Beruf & Karriere

Skandinavier sind die glücklichsten Menschen der Welt. Was machen sie richtig? Unser Foto zeigt das Neubaugebiet Schweigaards Gate mit Büros und Wohnungen in Oslo. (Foto : dpa/Robert B. Fishman)

24.05.2019

Glückliche Skandinavier

Außerhalb Deutschlands sind Arbeitnehmer oft zufriedener mit ihrem Job – woran liegt das?

Ziemlich viele Beschäftigte denken häufig daran, den Arbeitsplatz zu wechseln. Dabei geht es nicht in erster Linie um mehr Geld oder eine steile Karriere. Vor allem bei qualifizierten Kräften stehen Flexibilität, Anerkennung und Vertrauen ganz oben auf dem Wunschzettel.

Trotz des derzeit schwächelnden Wachstums und drohenden Stelleneinsparungen bei manchen Großunternehmen bietet der heimische Arbeitsmarkt zahlreichen Beschäftigten weiterhin gute Perspektiven, zumindest statistisch gesehen. In Bayern und Baden-Württemberg läuft es wirtschaftlich ohnehin prächtig – was dazu führt, dass offene Stellen zunehmend nicht besetzt werden können und Fachkräfte von anderen Betrieben abgeworben werden müssen. Das alles ist nicht neu. Aktuelle Studien zeigen allerdings einmal mehr, dass es um die Zufriedenheit vieler Mitarbeitenden deutlich besser bestellt sein könnte.

Der jüngst veröffentlichte Engagement Report der dänischen People-Analytics-Plattform Peakon beispielsweise vergleicht die Job-Zufriedenheit von rund 500 000 Angestellten aus Deutschland, den USA, Großbritannien und den skandinavischen Ländern. Die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber erreicht bei den deutschen Teilnehmenden den schlechtesten Wert, gerade mal ein Drittel würde den eigenen Arbeitgeber weiterempfehlen. Seitens der Unternehmen wird offenbar wenig getan, um dem entgegenzuwirken: Nur etwa 25 Prozent der hierzulande Befragten sehen in ihrem Umfeld ausreichende berufliche Entwicklungschancen, in den USA sind es 40 Prozent. Drei Viertel fühlen sich dagegen von ihrem täglichen Arbeitspensum überfordert. Die Verantwortlichen der Studie sehen als Grund für die unterschiedliche Bewertung nicht zuletzt das Führungsverständnis, das in den jeweiligen Ländern grundlegend anders ausgeprägt sei.

Ein Blick nach Skandinavien lohnt insofern besonders – kommen doch viele Untersuchungen zu dem übereinstimmenden Ergebnis, dass dort außergewöhnlich glückliche Menschen leben. Beglückend scheinen nicht nur die landschaftlichen Gegebenheiten zu sein, auch die Arbeitswelt ist Vorbild für einen Umgang miteinander, der sich vor allem am Wohl der Beteiligten ausrichtet. Expertinnen wie Maike van den Boom beschäftigen sich systematisch damit, was es mit glücklichen Menschen in ebensolchen Organisationen genauer auf sich hat. Die in Heidelberg geborene Kunsttherapeutin lebt heute selbst in Stockholm, schreibt Beststeller wie Acht Stunden mehr Glück und berät Unternehmen in Sachen Mitarbeiterzufriedenheit.

Königsweg: Eine Kultur des Vertrauens aufbauen

Als eine wesentliche Grundlage der skandinavischen Arbeitskultur betrachtet sie, was im Schwedischen, Norwegischen und Dänischen mit dem gleichen Wort bezeichnet wird: „Tillit“, ins Deutsche übersetzt gleichbedeutend mit Vertrauen. Während deutsche Unternehmen und deren Führungskräfte sich oft schwertun, den eigenen Leuten dies wirklich entgegenzubringen, ist es in Skandinavien eine zentrale Säule jeglichen gemeinschaftlichen Verständnisses. Wie van den Boom in ihrem Buch beschreibt, erübrigen sich damit viele der Kontroll- und Machtmechanismen, die in heimischen Unternehmen immer wieder für Frust und Motivationsverlust sorgen. Im Gegenzug wird es möglich, ein Maß an Freiheit und Flexibilität zu praktizieren, von dem deutsche Fachkräfte nur träumen können. Nicht nur bei den Arbeitszeiten heißt es Geben und Nehmen: Meist funktioniert es ganz ohne ausgefeilte Konzepte, dass die Beschäftigten ihre Zeiten den persönlichen Anforderungen anpassen und dennoch die betrieblichen Anforderungen voll erfüllen können. Eine offene Kommunikation und ein wohlwollendes Verständnis für die jeweilige Situation der Mitarbeitenden sind auf allen Hierarchieebenen selbstverständlich.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Dies bedingt keine Kuschelkultur, die dem Müßiggang Vorschub leistet. Was Leistung, Wertschöpfung und Innovationskraft anbelangt, unterscheiden sich die Anforderungen nicht von deutschen Standards. Gerade der Blick auf die „harten Zahlen“ beweist, welch positiven Einfluss die Zufriedenheit auf Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit haben kann. Ein plakatives Beispiel kommt aus den eigenen Landen: die „Upstalsboom Hotel und Freizeit GmbH“, eine inhabergeführte Unternehmensgruppe mit etwa 700 Mitarbeitenden und Sitz in Emden.

Geschäftsführer Bodo Janssen übernahm das Familienunternehmen 2007 unter tragischen Umständen und führte wenig später eine Mitarbeiterbefragung durch. Was Zufriedenheit und Führungskultur anbelangt, war das Feedback äußerst schlecht. Janssen initiierte eine weitreichende Wende – im Mittelpunkt standen Werte wie Vertrauen, von vielen heimischen Managern eher belächelt. Heute kann man sich einer gelebten Unternehmenskultur rühmen, in der alle Mitarbeitenden ihre Potenziale wirklich entfalten können. Das wirkt sich deutlich auf die Zahlen aus: Nach eigenen Angaben konnte innerhalb von nur vier Jahren der Umsatz verdoppelt und die Krankheitsquote halbiert werden. Die Zufriedenheit im Unternehmen stieg drastisch, zudem bewerben sich aufgrund der positiven und glaubwürdigen Außenwirkung heute außergewöhnlich viele Menschen um einen Job bei Upstalsboom. Vertrauen scheint sich also auszuzahlen – zum Glück für alle Beteiligten. (Frank Beck)

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