Die Bayerische Verwaltungsschule (BVS) ist die wichtigste Ausbildungsstätte für Freistaat und Kommunen. Jährlich werden über 36.00 Menschen dort aus- und fortgebildet. Seit 1. April 2024 hat die BVS mit Hans-Christian Witthauer einen neuen Chef.
BSZ: Herr Witthauer, vor welchen Herausforderungen steht die BVS?
Hans-Christian Witthauer: Zum einen vor den allgemeinen Sparzwängen der Kommunen. Da gehen die meisten Verantwortlichen in Städten und Gemeinden wie in Unternehmen ganz klassisch vor und sehen sich alle Ausgabeposten genau an. Dann fällt meist die Fortbildung dem Rotstift zum Opfer. Was einerseits dem Geschäft der BVS schadet, aber andererseits auch den Kommunen. Denn sie verhindern Innovation und nehmen den Verlust von Kompetenzen bei ihren Beschäftigten in Kauf.
BSZ: Und zum anderen?
Witthauer: Zum anderen stellt die Digitalisierung uns alle vor Herausforderungen. Darum haben wir in der BVS die Digitalakademie Bayern gegründet. In einem ersten Schritt geht es darum, neben digitalen Fertigkeiten, die Digitalisierung in die Köpfe der Verwaltungsmitarbeitenden zu bringen. Oder neudeutsch ausgedrückt, ein digitales Mindset zu erzeugen. Dann kann man künstliche Intelligenz auch für den Arbeitsalltag nutzen.
BSZ: An welche Anwendungen denken Sie da?
Witthauer: Das fängt bei so einfachen Dingen wie einer Rede zum Volkstrauertag an, die man nicht mehr zu 100 Prozent selbst schreiben muss. Mit einer KI kann man sich zum Beispiel eine Ideensammlung erstellen lassen. Aber auch das Aufzeichnen der Gemeinderatssitzung kann leichter werden. So können Audiomitschnitte durch entsprechende Programme ganz leicht in Texte umgewandelt werden. Das erleichtert die Arbeit und schafft Freiraum für andere Tätigkeiten. Ebenso werden unsere Beschäftigten entlastet, wenn gut gemachte Chatbots und Avatare im Bürgerbüro die ersten Fragen auffangen – und zwar in allen Sprachen dieser Welt. Auch unsere Lehrbeauftragten können von KI profitieren.
BSZ: Inwiefern?
Witthauer: Wir haben etwa 1300 nebenberufliche Lehrbeauftragte. Das sind meist Menschen aus der Praxis, also aktive Verwaltungsprofis. Die haben aufgrund der hohen Anforderungen und Aufgabendichte in ihren Kommunen wenig Zeit. Also kommen in den Seminaren die sie für die BVS leiten, schon mal nicht ganz optimale Foliensätze für die Präsentationen zum Einsatz. Diese lassen sich aber mittels KI ganz schnell aktualisieren.
BSZ: Wie laufen diese Seminare ab?
Witthauer: Viele laufen nach wie vor nach dem Humboldt’schen Bildungsansatz ab: Eine oder einer steht vorne und referiert vor der „Klasse“. Davon müssen wir wegkommen. Interaktive, digitale Lehrinhalte sind gefragt. Damit meine ich aber nicht Webinare. Denn die laufen oft auch nach der klassischen Lehrmethode ab. Wir haben aktuell auch IT-Programme als digitale Zwillinge im Einsatz. Diese Programme werden auch real bei bayerischen Verwaltungen verwendet. Dadurch erhalten die Auszubildenden gleich eine praxisnahe Erfahrung. Die Digitalisierung macht komplexe Inhalte nicht nur leichter zugänglich, sondern auch deutlich anschaulicher und moderner. Lernen wird durch den Einsatz digitaler Werkzeuge und Methoden effektiver. Gleichzeitig bieten multimediale Elemente eine lebendige Ergänzung für Seminare und Schulungen. So wird nicht nur die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden gesteigert, sondern auch die Verankerung des Gelernten maßgeblich verbessert. Und das gilt für jüngere wie ältere Teilnehmer.
BSZ: Wie viele Aus- und Fortzubildende unterrichten Sie jährlich?
Witthauer: Rund 36 000, aber der Bedarf im öffentlichen Dienst ist steigend.
BSZ:Können Sie die Kapazitäten einfach erhöhen?
Witthauer: 40.000 sind kein Problem. Aber wenn es mehr werden sollen, sind die Lehrbeauftragten der limitierende Faktor, auch wenn man einen Teil sicherlich digital „auffangen“ kann.
BSZ: An wie vielen Orten in Bayern ist die BVS vertreten?
Witthauer: Wir haben fünf Bildungszentren in München, Holzhausen am Ammersee, Nürnberg, Lauingen und Neustadt an der Aisch. Insgesamt haben wir knapp 50 Lernorte in Bayern. Meist mieten wir uns bei Kooperationspartnern ein.
BSZ: Abschlussfrage: Was wünschen Sie sich von der bayerischen Politik?
Witthauer: Als Vorstand der Bayerischen Verwaltungsschule wünsche ich mir eine intensivere und frühzeitigere Einbindung in Entscheidungen, die die Bildung und Weiterbildung in der Verwaltung betreffen. Die BVS versteht sich als zentraler Ansprechpartner und verlässlicher Partner für die staatlichen und kommunalen Verwaltungen in Bayern, wenn es um qualifizierte Aus- und Fortbildung geht. Um dieser Rolle gerecht zu werden, ist eine enge Einbindung bei den Entscheidern unerlässlich. Ein weiteres Anliegen ist es, die Vielzahl an staatlichen Fortbildungsbereichen besser zu koordinieren, um unnötige Konkurrenzsituationen zu vermeiden. Hier besteht ein erhebliches Potenzial, Ressourcen zu sparen. Anstatt Parallelstrukturen aufrechtzuerhalten, sollten wir gemeinsam darauf hinarbeiten, die Kräfte zu bündeln und die BVS als kompetente und erfahrene Institution besonders in der Fortbildung stärker in den Fokus zu rücken. Unser Ziel ist es, die Aus- und Fortbildung in der Verwaltung effizient und zukunftsfähig zu gestalten. Dafür setzen wir auf moderne Lösungen und eine enge Zusammenarbeit mit der Politik, um Synergien optimal zu nutzen.
(Interview: Ralph Schweinfurth)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!