskussionen die Energieeffizienz von Gebäuden betreffend muss die Ressource Baubestand vor diesem Hintergrund noch mehr berücksichtigt werden. Gerade die in diesen Gebäuden gebundene „Graue Energie“ muss noch mehr ins Bewusstsein gelangen. Sie muss auch in den Nachhaltigkeitsbewertungen mehr berücksichtigt werden, was bislang noch nicht der Fall ist.

Ein weiterer Aspekt, der als großer Vorteil des „Bauen im Bestand“ zu sehen ist, besteht in der Vermeidung neuer Flächenversiegelungen. Dies betrifft nicht nur die Gebäude an sich, sondern auch Flächen für die notwendige Infrastruktur, die beim „Bauen im Bestand“ bereits existiert.

Eine Herausforderung für Planerinnen und Planer sowie auch für Ausführende stellen häufig bauordnungsrechtliche und normative Vorgaben dar, die eher auf den Neubau ausgerichtet sind und nicht so leicht auf das Bauen im Bestand übertragen werden können. Bereits vor zwei Jahren hat sich deswegen die Initiative „Architects for Future“ auf Bundesebene dafür stark gemacht, eine „Umbauordnung“ auf den Weg zu bringen, mit der das „Bauen im Bestand“ erleichtert werden könnte. Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau war schon damals überzeugt davon, dass diese Idee gefördert werden müsste und hat diese Kampagne von Beginn an unterstützt.

Es ist unsere Aufgabe, als Ingenieure das Potenzial der Bestandsbauten entsprechend herauszuarbeiten und sich dem Abriss entgegenzustellen. Wir sind in der Lage, bestehende Konstruktionen zu bewerten und wir finden die Lösungen, wie bestehende Konstruktionen entsprechend verbessert und ertüchtigt werden können, damit ein bestehendes Gebäude weiter genutzt werden kann. 
 

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