Bauen

Der Frühstücksraum - im Hintergrund eine Fototapete der Kunsteisbahn. (Foto: Renate Wolf-Götz)

10.03.2025

Symbiose aus Tradition und Moderne

Im Münchner Stadtteil Lehel wurde aus einer ehemaligen Eisfabrik das Unsöld´s Factory Hotel

Im Münchner Stadtteil Lehel hat der gelernte Architekt und Maschinenbauer Felix Unsöld einst seine Eisfabrik eröffnet. Zwei seiner Urenkelinnen haben das Gebäude in der Unsöldstraße 10 inzwischen in ein Hotel umgewandelt, in dem sie das Metier des Gründers, den Handel mit Eis, aufgegriffen und besonders innenarchitektonisch in verschiedenen Farben und Formen zum Ausdruck gebracht haben.

Nach seinem Studium in München hatte sich Felix Unsöld (1852 bis 1931), Sprössling einer Kemptener Brauereifamilie, auf Brauereieinrichtungen in einem Augsburger Unternehmen spezialisiert. Dabei wurde ihm schnell klar: Wenn das Bier auch in den warmen Sommermonaten gekühlt werden kann, steht dem ganzjährigen Genuss nichts im Weg. Mit seinem Plan, ein Unternehmen zu gründen, das Stangeneis und Eisblöcke zur Kühlung von Bier und anderen Lebensmitteln herstellt, machte sich Unsöld 1891 auf nach München.

In der nach ihm benannten Unsöldstraße fand der beherzte Jungunternehmer den passenden Baugrund, der auch die Wasserrechte auf den Stadtmühlbach einschloss, der jenseits der Prinzregentenstraße zum Eisbach wird. Mit der Wasserkraft konnte der Eismacher seine Generatoren nachhaltig antreiben und schon bald Brauereien, die Gastronomie und Privathaushalte mit seinem Stangeneis beliefern.

In kalten Wintermonaten boten die gefrorenen Münchner Gewässer genügend Eis für die Brauereien und Haushalte. Eine Durststrecke für die Eisfabrik. Und eine Herausforderung für Felix Unsöld, die ihn auf die Idee brachte, eine Kunsteisbahn zu errichten. So bekamen die Münchner im Winter 1892/93 die erste künstliche Eisbahn Deutschlands, die schnell zu einem beliebten Treffpunkt wurde.

Komplettumbau

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Dachkonstruktion der Eislaufarena völlig zerstört. Als Open-Air-Version blieb sie dennoch bis 1949 erhalten. Dann dauerte es allerdings nicht mehr lange, bis die elektrisch betriebenen Kühlschränke den Bedarf an natürlichem Stangeneis verdrängt hatten. Zusätzlich wurden immer mehr Bachläufe in der Stadt versiegelt, um für den anwachsenden Autoverkehr Platz zu schaffen. Unsöld musste also seine Wassernutzungsrechte an die Stadt zurückgeben und seine Fabrik schließen.

Nachdem der Gewerbebetrieb dann erst einmal brach lag, entschlossen sich Schwiegertochter und Enkelin des Unternehmers Unsöld, in dieser zentralen Lage, wenige Schritte vom Englischen Garten entfernt, ein Hotel zu eröffnen. Im Hinblick auf das Großereignis der Olympischen Spiele 1972 hatte die nächste Generation damit ein vielversprechendes Geschäftsmodell geschaffen, das sich über fast 50 Jahre als Erfolg erwiesen hatte. Ende 2019 wurden die Pforten geschlossen. Ein Komplettumbau stand an.

Während der Sanierung dachten die Unsöld-Urenkelinnen zunächst über verschiedene Nutzungskonzepte, vom Mehrfamilienwohnhaus über ein Schwestern- und Studentenwohnheim bis hin zum Boardinghaus für Geschäftsreisende nach. Letztendlich entschieden sich die Schwestern Sonja Unsöld und Susanna Lechner dafür, nach der grundlegenden Sanierung des ursprünglichen Gebäudes ein neues Hotel mit dem Namen Unsöld’s Factory Hotel zu eröffnen.

Die sorgfältige Planung übernahm Architekt Dankwart von Scotti, der als Experte für Bestandsbausanierung aus den 1960er-Jahren gilt. Als Bauherrnvertreter stimmte sich Scotti, der sich schon Jahre zuvor mit dem Unsöld-Gebäude befasst hatte, in allen Bauphasen mit den Hochbauarchitekten Heyne & Mayer, dem Fachmann für Innenraumgestaltung Brumann und weiteren Fachleuten bis hin zum Landschaftsarchitekten Salm und der Innenraumgestalterin Hanna Raissle ab. „Über zwei Jahre vor dem eigentlichen Baubeginn haben wir bereits an diversen Umbaukonzepten gearbeitet“, erklärt Sanierungsexperte Scotti.

Letztendlich waren sich unter Federführung der Unsöld-Schwestern alle einig, nicht nur die Gebäudehülle und die technischen Anlagen energetisch zu sanieren. Sonja Unsöld und ihre Schwester wollten auch den gesamten Innenausbau bis hin zum letzten Kopfkissen in den 62 Zimmern selbst planen und das fertige Produkt anschließend schlüsselfertig verpachten.
5 Millionen Euro haben die Unsöld-Erbinnen in die Hand genommen, um das Gebäude in einen zukunftsorientierten Zustand zu verwandeln. Dazu gehörte die energetische Sanierung nach KfW-70-Standard. Damit würden mindestens 30 Prozent weniger Primärenergie verbraucht, als die Energiesparverordnung aktuell für die Sanierung von Bestandsgebäuden vorschreibt. Eine enorme Leistung für ein derart betagtes Bestandshaus, da sind sich die Fachleute einig.

Die nächste Herausforderung war, das Dämmkonzept vorschriftsmäßig umzusetzen. Das erforderte einen Mix aus einer neuen Außenhautdämmung und neuen Fenstern mit schallgedämmten Zuluft-Nachströmelementen sowie ausgeklügelten Innendämmsystemen. Darüber hinaus erwies sich eine neue, effizient arbeitende Fernwärmestation als äußerst vorteilhaft bei den Berechnungen der Energiekosten. Neben der Energieeffizienz wurde auch die gesamte Elektroinstallation an den geforderten Standard angepasst und zum überwiegenden Teil komplett erneuert und durch LED-Technik ersetzt.

Internet im Aufzug

Ebenfalls komplett erneuert wurde die Brandmeldeanlage, denn: „Beim Brandschutz gibt es keinen Bestandschutz“, betont Bauherrnvertreter Scotti. Zeitgemäßen Anforderungen entsprechen nunmehr auch die beiden, generalsanierten Aufzüge. Und das nicht nur aus sicherheitstechnischer Sicht. „Auch in der Aufzugskabine braucht der Gast nicht auf seine Internetverbindung zu verzichten“, so der Architekt.

Überhaupt können sich die Gäste wohlfühlen im Unsöld’s Factory Hotel. Die Rezeption, die mit der Lounge, der stylischen Bar und nicht zuletzt im Frühstücksraum gleichsam eine Einheit bildet, wird von einem modernen Industrial Style geprägt. Passend dazu wurden hier Elemente aus der Geschichte des Hauses platziert und integriert. Der Marmor aus dem einstigen Bestand gehört ebenso dazu wie die alte Decke mit ihrer markanten Struktur, die mit leuchtender Bronzefarbe neu belebt wurde. Der grünblaue Farbton Petrol, der sich durch die Räume, über die Fassaden und Korridore zieht, symbolisiert das Eisbach-Wasser, das unter dem Hotel durchfließt und im nahen Englischen Garten den Surfern eine herausfordernde Welle bietet.

Eine Symbiose aus Tradition und Moderne nimmt an vielen Stellen Bezug auf die eindrucksvolle Geschichte der Familie Unsöld. Petrol ist auch ein wiederkehrendes Element der Kunstwerke, die sich im ganzen Haus wiederfinden. Ebenso das Grün des Verde Alpi Marmors, der 1970 im Innen- und Außenbereich verbaut wurde und die Farbe des Wassers symbolisiert. Die Blau- bis Grautöne, denen eine beruhigende Wirkung nachgesagt wird, setzen mit ihrem abgestimmten Lichtkonzept nicht nur die verwendeten Naturmaterialien Holz, Stahl und Leder angemessen in Szene. Sie sollen auch zur Entspannung der Gäste in den 62 Zimmern unterschiedlicher Kategorien beitragen. Kleine ausgewählte Elemente wie die Wassermotive an der Duschtrennwand greifen hier die Geschichte des Hauses auf, die gewissermaßen in der Fluid Wall in der Lounge kulminieren. Mit ihrem funkelnden Glasperlenspiel hat die Installationskünstlerin Claudia von Funcke gleichsam einen Wasserfall aus Licht geschaffen.

Ein Foto der einstigen Schlittschuhbahn, das über eine ganze Wand im angrenzenden Frühstücksraum reicht, ist eine direkte Reminiszenz an den Gründer und Urgroßvater Felix Unsöld. Kaum verwunderlich, dass Schlittschuhlaufen zu den Lieblingsfreizeitsportarten von Urenkelin Sonja Unsöld gehört. Während einst Unsölds Eisbahn ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland war, ist es heute die Tiefgarage des Unsöld’s Factory Hotels im Lehel, wo es einem Sechser im Lotto gleichkommt, einen Parkplatz zu finden. Einmal mehr hatte die Familie auch dabei den richtigen Riecher. (Renate Wolf-Götz)

 

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