Bauen

Rüstig statt rostig: die eingerüstete Marienbrücke über der Pöllatschlucht. (Foto: Staatliches Bauamt Kempten)

09.09.2016

Sicherheit geht vor

Die sanierte Marienbrücke über die Pöllatschlucht bei Schloss Neuschwanstein ist neu verankert

Den besten Blick auf Schloss Neuschwanstein, das „Märchenschloss“ Ludwigs II., hat man von der Marienbrücke. Diese überspannt spektakulär den fast 90 Meter tiefer liegenden Bachlauf der Pöllat. Bereits in den 1850er Jahren ließ der Vater Ludwigs II., König Maximilian, für seine Gattin Königin Marie, die eine begeisterte Bergwanderin war, eine hölzerne Brücke an gleicher Stelle errichten. Ludwig II. ließ diese Brücke 1866 durch eine formschöne, filigrane Stahlkonstruktion ersetzen. Entworfen wurde die elegante, die Pöllat auf 35 Metern frei überspannende Marienbrücke vom Königlichen Oberbaurat Heinrich Gottfried Gerber, ausgeführt wurde sie durch die Firma „Maschinenbau-Gesellschaft Nürnberg, Klett & Co.“ Die Marienbrücke entwickelte sich zu einem der begehrtesten Aussichtspunkte und Fotostandorte Bayerns – das hinterließ deutliche Spuren der Abnutzung. Des Weiteren war die statische Sicherheit der Brücke durch im Laufe der Jahre eingetretene Felsveränderungen im Bereich der Brückenauflager und damit einhergehende Kräfteeinwirkungen auf die filigrane Stahlkonstruktion nicht mehr gegeben. So entschied Bayerische Schlösserverwaltung in den 1960er Jahren, die Brücke zu ertüchtigen. Die folgenden Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Stahlkonstruktion der originalen Marienbrücke von 1866 statisch nicht modifiziert werden konnte und so entschloss man sich dazu, die Brücke zu demontieren und 1978 durch einen Neubau in gleicher Optik, jedoch mit entsprechend verstärkten Stahlelementen zu ersetzen. Einzig das Geländer der Originalbrücke konnte wiederverwendet werden. Die Horizontalkräfte der „neuen“ Brücke werden seitdem in den beiden ost- und westseitigen Brückenauflagern jeweils über zwei Felsanker aufgenommen. Als zusätzliche statische Sicherung wurden damals vier Felsanker gesetzt, die die Vertikalkräfte der Brücke auf der Westseite aufgrund der dort anzutreffenden geologischen Schwachstellen aufnehmen. Die Anker reichen bis zu 15 Meter in den gewachsenen Fels.

Regelmäßig überprüft

Die Brücke wird seit der Erneuerung 1978 in genau definierten Zeitabständen durch spezialisierte Fachfirmen auf Standsicherheit, Erhaltungszustand, Verkehrssicherheit, Dauerhaftigkeit und Gesamtzustand hin untersucht. Zudem prüft ein Industriedienstleister die Haltekräfte der Felsanker auf deren Standsicherheit. In den vergangenen Jahren zeigten sich vermehrt Probleme hinsichtlich der Korrosion an den Stahlteilen, beginnender Verrottung des Bohlenbelags, Betonabplatzungen an den Widerlagern und Abblättern des Anstrichs. Die intensive Nutzung der Brücke durch die vielen Besucher hatte bereits deutliche Spuren hinterlassen. Vor zwei Jahren entschied die Bayerische Schlösserverwaltung, die Marienbrücke im Rahmen der 2015 anstehenden „Großen Brückenprüfung“ gänzlich sanieren zu lassen. Das Staatliche Bauamt Kempten übernahm die Projektleitung und beauftragte ein auf Brückensicherheit spezialisiertes Ingenieurbüro mit der Schadenserfassung. Basierend auf den hieraus gewonnen Ergebnissen wurde das Sanierungskonzept festgelegt, das dann Grundlage für die Erstellung der daraus resultierenden Leistungsbeschreibungen für die verschiedenen Sanierungsgewerke war. Seit Anfang August des letzten Jahres wurde die nun weiträumig abgesperrte Marienbrücke saniert. Zuerst wurde die gesamte Brücke mit einem Arbeitsgerüst umfasst, von dem aus es möglich war, in dieser schwindelnden Höhe an alle Bereiche der Stahlkonstruktion zu gelangen. Der alte Bohlenbelag wurde entfernt, die Brücken-Widerlager freigelegt und die alten Farbschichten entfernt. Erst dann konnten alle Stahlteile auf ihren Zustand hin genau überprüft und die notwendigen Arbeiten geplant werden. Ebenso wurden wieder die acht vorhandenen Felsanker geprüft.

Vorsorglich ausgetauscht

Hierbei zeigte sich, dass einer der Anker seit der letzten Ankerprüfung 2012 geringfügig an Haltekraft eingebüßt hatte, was zwar noch keine Auswirkungen auf die statische Sicherheit hatte, aber zu der Entscheidung führte, aus Sicherheitsgründen einen zusätzlichen neunten Felsanker zu setzen. An den Stahlteilen der Brücke wurden Reparaturen vorgenommen, vorsorglich manch korrodiertes Element ausgetauscht und dann alle Metallteile wieder neu beschichtet.
Zum Schluss wurde ein neuer Bodenbelag aus massiven Eichenbohlen verlegt und an den Geländern ein filigranes, vom Schloss her nicht wahrnehmbares Metallnetz befestigt, um das Besteigen des Geländers zu verhindern.

Angstzustände vermeiden

In den kommenden Wochen werden noch ein Besucherzählsystem und im Vorfeld der Brücke ein Display installiert, auf welchem angezeigt wird, wie viele Besucher sich momentan auf der Brücke aufhalten und wie viele Personen aktuell die Brücke noch betreten können. Hierbei geht es jedoch weniger um die Tragfähigkeit der Brückenkonstruktion, die von einer möglichen Verkehrslast von 500 Kilogramm je Quadratmeter ausgeht. Das Begehen der nur zwei Meter breiten, in schwindelerregender Höhe gespannten Brücke kann vielmehr bei einem hohen Besucheraufkommen zu einem Unsicherheitsgefühl führen. Um daraus resultierende Angstzustände – gerade auch angesichts der kontinuierlich steigenden Besucherzahlen – zu vermeiden, wird somit die Zahl der Brückenbesucher auf ein psychisch verträgliches Maß beschränkt. Des Weiteren wird ein permanentes System installiert zur Überwachung der in den Felsankern auftretenden Kräfte. Die Gesamtkosten für die technisch anspruchsvolle Maßnahme belaufen sich auf etwa 650.000 Euro. (Heiko Oehme) Abbdildungen:
Neuschwanstein hinter Gittern: Blick von der Marienbrücke während der Brückensanierung. (Foto: Staatliches Bauamt Kempten) Der zusätzlich eingebaute neunte Felsanker. (Foto: Konstruktionsgruppe Bauen AG)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll die tägliche Höchstarbeitszeit flexibilisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.