Das Staatliche Bauamt Passau hat mit der Fertigstellung der Ortsumgehung Vilshofen im Zuge der Staatsstraße 2083 ein Straßenbau-Großprojekt abgeschlossen: Am 18. Oktober 2024 wurde die Umgehung für den Verkehr freigegeben. Auf einer Länge von 3,3 Kilometern entstanden acht Ingenieurbauwerke und zwei Kreisverkehre, zudem wurden umfangreiche Maßnahmen für den Natur- und Artenschutz umgesetzt. Berühmtester Bestandteil der Ortsumgehung ist eine Querungshilfe für Kleintiere – besser bekannt als „Haselmausbrücke“. Der Freistaat Bayern investierte rund 43 Millionen Euro in Planung und Bau der Ortsumgehung.
Klageverfahren bremste
Angesichts eines Verkehrsaufkommens von rund 20 000 Fahrzeugen pro Tag wurde bereits seit Jahrzehnten über eine Ortsumgehung für die größte Stadt im Landkreis Passau diskutiert. Im April 2008 wurde das Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Am 15. Juli 2011 erließ die Regierung von Niederbayern den Planfeststellungsbeschluss, 2013 wurde als vorgezogene Maßnahme der „Allinger Kreisverkehr“ am Gewerbegebiet Linda fertiggestellt.
Die weiteren Bauabschnitte verzögerten sich aufgrund eines vom Bund Naturschutz angestrengten Klageverfahrens, das 2015 mit einem Vergleich abgeschlossen wurde. Ein Ergebnis dieses gerichtlichen Vergleichs war auch der Bau der Haselmausbrücke als Voraussetzung dafür, dass die Ortsumgehung Baurecht bekam. Der feierliche Spatenstich für die Maßnahme folgte im Jahr 2017.
Große Herausforderungen bei Planung und Bau der Ortsumgehung brachte die Topographie zwischen Vilstal, Galgenberg und Donau mit sich. Um die Straße in die Landschaft zu integrieren, waren umfangreiche Erdbewegungen und aufwendige Ingenieurbauwerke erforderlich. Der Großteil des Erdaushubs wurde im Trassenverlauf wieder eingebaut. Durch die gezielte Geländemodellierung ließen sich, ganz im Sinne des Natur- und Umweltschutzes, weite Transportfahrten vermeiden.
Insgesamt machte die Topographie zwischen Vilstal und Donau sieben Brückenbauwerke erforderlich. Eine 160 Meter lange Balkenbrücke über das Wolfachtal und dessen Überschwemmungsgebiet ist das längste Bauwerk im Zuge der Umgehung. Die Fünf-Feld-Brücke wurde als vierstegiger Plattenbalken mit Halbfertigteilen und Ortbetonergänzung konzipiert. Die rund 100 Tonnen schweren Plattenbalken wurden einzeln vom Beton-Fertigteilwerk in Vilshofen auf die Baustelle transportiert und mit Schwerlastkränen in die Betonfundamente eingehängt. Die Wolfachtalbrücke wurde im Herbst 2020 fertiggestellt.
Als anspruchsvolle Maßnahme erwies sich der Bau der Brücke über die B 8 und die zweigleisige Bahnverbindung Vilshofen-Passau, die an der Donau in einen Kreisverkehr mündet. Aufgrund des Höhenunterschieds von der Donau zum Galgenberg beträgt die Steigung über 6 Prozent, eine dreistreifige Fahrbahn soll einen möglichst reibungslosen Verkehrsfluss gewährleisten. Gleichzeitig gaben jedoch die beengten Platzverhältnisse einen engen Radius von 130 Metern vor. Die 82 Meter lange und 16,66 Meter breite Vier-Feld-Brücke wurde in Ortbeton errichtet.
Um das Traggerüst samt Schalung über der Bahnstrecke errichten zu können, waren drei nächtliche Sperrpausen erforderlich, die drei Jahre im Voraus mit der Deutschen Bahn abgestimmt worden waren und genau eingehalten werden mussten. Nach der Beto-nage wurde im Herbst 2020 die Schalung abgebaut und der aufgeständerte Überbau auf die Pfeiler und Widerlager abgesenkt. Die tonnenschwere Zentimeterarbeit nahm rund zwei Wochen in Anspruch, anschließend wurden die endgültigen Lager eingebaut und vergossen.
Sieben Brücken
Zu den sieben Brücken zählt auch eine 9 Meter lange Geh- und Radwegunterführung, die zugleich eine wichtige Funktion für den Artenschutz erfüllt: Sie dient als Querungstunnel für Fledermäuse sowie als Wilddurchlass. Eine 4,50 Meter breite Erdüberdeckung bildet eine Verbundstruktur für Kleinsäuger sowie den Schwarzen Grubenlaufkäfer: Dieser vom Aussterben bedrohte, seltene Käfer hat seinen Satellitenlebensraum im Lindadobel.
Am Galgenberg entstand ein weiteres Bauwerk, das modernen Brücken- und Straßenbau mit Natur- und Artenschutzmaßnahmen verbindet: Eine 65 Meter lange Einhausung, die in ihrer Bauweise den Galerien an Alpenpässen ähnelt, dient dem Schutz der Fledermäuse. 5 Meter breite Grünbrücken auf dem Bauwerk verbessern die Vernetzung der Lebensräume und verbinden die Biotopstrukturen am Galgenberg.
Der Naturschutz spielte beim Bau der Ortsumgehung von Beginn an eine große Rolle. Auf über 11 Hektar wurden Ausgleichsflächen geschaffen, Höhlenbäume bieten Unterschlupf für Fledermäuse und Haselmäuse. Durch Verpflanzung und Umsiedlung von Ameisenhaufen wurde Lebensraum für den Wiesenknopf-Ameisenbläuling geschaffen. Im Zuge der Arbeiten entstanden Himmelsweiher- und Zauneidechsenhabitate, an der Donau wurde eine fischökologische Ausgleichsfläche geschaffen.
Entlang der Straßen und Brücken sorgen Überflugschutzzäune dafür, dass Fledermäuse nicht in den Verkehr gelangen. Hinzu kamen Querungsmöglichkeiten für den Schwarzen Grubenlaufkäfer und natürlich die Haselmaus, deren bekannte Brücke als Querungshilfe von vielen Kleintieren genutzt wird. Diese Haselmausbrücke war Ergebnis eines gerichtlichen Vergleichs mit dem Bund Naturschutz.
Die 18,30 Meter lange Stahlkonstruktion, die mit Reisig und Bepflanzung befüllt ist, wurde nach dem Vorbild japanischer Haselmausbrücken errichtet. Die Bilder der angebrachten Wildtierkamera zeigen, dass viele kleine Feld- und Waldbewohner wie Wald- und Spitzmäuse, Eichhörnchen, Zaunkönig oder Buntspechte die Konstruktion als Nistplatz oder bei der Futtersuche rege nutzen. Da sich im laufenden Monitoring bislang keine Spuren der Haselmaus in der Querungshilfe nachweisen ließen, wurde in enger Abstimmung mit dem Bund Naturschutz vom Bau einer ursprünglich geplanten zweiten Querungshilfe abgesehen. Stattdessen wurde ein Konzept für eine knapp 2 Hektar große Fläche entwickelt, die mit Laubgehölzen, Hecken und Totholzbeständen Lebensraum für Haselmäuse und viele weitere Kleintiere bildet. Auch die Einhausung am Galgenberg mit ihren Grünbrücken ist Teil des neuen Haselmauskonzepts. (Sabine Süß)
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