Bauen

David Meuer, Vorstandsmitglied der Bayerischen Architektenkammer. (Foto: Norman Pretschner)

31.03.2025

"Serielles, modulares, systemisches Bauen - immer mit Architekten"

Kolumne der Bayerischen Architektenkammer von David Meuer

Unsere Gesellschaft steht aktuell vor vielen großen Herausforderungen. Eine nicht ganz unbedeutende ist sicher, dass nicht genügend Wohnungen gebaut werden und Infrastrukturprojekte zu lange dauern. Als ein „Gamechanger“ wird in diesem Zusammenhang oft und gerne das „serielle, modulare und systemische Bauen“ (smsB) ins Spiel gebracht. Aber ist das richtig, und wenn ja, warum?

Serielle, modulare und systemische Bauweisen sind grundsätzlich solche, bei denen großteilige Wand-, Decken-, Boden-, Dach- und Fassadenelemente oder raumbildende Module bzw. Raumzellen werkseitig vorgefertigt und auf der Baustelle zusammengefügt oder montiert werden.

So einfach diese Definition daher kommt, so innovativ ist sie doch, weil die Entscheidung, seriell/modular/systemisch zu bauen, den Planungs- und Bauprozess massiv beeinflussen kann. Auch wenn serielles/modulares/systemisches Bauen sicher nicht für jede Bauaufgabe geeignet ist, kann smsB im Vergleich zu konventionellen Planungs- und Bauprozessen durchaus einige positive Lösungsansätze für bekannte Herausforderungen bieten.

Fachkräftemangel am Bau

Das serielle, modulare und systemische Bauen verlagert viele handwerkliche Tätigkeiten von der Baustelle in eine Werkshalle und verbessert so die Arbeitsbedingungen der Tätigen und verringert die Wetteranfälligkeit des Bauablaufs enorm: Wind, Niederschlag, Kälte, Hitze usw. beeinträchtigen die Handwerker nicht bei ihrer Arbeit und auch Pausenunterkünfte und Sanitäreinrichtungen sind viel attraktiver als auf der Baustelle. Das erhöht die Anziehungskraft des Handwerks auch als Ausbildungsberuf. Und wir brauchen weiterhin viele Handwerker, um unsere Bauaufgaben umsetzen zu können.

Fachkräftemangel bei freien Architekten und Ingenieuren

Die Werkplanung und die Objektüberwachung inkl. Koordination der ausführenden Gewerke werden nach sorgfältiger Projektvorbereitung durch Architekten und Fachplaner an den mit der schlüsselfertigen Erstellung des Gebäudes beauftragten Totalunternehmer (TU) übertragen. Die vom Auftraggeber direkt beauftragten Architekten und Ingenieure sorgen im Vorfeld für die Klärung des Baurechts und des prinzipiellen Gebäudeentwurfs. Sie bereiten die Vergabe der Unternehmerleistungen vor, begleiten den Vergabeprozess und werden mit der unabhängigen Qualitätssicherung der Leistung des TU beauftragt. Sie überwachen für den Bauherrn die Ausführung des Objektes auf Übereinstimmung mit den vertraglich vereinbarten Eigenschaften und Qualitäten, haben dadurch aber insgesamt weniger Aufwand. Dafür bekommen sie zwar etwas geringere Honorare, haben aber auch mehr freie Kapazitäten, um mehr der so dringend benötigten Bauprojekte voranzutreiben.

Fachkräftemangel in der öffentlichen Verwaltung

Der TU wird mit der schlüsselfertigen Erstellung eines Projektes zu einem Pauschalpreis mit fixem Endtermin beauftragt. Damit muss die Verwaltung des Auftraggebers auf Basis der vorbereitenden Leistungen des Architekten nur eine Ausschreibung statt - wie bei Einzelgewerksausschreibungen üblich - viele solcher Verfahren durchführen. Es sind auch nur wenige Abschlagsrechnungen mit einfach zu prüfendem Zahlungsplan statt sehr vieler Abschlagsrechnungen mit aufwändiger Massenprüfung zu bearbeiten. Das entlastet die Verwaltung und ermöglicht die Betreuung von mehr Bauvorhaben mit gleichem Personal.

Optimierter Materialeinsatz und Transport

Viele Arbeiten werden im Zuge der Vorfertigung im Werk ausgeführt. Dadurch kann das zu verarbeitende Material effizienter eingesetzt werden. Auch fallen bei optimierter Logistik weniger Transportwege an. Vorfertigung verringert Abfall sowohl in der Produktion als auch auf der Baustelle und minimiert den Energieaufwand für den Transport.

Ökologische Bauweise

Aufgrund systemneutraler Planung und Ausschreibung, bei der die Architekten im Vorfeld mit den Auftraggebern die gewünschten Eigenschaften und Qualitäten definieren und festlegen, können die Anbieter ökologische Anforderungen in ihren jeweils individuellen Systemen optimiert einplanen und einsetzen. Hier wird den Unternehmern Raum für Innovationen gelassen. Diese Freiheit wird erfahrungsgemäß gerne genutzt.

Kürzere Baustellenzeiten

Großteilige Wand-, Decken-, Boden-, Dach-, Fassadenelemente oder raumbildende Module bzw. Raumzellen werden werkseitig vorgefertigt und auf der Baustelle zusammengefügt oder montiert. Das verkürzt die tatsächliche Bauzeit vor Ort nachweislich erheblich. Damit werden vor allem die Nachbarn der Baustelle von Baulärm und Einschränkungen im Umfeld der Baustelle entlastet.

Digitalisierung des Bauwesens (BIM)

Mit der Erstellung der Werk- und Montageplanung aller Gewerke durch den TU und seine eigenen Planer in der vom Auftraggeber gemeinsam mit seinem direkt beauftragten Architekten definierten Tiefe und Qualität können abgestimmte digitale Planungen produktspezifisch und für die Herstellung optimiert ohne Systembrüche erstellt werden. Das beschleunigt sowohl digitale als auch analoge Prozesse.

Baukultur

Im Hinblick auf smsB wird auch gerne von der „Platte 2.0“ gesprochen. Das impliziert eine sehr geringe Erwartungshaltung hinsichtlich baukultureller Qualität und Individualität. Diese Gefahr bestünde, wenn gleichförmige, eintönige Billigprodukte einfach übers Land verteilt würden. Mit einer individuellen vorbereitenden Planung und einer den Prozess begleitenden Qualitätssicherung jeder einzelnen Bauaufgabe durch freie Architekten und Ingenieure im direkten Auftrag des Bauherrn kann sichergestellt werden, dass der Bauherr genau das bekommt, was er braucht, und nicht das, was die Anbieter liefern wollen. Zudem gibt es gerade öffentlichen Bauherren mehr Sicherheit im Hinblick auf Termine und Kosten, wenn der Bauauftrag erst vergeben wird, wenn Baurecht geschaffen wurde und die vorbereitende Planung vor der Vergabe der Unternehmerleistungen bereits mit den beteiligten Förderstellen abgestimmt ist.

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