"Wissenschaftliche Durchbrüche fußen oft auf technischen Innovationen.“ Mit diesen Worten eröffnete der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft Patrick Cramer das neue Halbleiterlabor der Max-Planck-Gesellschaft, kurz HLL. „Das neue Halbleiterlabor der Max-Planck-Gesellschaft liefert die beeindruckende Technologie für den Aufbruch zu neuen Möglichkeiten und erweitert so die Attraktivität des Forschungsstandorts Garching.“
Auf dem Campus des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) und in bester Nachbarschaft zum MPP (Max-Planck-Institut für Physik), MPE (Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik), Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Max-Planck-Institut für Astrophysik und ESO (European Southern Observatory) in Garching bei München hat das HLL die Eröffnung seines neuen Gebäudes gefeiert. In den vergangenen Jahren hat sich das Halbleiterlabor als ein Zentrum für zukunftsweisende Innovation etabliert. Das Motto „Sensing the Invisible“ spiegelt genau das wider. Die rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln unter der Federführung der Laborleiterin Jelena Ninkovic Technologien, die das Unsichtbare sichtbar machen und so neue Erkenntnisse in der Wissenschaft ermöglichen.
Die Reise des Halbleiterlabors startete in den 1980er-Jahren unspektakulär: In einer Küche der TUM (Technische Universität München) entwickelten Gerhard Lutz und Josef Kemmer innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft erste Silizium-Strahlungsdetektoren. „Hier kamen wir dann zu unserem ersten Reinraum“, erinnert sich der stellvertretende Laborleiter Ladislav Andricek, der seit mehr als 30 Jahren Sensoren und Detektoren für die Max-Planck-Institute der Physik, der Extraterrestrischen Physik sowie der Astronomie entwickelt. „Wir fragen, was muss der Detektor können und dann bauen wir ihn.“ Und das nun nach dem Umzug nach Garching auf einem Qualitätsstandard, der weltweit seinesgleichen sucht.
Das bedeutet in der Chipherstellung schnelle Sensoren, Rauscharmut oder eine geringe Pixelgröße. Dafür benötigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Wafer Silizium, dessen Reinheit tausendmal höher ist als jenes, das in der Elektroindustrie verwendet wird. Die Reinheit des Siliziums muss daher während des gesamten Verarbeitungsprozesses mit seinen bis zu 500 Einzelschritten aufrechterhalten werden. So weisen die vom MPG HLL gefertigten Bauelemente unter anderem ein Rauschverhalten auf, das annähernd dem theoretischen Limit entspricht.
Die Reinraumfläche in Garching hat eine Größe von 1500 Quadratmeter und entspricht der Reinraumklasse bis zu ISO-3. Die Sensorproduktion findet auf 400 Quadratmeter Fläche statt, wobei ein Teil davon für Entwicklung und Test neuer Prozesse verwendet wird. Dieselbe Luftqualität hat auch der Bereich für Kupfertechnologie mit etwa 50 Quadratmeter, der sich in der zweiten Umluftzone des Gebäudes befindet. Beide Bereiche können nur über Blasschleusen in vollständiger Reinraumschutzkleidung betreten werden.
Sensoren aus dem HLL vermessen das Weltall
Die ISO-3-Räume grenzen an ISO-6-Räume, die für elektrische Messungen mit automatischen Nadelproben zum Schneiden der Wafer und zum Montieren der fertigen Chips verwendet werden. Für die Montage der Chips stehen automatische Aluminium- und Golddrahtbonder sowie Cu-Cu Flip Chip Bonder zur Verfügung. Die Infrastruktur des neuen Gebäudes wurde unter anderem mit einer zentralen Chemieversorgung sowie Abwasser- und Abluftaufbereitungsanlagen erweitert.
Mit eRosita hat das HLL nicht den ersten Sensor für ein Röntgenteleskop gebaut: eRosita basiert auf einer Konstruktion des X-Ray Multi-Mirror (XMM-Newton). Der Satellit wurde im Jahr 1999 von der Europäischen Weltraumagentur (ESA) gestartet. Insbesondere wurde für eRosita dem Bildbereich ein Speicherbereich hinzugefügt, um die gleichzeitige Aufnahme und das Auslesen in getrennten CCD-Bereichen zu ermöglichen. Die Dicke des gesamten pnCCD-Chips von 450 Mikrometer ist gleichmäßig empfindlich für Röntgenstrahlen von sehr niedrigen bis zu sehr hohen Energien.
Die Röntgenphotonen-Detektionseffizienz liegt bei mindestens 90 Prozent im Energieband von 0,3 keV bis 10 keV. Der Bildspeicherbetrieb ermöglicht sehr hohe Bildraten von bis zu 200 Röntgenbildern pro Sekunde ohne Bildverschmierung. Auf Basis von eRosita entstand dann der Sensor für das Follow-up-Röntgenteleskop (FXT) von Einstein Probe, einer Mission, an der das MPE und die Europäische Weltraumorganisation (ESA) beteiligt sind.
Das HLL war zudem am ATLAS-Projekt beteiligt. Hier lautete die Herausforderung, Detektoren zu entwickeln, die der harten Strahlungsumgebung am Large Hadron Collider (LHC) am CERN in Genf standhalten können. Das HLL konstruierte den Detektor mit einem Silizium-Tracker (SCT), der auf Silizium-Streifen-Detektoren basiert, und in den Vertex-Detektor, der auf Hybrid-Pixel-Detektoren basiert. Zuletzt hat das HLL DEPFET-Sensoren (depleted p-channel field-effect transistor) und Module für den Pixeldetektor (PXD) im Experiment Belle II am japanischen Beschleuniger KEK in Tsukuba entwickelt und angefertigt. Der Pixeldetektor wurde Anfang vergangenen Jahres angeliefert und wird bald mit der Datenaufnahme beginnen.
„Die MPG gehört zur absoluten Weltspitze in der Grundlagenforschung und ist eine Nobelpreisträgerschmiede. Im neuen Halbleiterlabor wird aus Grundlagenforschung konkrete Anwendung“, so der bayerische Europaminister Eric Beißwenger. „Forschung und Innovation sind der Schlüssel zur Zukunft und bilden zugleich die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg.“ (Patricia Staudacher-Sauer)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!