In Deutschland suchen immer mehr Menschen eine bezahlbare Wohnung - insbesondere in Bayern ist die Situation teils dramatisch. Bundesweit fehlen laut einer Studie des Pestel-Instituts aktuell rund 550.000 Wohnungen. Auch die Politik ist sich einig, dass dringender Handlungsbedarf besteht. „Wir haben in den Ballungsräumen wie Berlin, München und Hamburg eine geradezu dramatisch Wohnungsknappheit“, sagt Christian Gräff, Wohnungsbauexperte der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus in einer Sonderveröffentlichung des „Tagesspiegel“. Er betont: „Darin liegt ein gefährlicher sozialer Sprengsatz.“ Caren Lay, Bundestagsabgeordnete der Linken, stimmt ihm zu: „Es ist keineswegs übertrieben, von einer echten Wohnungskrise mit sozialem Sprengsatz zu sprechen.“
Über die Gründe für diese Krise sind sich die Bauxpertinnen und -experten weitgehend einig. So müsse die nächste Bundesregierung dringend das Thema Bürokratieabbau anpacken, betont der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, Felix Pakleppa. „Das heutige Planungsrecht und die langen Genehmigungsverfahren haben sich zu einem echten Investitions- und Modernisierungshemmnis entwickelt.“ Wenn man sich den gesamten Bauprozess anschaue, also vom Beginn der Planung bis zur Fertigstellung, gingen bis zu 85 Prozent des zeitlichen Aufwands für die Planungsphase drauf. Dieser Zustand sei wichtiger als der oftmals beklagte Fachkräftemangel.
Bauverband: Nachhaltiges Bauen kann helfen
Für die Klage der Bauherren, dass die Kosten für das Bau massiv gestiegen seien, zeigt Pakleppa Verständnis. Für diese Entwicklung gebe es mehrere Gründe: steigenden Zinsen und Bodenpreisen, eine hohe Grunderwerbssteuer, die Inflation sowie wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gestiegenen Material- und Energiepreise. Ähnlich sieht das Katarzyna Urbanczyk-Siwek, Geschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg. Dass die Kosten zwischen 2019 und 2024 um 40 Prozent gestiegen seien, habe sich stark auf die Investitionstätigkeit ausgewirkt. Daher liege die prognostizierte Zahl der neugebauten Wohnungen für 2025 anstatt bei den ursprünglich von der geplatzten Ampelregierung angekündigten 400.000 Wohnungen nur bei 225.000 bis 230.000 Einheiten. Auch Berlin bleibe weit unter seinen Zielen, so Urbanczyk-Siwek in der Sonderveröffentlichung des Tagesspiegels.
ZDB-Chef Pakleppa begrüßt es, dass die EU die zuletzt sehr strengen Nachhaltigkeits- und Klimaschutzregelungen ein Stück weit wieder gelockert hat. Allerdings verweist Christine Lemaitre, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) darauf, dass gerade das nachhaltige Bauen durchaus für eine Beschleunigung sorgen könne. Man müsse Nachhaltigkeit von Anfang mitdenken und sich klar machen, für wen man was baue. „Das Thema ist sehr komplex, es reicht nicht zum Beispiel nur zu entscheiden, dass man ein Haus aus Holz baut.“ Doch wer nachhaltig baue, verfolge den Grundsatz der Suffizienz. „Das spart Ressourcen, Zeit und Kosten.“
Doch welche Verantwortung trifft die Bauherren? Viele hätten eine zu hohe Gewinnerwartung, die der Markt nicht erfüllen könne, meint der frühere Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz. „In der Folge wird zu oft am Bedarf vorbeigebaut, statt bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, werden teure Luxuswohnungen geschaffen.“ Der SPD-Mann spricht daher auch von einer „Krise des Geschäftsmodells.“ Andreas Otto von den Berliner Grünen wiederum sieht auch einen Fehler darin, dass sich die Bauherrn in den vergangenen Jahren zu sehr an die Nullzinsen gewöhnt hätten. „Dabei waren früher in der Bundesrepublik Zinsen von vier bis sieben Prozent der Normallfall“, so Otto in der Sonderveröffentlichung des Tagesspiegels.
Politik weitgehend einig
Die Vertreter von CDU, SPD, Linken und Grünen sind sich einig darüber, dass der Staat den Wohnungsbau finanziell stärker unterstützen muss als bisher. CDU-Mann Gräff: „Die nächste Bundesregierung muss schnell ein Milliardenprogramm für den Wohnungsbau auflegen. Anders bekommen wir das Problem nicht in den Griff. Linken-Politikerin Caren Lay fordert allerdings, den Schwerpunkt auf den Bau von Genossenschaftswohnungen zu legen.
ZDB-Hauptgeschäftsführer Pakleppa sieht noch auf einen anderen Punkt: Die Baubranche spielt auch eine sehr wichtige Rolle für die Gesamtwirtschaft. Es müsse dafür gesorgt werden, dass die mittelständisch geprägte deutsche Baubranche mit ihren qualifizierten Beschäftigten zum Zuge komme. (BSZ)
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