Es gibt ihn jetzt mittlerweile seit acht Jahren, den Fernradweg München-Venedig. Er verbindet Radgenuss und Alpenüberquerung bis zur Adria. Die Wegequalität ist sehr unterschiedlich, von bestens asphaltierten Radwegen, kleinen Nebenstraßen bis hin zu etwas holprigen Forst- und Schotterwegen, aber dennoch ist die gesamte Strecke hervorragend zu befahren – kleinere Herausforderungen müssen schon sein. Auf der Route erleben aktive Genussradler drei Länder mit ihren Tourismusregionen und vielen her-ausragenden Natur- sowie Kulturschönheiten.
München-Venedig führt von der Isarmetropole entlang von Flüssen und Seen über das Tiroler Inntal, über alte Bahntrassen entspannt durch das UNESCO Weltkulturerbe der Dolomiten bis hin zu den Dogenpalästen und Kanälen der weltberühmten Lagunenstadt Venedig.
Für die sportliche Strecke, die man als Freund des Drahtesels individuell, aber auch geführt in Angriff nehmen kann, sind sieben reine Radtage veranschlagt.
Wir starten natürlich von München aus unsere individuelle Genuss-Radreise, die wir bei der Feuer & Eis Touristik GmbH aus Rottach-Egern (www.feuer-eis-touristik.de) gebucht haben. Das Touristikunternehmen organisiert auch den Gepäcktransport und die Übernachtungen in den einzelnen Zielorten. Unterwegs sind wir mit hervorragenden Leih-E-Bikes der Marke KTM, die von Fun Active Tours (www.funactive.info) aus Toblach zur Verfügung gestellt sind.
Die Strecke am ersten Tag führt uns zunächst entlang der Isar, des Isar-Hochufers und der Isar-Auen bis zur Floßlände in Wolfratshausen. Bis dahin haben wir bereits zig Flöße mit ausgelassenen Ausflüglern gesehen – beseelt von Bier und Musik. Von der Floßlände geht es weiter bis nach Bad Tölz mit seiner sehenswerten Altstadt. Noch ein Tipp – zufällig entdeckt: Kurz vor Bad Tölz lohnt ein Stop im Café-Bleib steh’ in Rothenrain bei Wackersberg. Das kleine Café liegt direkt an der Strecke in traumhafter Lage und überrascht uns mit hervorragenden selbstgemachten Kuchen und Torten. Hier kann man gemütlich einkehren und sich bei Kaffee oder einem anderen Getränk von den ersten Kilometern des Tages etwas entspannen. Das Café ist absolut zu empfehlen und auf jeden Fall einen Halt wert.
Vorsicht: Kies und Schotter
In Tölz angekommen schaffen wir es gerade noch, dass wir ins „Bulle von Tölz Museum“ rein dürfen. Das Museum ist Treffpunkt für Fans der früheren Fernsehserie Der Bulle von Tölz mit Ottfried Fischer in der Hauptrolle und Ruth Drexel als seiner Mama. Neben den vielen Informationen in Text und Bild kann man im Multimedia-Bereich auf mehreren Bildschirmen witzige aber auch markante Momente aus den Folgen live mitverfolgen oder aber auch am Schreibtisch gegenüber von Hauptkommissar Benno Berghammer Platz nehmen. Der Museumsbesuch lohnt sich auf jeden Fall und ist eine schöne Abwechslung.
Von Bad Tölz geht es an Tag zwei weiter entlang der Isar bis zum Sylvenstein-Stausee. Durch den Naturpark Karwendel überqueren wir bei herrlichem Wetter die deutsch-österreichische Grenze und radeln weiter bis zum türkisfarbenen Achensee, Tirols größtem See. Die Strecke runter vom Achensee nach Jenbach verlangt dann erstmals etwas mehr fahrerisches Können, denn der Weg ist relativ steil und aufgrund des Untergrunds – Kies und Schotter – schon anspruchsvoll. Zum Glück haben wir tolle Räder mit breiten Reifen und tiefem Profil. Übernachtet wird in der Silberstadt Schwaz.
Das rund 30 Kilometer lange flache Teilstück von Schwaz nach Innsbruck auf dem gut ausgebauten Radweg entlang des Inns bewältigen wir ohne E-Hilfe. Diese sparen wir uns auf für den anspruchsvollen Abschnitt hinauf zum Brennerpass. Allerdings werden wir nur bis Matrei auf der Alten Römerstraße als Pedalritter unterwegs sein, denn durch das ständig anwachsende Verkehrsaufkommen auf der Brenner Bundesstraße, auf die wir dann zwangsläufig ausweichen müssten, ist abzuraten. Die Alte Römerstraße ist eine sehr schöne und interessante Ausweichstrecke Richtung Brenner Pass – immer ein leichtes Auf und Ab. Nur am Anfang gibt es ein paar heftige Steigungen, die allerdings schon an die Kondition gehen.
In Matrei steigen wir mit unseren Drahteseln in den Zug, der uns in rund 20 Minuten zum Brennerpass bringt. Dort angekommen haben wir jedoch eine kleine Hürde zu überwinden, denn der Bahnhof am Brenner verfügt weder über einen Aufzug noch über Rampen. Also müssen wir die knapp 27 Kilogramm schweren Räder zuerst runter und dann wieder rauf tragen – eine Schinderei. Allerdings haben wir danach bei strahlendem Sonnenschein eine herrliche rund 15 Kilometer lange Abfahrt auf der alten Bahntrasse vor uns, die man so richtig genießen kann. Der Weg führt uns weiter in die bildhübsche kleine ehemalige Fuggerstadt Sterzing, wo wir durch die Altstadt flanieren und uns einen Eiskaffee gönnen.
Weiter geht es über die Franzensfeste – sie sollte die wichtige transalpine Verkehrsverbindung durch das Wipptal über den Brenner nach Norden sichern und gilt als einziges reines Beispiel der neupreußischen Befestigungskunst auf k.-u.-k.-österreichischem Boden – zu unserem Zielort Mühlbach. Diese Etappe sollte dann auch unsere längste sein, mit rund 113 Kilometern.
Auf einem gut ausgebauten Radweg geht es am folgenden Tag durch das Pustertal, vorbei an der Mühlbacher Klause, einem ehemaligen Grenzposten. Am Fluss Rienz entlang radeln wir nach Bruneck, wo wir in der Altstadt eine Mittagspause einlegen. Weiter auf dem Radlweg entlang der Rienz erreichen wir Toblach, unser heutiges Ziel. Dort lassen wir auch unsere E-Bikes bei Fun Active Tours im Rahmen eines Boxenstopps kontrollieren.
An Tag Fünf ist uns der Wettergott zunächst nicht besonders gewogen. Es regnet und das nicht schlecht. Trotzdem schwingen wir uns auf die durchgecheckten Räder und folgen dem Radweg auf der ehemaligen Dolomitenbahn durch das Höhlensteintal vorbei am Tob-lacher See.
Dann passiert es, rund einen Kilometer vor dem Panoramablick auf die Felsformation der Drei Zinnen, verabschiedet sich mein Hinterreifen. Ich habe einen Platten. Ein Reißnagel, wer weiß, wie der hier her kommt, suchte wohl eine Mitfahrgelegenheit. Bei strömenden Regen versuchen wir den Reifen zu reparieren, was uns jedoch nicht gelingt. Zum Glück sind wir aber nur ein paar Kilometer von Toblach entfernt, wo Fun Active Tours, unser E-Bike-Verleiher, seine Zentrale hat. Per Handy schildern wir unsere missliche Lage, woraufhin ohne großes Aufheben mir ein neues E-Bike zu unserer Pannenstelle gebracht wird und wir unsere Tour fortsetzen können. Der Tag ist gerettet und auch das Wetter wird von Minute zu Minute besser.
Der imposante Anblick der Drei Zinnen, wo wir einen Fotostopp einlegen, beeindruckt uns. Kurz danach trocknen wir uns in einem Gasthaus am Dürrensee und wärmen uns bei heißer Schokolade und heißer Suppe. Die Lebensgeister sind wieder geweckt.
Jetzt geht es leicht ansteigend den Radweg hinauf zur Grenze der beiden Provinzen Bozen und Belluno. Ab hier rollen wir auf der ehemaligen Bahntrasse gemütlich bei blauem Himmel bergab und erreichen die Dolomitenstadt Cortina d’Ampezzo, wo nach 1956 im Jahr 2026 zum zweiten Mal die Olympischen Winterspiele stattfinden. Der Ort hat eine traumhafte Bergkulisse. Stetig leicht abwärts – zum größten Teil noch auf der früheren Eisenbahnstrecke – fällt links der Blick auf den Gebirgsstock des Sorapis und rechts auf die Felsformation der Fünf Türme (Cinque Torri). Durch das Boite-Tal radeln wir weiter gen Süden zum Etappenziel Pieve di Cadore.
Unseren ersten Halt am sechsten Tag machen wir in Perarolo di Cadore. Ein paar Häuser wie die Casa dei Trofei oder der benachbarte, mit Fresken geschmückte Lazzaris-Constantini-Palast erinnern an die einstige Blütezeit des am Zusammenfluss von Boite und Piave gelegenen Dorfes, als der Handel mit Holz für Wohlstand sorgte. Hier in Perarolo kümmerte man sich um die Verarbeitung des Holzes, das dann anschließend weiter nach Venedig geflößt wurde. Auf der Strecke ergeben sich immer wieder schöne Blicke auf die Kiesbänke der Piave.
Tropfnass ins Hotel
Vorbei an Belluno und dem Lago di Santa Croce sowie dem Lago Morto kommen wir ins hübsche Vittorio Veneto, dessen Stadtkern von zahlreichen Palazzi geprägt ist, die großenteils aus der Zeit der Renaissance stammen. Unsere Tour endet heute in Conegliano, deren mittelalterliche Altstadt sich malerisch an einen Hügel schmiegt, auf dem die ehemalige Burg thront. Allerdings erwischt uns rund acht Kilometer vor Conegliano noch ein heftiger Regenschauer. Tropfnass erreichen wir unser Hotel – egal, jetzt können wir uns ja trocken legen.
Tag Sieben – Finaltag. Wir lassen die Alpen hinter uns und radeln durch die Ebene nach Treviso. Auf der Zielgeraden Richtung Adria wird der Fluss Sile zu unserem Begleiter nach Venedig-Mestre. Die Route führt großenteils auf unbefestigten, aber gut befahrbaren Wegen. Von Quarto d’Altino geht es vor allem auf ruhigen Nebenstraßen entlang. Nach sieben Tagen und rund 600 Kilometern beenden wir die Tour München-Venedig in Mestre am frühen Abend.
Am folgenden Tag erkunden wir dann die Serenissima, allerdings ohne Räder, denn solche sind in der Lagunenstadt verboten – sinnvoll wegen der zahllosen Brücken und Menschenmassen. Wir schlendern durch die malerischen Gassen und schauen dem Treiben auf den Kanälen zu. Auf dem Wasser herrscht quasi Rush Hour, denn eine Touristengondel neben beziehungsweise hintereinander zwängt sich mit ihrem Gondoliere durch die engen Wasserwege – von der vielgepriesenen Romantik leider keine Spur.
Natürlich stehen auf unserem Sightseeing-Programm unter zahlreichen anderen Sehenswürdigkeiten die Rialtobrücke, der Markusplatz mit der beeindruckenden Markuskirche, der Dogenpalast und der Campanile sowie die Seufzerbrücke. Auch lassen wir uns Fahrten mit den Vaporettos, Venedigs Wasserbussen, nicht entgehen.
Die Eröffnung des Radfernwegs München-Venedig fand 2015 statt. Somit besteht seither neben der Via Claudia Augusta und dem Alpe-Adria-Trail eine weitere Möglichkeit, auf einem Radfernweg die Alpen zu überqueren.
Neben der sportlichen Herausforderung soll vor allem der Genuss im Vordergrund stehen und den gibt es in den verschiedensten Variationen. Landschaftlich ist die Strecke sehr abwechslungsreich, von sanften Hügeln des Alpenvorlands bis hin zum Alpenhauptkamm, von den beeindruckenden, zum Teil sehr schroffen Dolomiten bis hin zur venezianischen Ebene ist alles geboten wie vom malerischen Gebirgssee bis hin zur Adria.
Wer sich für sich für eine organisierte Radreise mit Feuer & Eis entscheidet, kann Unterkunft, Verpflegung, Gepäcktransport und Leihräder buchen. Die Unterkünfte befinden sich in der 3- und 4-Sterne Kategorie (Gasthöfe, Hotels) inklusive Frühstück. Wir waren mit den Häusern sehr zufrieden. Auch der Rücktransfer kann optional gebucht werden. Bei unserer Tour war alles top organisiert – vom Gepäcktransfer über die Unterkünfte bis hin zu den Leihrädern.
Der Radfernweg München-Venedig ist eine tolle Strecke für alle, die gerne individuell oder aber auch organisiert mit dem Drahtesel unterwegs sind – ob mit dem E-Bike, dem Rennrad oder einem normalen Tourenrad – und auch ein Auge für die Natur sowie die Landschaft haben. Ein super Erlebnis, das absolut zu empfehlen ist. (Friedrich H. Hettler)
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